Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
Bäuseken
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Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Bäuseken »

Hallo,
ich bin neu hier und habe Einiges schon durchgelesen. Leider habe ich doch noch eine Frage, die ich mir durch das Querlesen hier noch nicht beantworten konnte. Um die Frage kurz zu fassen: Ist es tatsächlich nötig, eine immunsuppressive Therapie zu starten bei einer Proktitis Ulcerosa? Gibt es wirklich keine Alternativen?

Hier kurz zu meiner Diagnose:
Proktitis Ulcerosa, Erstdiagnose 10/2017
Lokalisation CU: 0-5 cm ab ano zirkuläre Entzündung, Procitis ulcerosa mit Punctum maximum im distalen Rektum. Weiter proximal ist der Schleimhautbefund unauffällig.
Serratiertets Coecumadenom 10/2017 (Kontroll-Koloskopie 10/2019 war unauffällig)
Wurde zuerst mit Mesalazin-Suppositorien behandelt, habe darauf auch gut angesprochen. 07/2018 und 01/2019 erneute Schübe (schleimig-blutiger Stuhl), so dass 01/2019 zusätzlich zum Mesalazin Cortison-Einläufe (ca. 2 Monate lang) gegeben wurden. Wurde daraufhin wieder besser (kein Blut mehr).
Ende Juli 2019 erneuter Schub mit sehr stark blutigem Stuhl, so dass eine systemische Cortison-Stoß-Therapie (1 Woche 60mg, 1 Woche 50 mg, 1 Woche 40 mg etc) begonnen wurde (zusätzlich zu den Mesalazin-Suppositorien und wieder Cortison-Einläufe).

Für ca. 2 Monate war dann auch mal Ruhe (und meinen Eisenwert habe ich auch wieder einigermaßen im Griff).
Jetzt brodelt es da unten schon wieder seit Wochen und fängt auch wieder mit blutigem Schleim an. Meine Ärztin meinte, dass ich jetzt mit Azathioprin anfangen müsse, da ja sonst nie Ruhe einkehrt. Und schon wieder Kortison (systemisch) gehe auch nicht (die Kortison-Einläufe würde ich jetzt wieder zusätzlich nehmen).

Ich finde, so eine "geringgradige" (aber dennoch stark schleimende, eiternde und blutende) Entzündung NUR im Rektum und trotzdem Azathioprin?
Als Alternative wurde mir noch Humira etc. vorgeschlagen. Gibts wirklich nichts anderes?

Kann mir bitte jemand was dazu sagen? Bin verzweifelt und weiss nicht was ich machen soll (wenn ich nicht langsam verbluten möchte).
Vielen lieben Dank im Voraus!

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neptun
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von neptun »

Hallo Bäuseken,

willkommen im Forum.

Warum hast Du denn nicht auch Mesalazin oral bekommen? Zum Beispiel Mezavant, nach Leitlinie cu bei Entzündung mit min. 3g/d. Hier ein Link, wie es sich im Dickdarm freisetzt.
http://www.krankenpflege-journal.com/in ... tlich.html

Leider wird häufig gerade auch die wirksame Therapie mit Mesalazin abgesetzt und schon etliche Betroffene haben dann Deine Erfahrung gemacht, es kommt wieder, wird heftiger und dann hilft die bisherige Medikation nicht mehr.

Mesalazinzäpfchen sind sicher gut. Müssen zur Nacht genommen werden und dann auch drin bleiben bis zum Morgen. Dann käme bei einer Proktitis budesonidhaltiger Schaum. Budesonid, ein spezielles Cortison, was topisch, vor Ort, angewendet wird. Den verwendet man ergänzend vormittags, wenn man man. eine halbe Stunde nicht auf das Klo muß.

Du schriebst von Cortisoneinläufen. Sind damit die Betnesolklysmen gemeint? Dann lies Dir mal meine Antwort in diesem Thread durch, denn die sind der Hammer.
https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=8 ... sol#p44976

Mit einer Proktitis muß man nicht verzweifeln, aber sie kann sich als sehr hartnäckig erweisen.

Dazu mein Lieblingssatz aus der letzten veralteten Fassung der Leitlinie cu zur Behandlung einer Proktitis:
"Die Therapie der refraktären Proktitis kann eine erhebliche klinische Herausforderung darstellen, weil systemische Therapieformen oder eine Operation unter Umständen, auch unter Abwägung von Risiken und therapeutischem Nutzen, eine Übertherapie darstellen
können."

Hat man in der neuen Fassung leider im Text verkürzt auf den ersten Halbsatz. Dafür kann man dann behandeln entsprechend einer therapierefraktären ausgedehnten Colitis, obwohl es kaum eine Grundlage dafür gibt, weil Untersuchungen in Bezug auf eine Proktitis quasi fehlen. Da versteht man dann auch ganz schnell den letzten Teil des Satzes, was eine Übertherapie bedeuten kann.

Ich habe von 1979 bis 1993 eine chronisch aktive Proktitis gehabt.

Und so schnell verblutet man zum Glück nicht bei einer Proktitis. ;) Also lieber Kopf hoch.

Eine Stoßtherapie heißt übrigens so, weil sie mit 1 mg je kg Körpergewicht über 5 Tage gegeben würde als Stoß. Danach wird abgesetzt ohne Ausschleichen.
Du hattest eine normale Induktionstherapie mit Cortison.

LG Neptun
PS: Zur Info hier auch der Link zur Leitlinie cu.
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-009.html

Bäuseken
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Bäuseken »

Hallo Neptun,
vielen Dank für Deine schnelle Antwort.
Leider wird häufig gerade auch die wirksame Therapie mit Mesalazin abgesetzt
Ich habe die Mesalazin-Suppositorien durchgehend genommen (nie abgesetzt). Leider haben sie anscheinend ihre Wirkung verloren.
Du schriebst von Cortisoneinläufen. Sind damit die Betnesolklysmen gemeint?
Nein, es ist Budesonid (nicht als Schaum, sondern in flüssiger Form). Lt. Ärztin sollten diese aber nicht länger als maximal 8 Wochen angewendet werden, da es sonst zur Ausdünnung der Darmwand kommt.
Ich habe von 1979 bis 1993 eine chronisch aktive Proktitis gehabt.
Und wie hast Du diese losbekommen wenn ich fragen darf?
Und so schnell verblutet man zum Glück nicht bei einer Proktitis
Ja, so schnell nicht. Allerdings kommt es bei mir nicht zu Stuhl mit Blutauflagerungen, sondern zu Blut mit etwas Stuhl. Und das Blut tropft dann förmlich raus. Wenn das über ein paar Wochen mehrmals am Tag so geht ohne Akuttherapie in Form von Kortison (wie bisher), bin ich schon am verbluten.

Vielen Dank für den Link zur Leitlinie. Wenn ich das so richtig gelesen habe, bleibt wohl tatsächlich nur Azathioprin (bzw. Antikörper)?!?! Obwohl es eine Übertherapie ist?

Meine Ärztin will kein Kortison mehr geben (nur im Akutfall als Klysmen zur Stoppung der Blutung und dann auch nur kurz). Aber sie meint, dass damit mein Problem nicht gelöst ist und das ein ewiger Kreislauf bleiben würde.

LG

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neptun
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von neptun »

Hallo Bäuseken,

so viel Blut hatte ich selbst später bei meiner Linksseitencolitis nicht. Wobei da auch teils nur Blutpropfen raus kamen.

Mesalazin wird seine Wirkung nicht verlieren, aber allein mag es nicht ausreichend sein.

Ich hatte damals Azulfidine (Sulfasalazin), den Vorläufer des Mesalazin.
Ich kam einfach so in Remission. Allerdings ging es über ca. 1 Jahr kontinuierlicher Besserung. Und es gab eine tiefgreifende positive Veränderung in meinem Leben. Eventuell der Anlaß.

Meine 2. Remission bekam ich nach chronisch aktiver Linksseitencolitis ab 1996 dann in 2014. Auch hier vorab ein Jahr kontinuierlicher Besserung. Damals nahm ich 3 Mezavant.

Wenn Du es nicht noch mal intensiv mit Mesalazin versuchen willst, es bleiben dann wohl nur Aza/Purinethol oder ein Biological.

Früher gab es derartige Medikamente nicht und später versuchte ich in 2003 Aza, was aber beim Einschleichen weg fiel wegen hoher Leberwerte.

LG Neptun

Bäuseken
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Bäuseken »

Hallo zusammen,

ich war gestern bei meiner Gastroenterologin. Nachdem die Mesalazin-Therapie sowie die Budesonid-Einläufe nicht (ausreichend) anschlagen (blutiger/eitriger Stuhl, der Schub wird seit Monaten nicht unter Kontrolle gebracht) soll ich mich nun zur Weiterbehandlung zwischen Azathioprin und Entyvio entscheiden.

Ich weiß grob, wie beide Medikamente wirken. Mich würde aber interessieren, wie Ihr Euch entscheiden würdet (und warum), vor allem im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen.

Ich habe mich heute für Azathioprin entschieden, allerdings bin ich mir wirklich nicht sicher...
Ich weiß auch, dass das natürlich jeder für sich und auf das jeweilige Krankheitsbild entscheiden muss aber ein paar Meinungen würden mir sehr weiterhelfen!

Grüße

Anton
Dauergast
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Diagnose: CU seit 2007
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Anton »

Hallo, Bäuseken,
ich würde mir an deiner Stelle eine zweite Meinung einholen. So ganz logisch finde ich die Behandlung deiner Gastro nicht.
LG Anton

Bäuseken
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Bäuseken »

Hallo Anton,
danke für Deinen Beitrag. Die Ärztin behandelt nach akt. Leitlinie. Ich war für eine Zweitmeinung in einer Uniklinik, dort meinte der Arzt auch Behandlung in folgenden Schritten 1. Mesalazin 2. Kortison 3. Azathioprin 4. Biologika
Also Mesalazin und Kortison helfen nicht.
Hmmmm...

Ahab
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Ahab »

Hallo Bäuseken,
zunächst: Ich selbst bin nicht mit CU betroffen, aber mein Sohn.
Er hatte 2018 im Sommer einen Schub, den wir mit Prednison ( wenn ich mich nicht irre, ist das ein systemischen Cortison) in den Griff bekamen. Zur Weihnachtszeit 2018 kam [quote][/quote]erneut ein Schub, der erstmalig mit Cortiment ( ist das ein topisches Cortison? ) behandelt wurde. Unser Kindergastro meinte damals, dieses sei weniger belastend für den Organismus als ein " richtiges" Cortison ( bitte entschuldigt die laienhaften Ausdrücke, ich hoffe, dass ich alles aus der Erinnerung richtig darstelle). Im Sommer 2019 holte er sich leider eine sehr heftige Salmonelleninfektion, die erneut in einem Schub mündete bzw. diesen sogar evtl auslöste. Ich befürchtete schon, dass nun Azathioprin als Mittel der Wahl zur Debatte stünde. Ich habe enorme Angst vor diesem Medikament, weil ich persönlich die Nebenwirkungen für sehr riskant halte und weil es wohl dauerhaft genommen werden soll, ein Absetzen ist nicht vorgesehen, soweit ich weiß.
Ich könnte das für meinen Sohn persönlich nicht verantworten. Ich betone aber, dass das meine sehr persönliche Meinung ist - meine Schwägerin litt jahrelang ganz massiv unter ihrer CU und ihr geht es bombig, seitdem sie Azathioprin nimmt.
Wir hingehen haben im Sommer 2019 erneut mit Cortiment behandelt. Bis es bei meinem Sohn wirkt, geht viel Zeit ins Land, bis zu 6 Wochen. Seit dem Absetzen ist er bis jetzt - hoffentlich bleibt es lange so - in Remission. Insofern bin ich froh, dass wir uns immer vehement gehen Aza ausgesprochen haben.
Ich muss allerdings dazu sagen, dass mein Sohn außer 3 blutigen Stühlen am Tag und gelegentlichen leichten Bauchschmerzen keine Symptome hatte, der Leidensdruck war demnach nicht wirklich hoch.
Ich hatte damals sogar unseren Kindergastroenterologen gefragt, ob es möglich sei, eine geringgradige Entzündung, die aktuell nicht mit Cortison behandelt werden kann, so lange (ein halbes Jahr, ein Jahr?) zu tolerieren, bis ein erneuter Anlauf mit Cortison akzeptabel scheint.
Er schien diese Idee für nicht völlig absurd zu halten.
Ich sehe das so: Azathioprin braucht ja, wenn ich mich nicht irre, lange, bis es wirkt. In dieser Zeit muss man entweder die Entzündung tolerieren oder doch wieder mit Cortison bekämpfen. Wenn dann irgendwann eine Remission einsetzt - woher will man wissen, ob sie nicht auch ohne Azathioprin eingesetzt hätte?
Sofern die CU nicht derart einschränkend ist, dass man im Alltag sehr darunter leidet, würde ich die Frage nach den Langzeitrisiken ins Zentrum stellen: Was ist riskanter: Eine leichtgradige CU eine Zeitlang schwelend lassen oder lebenslang ein Medikament einwerfen, dass das Immunsystem runterreguliert?
Für mich wäre Azathioprin nur ein Utima Ratio, denn es gar nicht anders geht.
Mit dieser Haltung sind wir in unserer Situation bisher ganz gut gefahren, aber vielleicht war es auch einfach nur Glück, ich will das nicht verabsolutieren.
Evtl ist ja aber Cortiment für dich noch eine Option.
Ich wünsche dir alles erdenklich Gute!

Bäuseken
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von Bäuseken »

Hallo Ahab,
vielen Dank für Deine ausführlichen Infos.
Cortiment = Budesonid, das wirkt bei mir nicht mehr so wie erwünscht. Außerdem ist es keine Dauermedikation. Sobald ich das weglasse, geht alles wieder von vorne los.
Wünsche Deinem Sohn von Herzen alles Gute!

Ich habe tatsächlich keine weitere Alternative mehr als Azathioprin oder ein Biologikum. Daher wäre es toll, wenn jemand von seinen Erfahrungen mit Azathioprin und Vedolizumab (Entyvio) berichten könnte.
Grüße

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neptun
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Re: Azathioprin bei Proktitis Ulcerosa?? Alternativen?

Beitrag von neptun »

Hallo Bäuseken,

nach der Erfahrung aus der Praxis sind die Biologicals in den Nebenwirkungen wohl etwas harmloser als Aza.

Wobei Entyvio nur im Darm wirken soll, also die Nebenwirkungswahrscheinlichkeit noch geringer sein mag.

Mit den Biologicals werden Entzündungswege blockiert, mit Aza aber ins Immunsystem eingegriffen durch die Reduzierung von B-und T-Zellen, die zu den Leukozyten gehören und der Immunabwehr dienen.

Bei Aza muß man strikt die Sonne meiden, denn die Haut wird anscheinend bei allen wesentlich anfälliger. Die Hautkrebsgefahr steigt also stark, wenn man nicht handelt.
Ebenso steigt die Gefahr für Lymphome.
Der Urin kann neongelb werden, was aber nichts macht.
Aza wirkt nach den Berichten im Forum eher erst nach 3-6 Monaten, also doch später als in der Fachinfo angegeben.

LG Neptun

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