Früher Colitispatient -heute Beuteltier

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Michael1988
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Beiträge: 5
Registriert: So 23. Okt 2022, 19:22

Früher Colitispatient -heute Beuteltier

Beitrag von Michael1988 »

Hallo zusammen,
ich bin Michael, 34 Jahre alt, aus Bayern, selbstständig. Ich wollte euch meine Colitis-Kurzgeschichte erzählen. Vor allem möchte ich sie erzählen, um euch Hoffnung zu geben, denn mir geht es nun sehr gut :-)

Alles begann im Alter von 21 Jahren, Blut im Stuhl war mein Hauptsymptom. Ich lies mich untersuchen, die Diagnose war in den ersten Jahren unklar, die Fachärzte probierten einiges an mir aus, Antibiotika, Zäpfchen, Einläufe usw. bis der erste richtige Schub einen massiven Blutverlust verursachte und ich mit hochdosiertem Prednisolon behandelt werden musste. Da nahm das Drama seinen Lauf, immer wenn das Prednisolon irgendwie und egal wie langsam ausgeschlichen wurde, kamen die Entzündungen mit Blutungen zurück, ich habe in den 12 darauf folgenden Jahren alles versucht:
- lokale Therapie / Mesalazin in allen Darreichungsformen nach Leitlinien usw. - ohne Wirkung
- lokale Kortisonpräparate, auch alle ohne Wirkung
- Infliximab - wirkte genau 4 Wochen, dann Wirkverlust
- Azathioprin - allergische Reaktion
- 6Mercaptopurin - keine Reaktion, nur Leukopenie
- Adalimumab - allergische Reaktion (man muss dazu sagen, ich habe weitere Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie und auch leider Allergien und viele Unverträglichkeiten)
- Vedolizumab - gutes Ansprechen für ca. 8 Monate, dann Wirkverlust
- Ustekinumab - keine Reaktion
- Golimumab - keine Reaktion
- Tofacitinib - kontraindiziert

Das Endstatium im letzten Winter zeigte sich wie folgt: ich hatte ständig starke Blutungen, der gesamte Dickdarm war entzündet, es fanden sich viele Polypen, mein Eisenspeicher war leer, ich hatte ständige Krämpfe, RLS, Tachykardie, Haarausfall und alle Nebenwirkungen vom Prednisolon, die man sich vorstellen kann. Mein Uniklinikum wollte mir stationär Ciclosporion verpassen, da habe ich das erste mal nach 12 Jahren verweigert. Ich habe noch eine Klinik für Naturheilkunde ausprobiert, die hat mir gar den Rest gegeben und mich fast umgebracht. Ich habe dann (nur in Absprache mit meiner Hausärztin) den Weg nach Limburg gesucht und mich dort einer Kolektomie unterzogen. Ich wollte alles in einem Rutsch raus haben ohne Rektumstumpf, da ich mich schon lange mit dem Thema Stoma beschäftigt hatte und niemals einen Pouch wollte. Es hat einiges an Überzeugungskraft gekostet, die Ärzte dazu zu bringen. Letztenendes haben sie es dann gemacht. Im April wurde mir der Dickdarm entfernt und das Ileostoma angelegt. Ich war 7 Tage post-OP stationär und bin danach nach Hause ohne Reha (die habe ich für mich selbst gemacht). Eine Stomatherapeutin steht mir seitdem zur Seite. Nach 5 Wochen war ich wieder auf der Arbeit und jetzt nach den ganzen Monaten geht es mir einfach nur super! Ich bin so fit wie nie (ich kann mich an die gesunde Zeit vor meiner Erkrankung kaum erinnern), kann alles machen, alles essen, das Stoma ist mein kleiner Schatz und soo brav, es funktioniert tadellos! Ich habe keine Schmerzen mehr, muss nicht zur Toilette, muss keine Medikamente mehr nehmen, ich gehe alle paar Monate mal zur Blutbildkontrolle: mein Eisenspeicher füllt sich gaaanz langsam aber stetig immer mehr. Und ich wiege nun 10 Kilo mehr als vor der OP, was mir sehr gut steht.

Dies soll keine allgemeine Handlungsempfehlung sein, mir selbst geht es einfach super damit. Ich hoffe es geht mir auch in Zukunft lange so gut. Meine persönliche Entscheidung war richtig. Viele Ärzte, sowohl die Internisten, als auch die Chirurgen hätten es anders gemacht, aber ich habe nach 12 Jahren meine eigene Entscheidung durchgesetzt und trage auch die Konsequenzen, egal was kommt...

Euch einen schönen Abend :-) und liebe Grüße

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Bernie2912
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Diagnose: Stoma seit 2018

Re: Früher Colitispatient -heute Beuteltier

Beitrag von Bernie2912 »

Hallo Michael,
danke für deine tolle Geschichte, die allen Menschen, denen ein Stoma bevorsteht, Mut machen sollte.

Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht.
Der Verlauf meiner CU machte das Stoma erforderlich und ich habe mich auch schnell dazu entschieden,
keine Rückverlegung zu machen.
Das Stoma bringt natürlich die eine oder andere Unwägbarkeit mit sich aber im Vergleich zu den Zeiten der aktiven CU
bin ich heute deutlich relaxter und habe mehr Lebensfreude.
So ein Stoma ist noch lange nicht das Ende - eher im Gegenteil! ;)

VG Bernie

Franko
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Registriert: Mi 30. Nov 2022, 20:57

Re: Früher Colitispatient -heute Beuteltier

Beitrag von Franko »

Hallo Michael,

danke für deine Geschichte! Die gibt mir Hoffnung auf ein normales Leben; auch ohne Kolon.

Bei mir ging es erst später im Leben mit der CU los. Dafür eskalierte die Lage recht schnell. Vor ein paar Monaten dann ein starker Schub mit Krankenhaus, starke Anämie und Gewichtsverlust. Möchte ich nicht nochmal durchmachen...

Stehe jetzt am Anfang der Biologika-Therapie mit Vedulizumab. Wirkt sehr gut, aber - halt wie all das Zeug - nur auf begrenzte Zeit. Da Cortison kaum Wirkung zeigt, bin ich wohl aber ein potentieller Kandidat für eine Ektomie, sobald die Biologikas durch sind.

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