Wirkt der Placebo Effekt?

Ergänzende Wege zur "normalen" Medizin.
radspass
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Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von radspass »

Hallo zusammen,
ich wusel mich gerade durch das Forum und das Internet bezüglich CED. Hier werden ja viele Methoden und Mittel diskutiert, die euch jeweils unterschiedlich gut helfen. Da ich selbst auch vor kurzem einen Morbus Crohn diagnistoziert bekommen habe, interessiert mich das ganze brennend.

Ich verstehe das ganze so: Man hat entweder die Wahl zwischen Schulmedizin, einer individuellen Alternativlösung oder man tut einfach nichts.

Jetzt habe ich persönlich auch einen Unternehmer Hintergrund und kenne diverse Verkaufstricks, sowie die ganzen "Bias" (Englisch Voreingenommenheit) der Menschen, mit denen sie falsche Rückschlüsse ziehen. Frei nach dem Motto: "Wer heilt hat recht".

Ich frage mich, wie viele dieser "alternativen" Methoden auf den Placebo Effekt zurückzuführen sind. Und das ist keineswegs böse gemeint, sondern super interessant. Es ist ja bewiesen, dass der Placebo Effekt den Menschen hilft, obwohl sie wissen, dass es um einen solchen handelt. Der beste Artikel, den ich dazu finden konnte, war dieser von Quarks:
https://www.quarks.de/gesellschaft/wiss ... bo-effekt/

Ich persönlich habe für mich bei vergangenen Krankheiten (chronischer Durchfall, Neurodermitis, Tinitus) gemerkt, dass es mir hilft, wenn ich der Krankheit einfach nicht so viel Raum gebe und das ganze locker und entspannt angehe. Kann es nicht doch sein, dass bei der CED der Placebo Effekt, bzw der persönliche Stress ein wesentlicher Faktor ist?

Können wir das ganze nicht neu denken und dabei ansetzen, uns weniger Stress machen, weniger Geld ausgeben, weniger Zeit investieren und dabei auch noch weniger Chemie einsetzen? Das klingt natürlich einfach, vielleicht brauchen wir auch den Wunderheiler oder das Wundermedikament, um uns zu Täuschen, bzw. beruhigen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass die meisten der genannten Therapien wirklich nur Placebo sind, dann würde da ja bedeuten, dass wir uns genauso gut durch nichtstun oder zumindest durch gezielte Entspannung hätten genausogut heilen können.

Was mich dann dazu bringt sowohl die allgemeine Medizin, als auch die alternative Medizin in gewissem Maße in Frage zu stellen. Brauchen wir immer all das? Würde etwas Geduld und Zuversicht uns ebenso gut helfen?

Hand aufs Herz, wie relevant schätzt ihr den Placebo Effekt bei eurer Therapie ein?

Lucky1972
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von Lucky1972 »

Der Placeboeffekt spielt sicher eine Rolle, aber ich würde die nicht so groß einschätzen. Ich habe bei beginnenden Schub IMMER zuerst versucht Stress rauszunehnen, was auch meist gut gelang. Dann habe ich es immer mal mit alternativen Dingen probiert, mal auf eigene Faust, mal mit Hilfe einer Heilpraktikerin. Das war nie von Erfolg gekrönt, ich landete immer bei der Schulmedizin, erst dann wurde es besser.
Ich kann deine Frage, ob Geduld und Zuversicht reichen würden, also nicht bejahen. Trotzdem braucht es Geduld und Zuversicht 😁 zusätzlich
Viele Grüße
Lucky

„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“
(Oscar Wilde)

_Stephan
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von _Stephan »

Der Placeboeffekt ist unstrittig und es ist auch klar, dass man mit einer positiven Einstellung üblicherweise bessere Heilungschancen hat. Dazu muss aber der Körper auch in der Lage sein, sich selbst zu heilen, evtl. mit Unterstützung von Medikamenten.

Gerade das ist bei den chronischen Erkrankungen aber das Problem, man bleibt im Krankheitsverlauf stecken.
Nichts tun bzw. ignorieren ist da sicherlich die schlechteste Lösung. Jeder muss für sich eine sinnvolle Balance finden zwischen Beschäftigung mit der Krankheit und Loslassen im Alltag.

Medikamente werden im übrigen aufwendig mit Doppelblindstudien zugelassen, um den Placeboeffekt zu berücksichtigen.
Da ist man bei alternativmedizinischen Heilmitteln doch mehr auf Erfahrungswerte und den eigenen Glauben angewiesen.
Ich habe selbst auch einige Versuche mit der Alternativmedizin unternommen, aber effektiv gegen die Entzündung im Darm hat nichts davon gewirkt.

LG Stephan

NewKidOnTheBlock
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von NewKidOnTheBlock »

Hallo Radspass,
wenn dir der Placeboeffekt hilft und du außerdem deine CED ganz entspannt und locker sehen kannst und dadurch weniger krank bist, ist das wunderbar. Ich bezweifle aber, dass sich das verallgemeinern lässt. Es schafft leider nicht jeder, das ganz locker zu sehen. Die Verspannten brauchen dann eben doch Medikamente.
Ist es eigentlich für deine persönliche Situation, also bezogen auf deine eigene Erkrankung, wichtig, ob Lockerheit und der Placeboeffekt auch anderen hilft bzw. geholfen hat?
Gruß
NewKid

radspass
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von radspass »

@newkid Also der Grund warum ich frage ist natürlich der: Wenn all die Versuche (oder die Mehrheit) der Komplementärmedizin auf den Placebo Effekt zurückzuführen ist, und dieser auch bei den Leuten im Forum wirkt, dann würde es sich für mich natürlich lohnen dem mehr auf den Grund zu gehen.

Auch Aspekte wie Hypnose und selbst Suggestion gehen in die Richtung, auch wenn es medizinisch wohl nicht das selbe ist. Das Ziel ist natürlich den schmalen Grad zwischen Esoterik und realem Nutzen zu finden. Da es ja wohl nachweislich bei diversen Krankheiten funktioniert, versuche ich grob abzuschätzen wie die Leute hier im Forum es wohl wahrnehmen.

Ist das irgendwie nachvollziehbar? Ich weiß ja auch nicht. Der Placebo Effekt fasziniert mich einfach. So viele Leute machen so viel augenscheinlichen Unfug, der irgendwie doch teilweise(!) zu helfen scheint. Ich möchte nur den Effekt, nicht den Unfug dazu :-D

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neptun
Inventar - wird täglich mit abgestaubt
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von neptun »

Ich möchte zu bedenken geben, es haben hier schon viele Betroffene erklärt, sie würden sich an den diversen Möglichkeiten komplementärer und/oder alternativer Methoden versuchen wollen, um ihren derzeitigen Zustand mit der CED zu verbessern.

Teils gab es dann anfänglich positive Nachrichten, also wurden quasi Erfolge vermeldet.

Nur kann man die nicht wirklich einschätzen, weil sie subjektiv geschildert waren, was auch nicht weiter verwunderlich ist. Aber eben zu bedenken. Es sind immer nur individuelle Einschätzungen.

Was mir aber über die Jahre immer auffiel, nach diesen anfänglichen positiven Schilderungen kam dann über den weiteren Verlauf eigentlich nie mehr ein Statusbericht.
Ging es also weiterhin so gut und die Leute waren nur nicht mehr präsent im Forum?
Oder haben sie dann doch letztlich keinen positiven Effekt mehr verspürt, setzten ab, ließen sein, und fanden das Thema einfach nur nicht mehr interessant zum posten?

Beim PC (Phosphatidylcholin/Lecithin) gab es immerhin mehrere Statements, daß sich keine positive Wirkung bemerkbar machte.
Andere haben es dagegen über Jahre genommen.

Die Krux bei all diesen Versuchen ist eben auch, gab es vielleicht einfach nur eine Zeit der Remission, die bei den CED durch den rezidivierenden Charakter der Erkrankungen ja einfach so auch kommen kann. Denn die sind nun mal durch den Wechsel von Rezidiv zu Remission zu Rezidiv gekennzeichnet.

Wie ich ja im Forum schon vielfach thematisiert habe, auch unter Dauermedikation kann sich stabile Remission entwickeln, ob nun mit oder ohne deren Zutun, aber so weiß man nie, wann man ein Medikament auch mal wieder absetzen kann. Der ein oder andere wird sich erinnern.

LG Neptun

MCHämmer
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von MCHämmer »

Also ich denke, den Placeboeffekt gibt es sicherlich, aber nur in Bereichen wo der Krankheitswert eines Leidens und die Komplexität nicht wirklich ausgeprägt sind. Sprich: Bei Kopfschmerzen zum Beispiel, da schon die Erwartungshaltung möglicherweise im Nervensystem eine positive schmerzlindernde Wirkung erzielt.

Aber die CED ist ja eine hochkomplexe Angelegenheit und so individuell, wie ihre Betroffenen. Um auf dein Beispiel zu kommen mit dem chronischen Durchfall, Neurodermitis und Tinnitus. Diese drei Symptome bzw Krankheit korrelieren ja sehr stark mit Stress. Und da ist es sicherlich denkbar, dass Entspannung und Akzepttanz die Leiden durchaus abschwächen und die Symptome lindern. Aber Heilungspotential würde ich dem Placeboeffekt nicht wirklich zutrauen. Da hinter den Krankheiten immer komplexe Biochemische Ursachen stecken und die sich nicht durch Psychohokuspokus heilen lassen.

Also ich zb habe aus meiner Medikation über die letzten 2,5 Jahre folgenden Rückschluss ziehen können. Ich nahm 2,5 Jahre lang Adalimumap fertig Pens. Geholfen hat dieses Medikament sehr gut und zuverlässig. Es hatte Nebenwirkungen, aber im Großen und Ganzen waren diese hinnehmbar. Der Punkt ist aber der, ich habe mich sehr früh mit der Entstehung von Krankheiten beschäftigt, weil ich einfach Antworten gesucht habe, wie es so weit kommen konnte, da die Diagnose damals ein ungeheurer Schock für mich war und mich psychisch extrem belastet hat.

Und je mehr du dich mit diesen Sachen beschäftigst, desto mehr ergibt sich daraus auch ein Gesamtbild, was diese ganzen Krankheiten zum großen Teil erklärt. Daraufhin habe ich angefangen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente und vieles mehr zu supplementieren. Und das ganze habe ich gemacht, weil ich verstanden habe, dass der Körper und auch ein Medikament umso besser funktionieren, je reibungsloser der Stoffwechsel funktioniert. Und ich kann im Nachhinein nur sagen, dass es die absolut richtige Entscheidung für mich war, das zu tun. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass das Medikament ohne mein zutun wahrscheinlich nie so gut und lange gewirkt hätte.

Mein Gastro meinte zu mir, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass die Spritzen bei mir so gut wirken, da das in den wenigsten Fällen so sei. Aber gut lange Rede...... Placeboeffekt ja, aber das man damit Krankheiten heilen kann, klares nein. Also ich habe zumindest noch nie von einem Fall gehört, dass jemand durch den Placeboeffekt von seiner CED geheilt wurde. :lol:
Vorwärts immer rückwärts nimmer.

NewKidOnTheBlock
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von NewKidOnTheBlock »

Hallo Radspass,
ich denke, wenn du dem Placeboeffekt gegenüber aufgeschlossen bist und dich auch gut entspannen kannst, dann würde ich es versuchen, über diese Schiene Besserung zu erzielen. Man sollte wahrscheinlich nur aufpassen, dass man erkennt, wann man eben doch die Schulmedizin braucht. Was ich meine ist: Durchfall, Bauchschmerzen, das kann man vielleicht tolerieren, aber wenn dann die Entzündung sich weiterfrisst, der CRP Wert steigt, sich eine Fistel bildet, ich denke, da ist es besser, mit der Schulmedizin zu reagieren.
LG

MadLila
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von MadLila »

Hallo zusammen,

ich bin fest davon überzeugt, dass der Placebo-Effekt hilft. Aber ich würde mich nie allein darauf verlassen. Als ich vor 12 Jahren Krebs hatte, hab ich versucht, mit Visualisierungen die Schulmedizin unterstützen. Ich hätte aber niemals deswegen auf die Chemo verzichtet. Ein guter Placebo war damals auch die Aussage meiner Onkologin: "Ich kenne Sie kaum, aber so wie Sie hier vor mir sitzen, bin ich davon überzeugt, dass Sie das gut schaffen werden." Das hat mir wahnsinnig geholfen!

In meinen Augen ist auch Homöopathie reiner Placebo-Effekt. Aber das muss jeder selbst wissen.

Placebo ist für mich wie Sternschnuppen-Wünsche: wenn man ganz fest daran glaubt, dann funktioniert das sogar ohne Sternschnuppen ;-)

Wenn irgendjemandem hilft, mit Entspannungsmethoden, Visualisierungen, Traumreisen, Psychotherapie, Sport oder was auch immer seine Haltung zu seiner Erkrankung entspannter zu sehen, ist das auch hilfreich für die Erkrankungssituation. Ich würde mich aber vehement gegen Tipps á la "du musst mal dies oder das machen..." wehren.

Und wenn du, radspass, für dich den guten Weg gefunden hast, der Erkrankung nicht so viel Raum zu geben, ist das ein guter Weg, finde ich. Aber das kann man schwer Leuten empfehlen, die gerade akut unter massiven Schmerzen und anderen Problemen leiden. Da ist die Krankheit absolut im Vordergrund. Ich würde das eher als zusätzliche Empfehlung geben: wenn es dir schlecht geht, tu dir was Gutes und sei nett zu dir selbst, in welcher Form auch immer.

Letztendlich glaube ich auch, dass so ein Forum wie dieses, helfen kann, aus den Geschichten anderer zu sehen, dass die Krankheit auch besser werden kann und man daran nicht den Lebensmut verlieren darf. Ich war mal in einer SHG, in der wir ständig gelacht haben. Auch das sind gute Methoden, seine Krankheit besser einzuordnen im Lebensalltag.

Xardas
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Re: Wirkt der Placebo Effekt?

Beitrag von Xardas »

Ich stimme meinen Vorrednern zu, dass der Placeboeffekt sicherlich eine gewisse Wirksamkeit hat, aber man sich nicht allein darauf verlassen kann.

Allerdings muss man auch sehen, dass es nicht nur die beiden Seiten "Schulmedizin" - "Placebo" gibt.
Es gibt durchaus auch wirksame Mittel die nicht in der Schulmedizin eingesetzt werden, z.B. in der Naturheilkunde.
Dass Stress sich negativ auf Krankheiten und deren Entwicklung auswirkt ist ebenfalls wissenschaftlich belegt und deshalb zählt für mich Entspannung, Sport und alles was Stress abbaut nicht zu Placebo und Hokuspokus, sondern zu wichtigen Maßnahmen die aktiv bei der Behandlung mithelfen können.

Eine CED alleine damit zu behandeln oder sogar zu heilen ist absolut utopisch, aber es muss doch nicht nur die eine und einzige Behandlung geben.
Alles was einem persönlich hilft und die Symptome lindert ist es meiner Meinung nach wert, gemacht zu werden. Und wenn man durch mehrere Maßnahmen wie Entspannung, Sport, Ernährung, Naturheilkunde und von mir aus auch Placebo die Einnahme von schulmedizinischen Medikamenten reduzieren kann, ist das doch ein super Fortschritt! Die haben sicherlich weniger Nebenwirkungen ;)

Dass diese die Schulmedizin komplett ersetzen können ist aber eher eine Wunschvorstellung.

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