Genaue Bedeutung von Remission

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
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SweetDreams
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Genaue Bedeutung von Remission

Beitrag von SweetDreams »

Hallo allerseits,

meine Diagnose MC ist pathologisch untermauert worden.

Ich habe immer noch leicht Aphten/ Erosionen im terminalen Ileum, etwas veränderten Stuhlgang, weniger Kraft, höhere Infektanfälligkeit, ab und an Blähungen, aber halt keine vielen Durchfälle, kaum Schmerzen usw. Calprotectin war zuletzt bei ca. 700.

Daher frage ich mich, was genau es heißt in Remission zu sein. Hat man bei MC immer Restentzündungen? Ist Remission graduell?

Ich wüsste gerne, ob dies mein “Bestzustand” ist - dann würde ich mich drauf einstellen und mich damit arrangieren müssen.

Ich bekomme Pentasa und wenn das funktioniert, werde ich es wohl dauerhaft nehmen.

DANKE!! Das Web hilft nicht so recht. Da klingt es alles nach “an” - “aus” (Schub - Remission).
Am Ende hat noch immer alles irgendwann einen Sinn ergeben.

Ich bin gespannt!

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neptun
Inventar - wird täglich mit abgestaubt
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Re: Genaue Bedeutung von Remission

Beitrag von neptun »

Hallo Sweetdreams,

kurze Antwort. Wie Du es schreibst, an-aus.

Eine längere Antwort.

Bis vor einiger Zeit wurde Remission definiert als Zustand der Symptom- und Beschwerdefreiheit.
Neuerdings sagt man, die Darmschleimhaut muß abgeheilt sein, also das Mucosal Healing vollständig sein. Damit wäre gewährleistet, es gibt derzeit keine entzündlichen Prozesse. Vernarbungen wären aber sicher möglich, denn die sind nicht reversibel. Zum Nachweis dafür wäre eine Kolo notwendig.

Wird dieser Zustand nun unter der dauerhaften Medikamenteneinnahme von Immunsuppressiva oder auch Biologicals erreicht, dann wäre es keine echte Remission, was aber den Betroffenen sicher erst mal egal wäre.

Es offenbart sich dabei aber sofort das Problem, wie erkennt man, ob man nicht nach einiger Zeit auch ohne die Medikamente in Remission sein könnte, also in echter Remission?

Zum Aza/Puri existierte/existiert die Ansicht, es wäre zumindest eine Einnahme über mindestens 4 Jahren notwendig, um über das Absetzen entscheiden zu können nach dem bisherigen Verlauf. Grund ist, man nimmt an, das Immunsystem stellt sich in dieser Zeit um. Etliche Betroffene mußten dabei aber negative Erfahrungen machen. Vielleicht daher oder auch aus dem Verlauf heraus mit Rezidiven werden Aza/Puri heute teils viel länger verschrieben und es Betroffene gibt, die schon über 10 Jahre dabei sind.
Bei den Biologicals gibt es zwar auch seit einigen Jahren die Daueranwendung, aber das war nicht das ursprüngliche Konzept, als die Medikamente für die CED (zu unterschiedlichen Jahren) zugelassen wurden. Entwickelt wurden sie für rheumatische Erkrankungen. Ausnahme ist das Entyvio (Vedolizumab), das nur im Dickdarm wirkt.

Will man Biologicals oder Immunsuppressiva absetzen, so sollte zumindest ein Jahr der absoluten Beschwerdefreiheit vorbei sein und dann auch eigentlich der Nachweis des Mucosal Healing durch eine Kolo erbracht sein.
Eine praktikable Vorgehensweise ist, man verlängert das Infusionsintervall und wenn es dem Betroffenen darunter weiterhin gut geht, setzt man nach einigen Monaten ab. So schrieb es Prof. Raedler in seinem Patientenforum zumindest in Bezug auf die Biologicals.

Beim Aza versuchen Betroffene, die Dosierung zu senken. Nur gibt es für diese Vorgehensweise keine Studie. Nach der Leitlinie cu braucht man zur wirksamen Behandlung eine bestimmte Dosierung, die sich nach dem Körpergewicht bemißt. Wird sie unterschritten, dann sollte eigentlich auch keine Wirkung vorhanden sein.

Die Hürde liegt also ziemlich hoch, will man sich von der Medikation auch mal wieder verabschieden. Bei jeder Entscheidung zum Absetzen auf anderer Grundlage wird sich wohl das Risiko für einen Rückschlag, für ein Rezidiv, erhöhen.
Es erscheint mir gar nicht leicht, eine Medikation unter diesen Aspekten anzufangen, aber auch zu beenden.

Bei cu und der Basismedikation mit Mesalazin ist es etwas anders, denn Mesalazin soll zusätzlich zur Remissionsverlängerung auch der Krebsprophylaxe dienen und daher kann es auch dauerhaft eingenommen werden. Nach Leitlinie zur cu mindestens 1-2 Jahre. Liegt sicher auch an dem relativ geringen Nebenwirkungsrisiko. Bei mc im Colon gibt es diese Empfehlung nicht. Es gibt dazu keine Studien, die einen der Punkte bestätigen. Trotzdem gibt es viele positive Erfahrungen bei Betroffenen und ihren Ärzten, weshalb ich denke, man kann es versuchen bei mc.

Ganz anders sieht es aus, wenn Symptom- und Beschwerdefreiheit unter Cortison erreicht wird. Cortison ist nie zur dauerhaften Anwendung geeignet durch die bekannten Nebenwirkungen. Es ist ein Akutmedikament für Schübe unterschiedlicher Stärke, wo das Entzündungsgeschehen schnell unter Kontrolle gebracht werden muß oder soll.

Cortison gehört also nicht in die Stufenbehandlung der CED, muß in der Einnahmedauer möglichst kurz bemessen sein und so schnell es geht ausgeschlichen werden. Eine Remission unter Cortison gibt es nicht. Die wird man erst konstatieren können, wenn die Remission ohne Cortison auf Dauer (nicht Tage sondern Monate) aufrecht erhalten wird.

Bei den CED ist vieles noch nicht wirklich erforscht. Es gibt etliche Ansätze über die Gründe, aber auch die neuen Theorien (z.B. Störung der Barrierefunktion) beantworten nach meiner Meinung nicht, wie sie mit den tatsächlichen Verläufen in Einklang zu bringen sind.

Der Körper beginnt aus einem bisher nicht bekannten Grund zu einem bestimmten Zeitpunkt/Anlaß mit der Entzündung. Wie wir wissen, diese kann alle denkbaren Verläufe annehmen. Die Medikamente heilen nicht. Sie können eventuell die Entzündung stoppen, auch unterdrücken. Sie unterstützen den Körper, solange er ausreichend darauf reagiert, nicht irgend welche Wege findet, die Wirkung unwirksam zu machen. Der Körper ist da recht erfinderisch und hat viele Möglichkeiten, die man wieder noch lange nicht alle kennt.

Letztlich muß aber für eine Remission ohne Medikamente der Körper das Bestreben nach Entzündung wieder aufgeben. Das macht er auch sehr häufig, denn die CED sind rezidivierende Erkrankungen, also geprägt vom Wechsel zwischen Rezidiv und Remission.
Leider weiß man nun auch hier nicht, wann er das macht und warum. Damit sind wir bei der Krux, wann kann/soll man die Medikation beenden. So fürchten sich viele Betroffene vor der Entscheidung, möchten den guten Zustand nicht riskieren, haben sogar Angst davor und schieben die Entscheidung hinaus.

LG Neptun

SweetDreams
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Registriert: Mi 10. Apr 2019, 15:44

Re: Genaue Bedeutung von Remission

Beitrag von SweetDreams »

Hallo Neptun,

vielen Dank für Deinen Beitrag! Das ist ja echt komplex!

Das muss ich erstmal sacken lassen.

Liebe Grüße
Am Ende hat noch immer alles irgendwann einen Sinn ergeben.

Ich bin gespannt!

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