Wie selbstbewusst mit Krankheit umgehen?

Psychologischen Aspekte im Zusammenhang mit CED.
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micha_33
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Wie selbstbewusst mit Krankheit umgehen?

Beitrag von micha_33 »

Hallo zusammen,

wie schafft ihr es denn so selbstbewusst mit der CED umzugehen?
Ich leider doch sehr darunter manchmal in Situationen in denen man schnell aufs WC muss, wenn ich Schmerzen habe etc....

Ganz besonders: Wie schafft man es mit dem sehr dringenden Stuhlgang immer umzugehen?
Ich habe meistens weniger Selbstvertrauen da ich auf das Tragen von Inkontinenzhilfsmittel angewiesen bin, denke immer jeder kann was sehen ...
Vor allem auch im Job: Ich traue mich meistens nicht so regelmäßig mein Inko - Hilfsmittel zu wechseln .
Wie kann man da mehr Mut haben?

Wie schafft ihr es selbstbewusst zu sein?

Garfield71
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Re: Wie selbstbewusst mit Krankheit umgehen?

Beitrag von Garfield71 »

Mit der Strategie "ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich völlig ungeniert"

Die Menschen teilen sich in zwei Gruppen. Die die dich wegen sowas abwerten, diskriminieren etc. Die brauchst du sowieso nicht, ihre Meinung ist also irrelevant. Und die restlichen, die stört es nicht, die brauchst du im Leben. Deine Situation hat den Vorteil dass du mit Hilfe deiner Krankheit beide Typen einfach auseinanderhalten kannst, sie tut dir also einen Gefallen. Weil Typ 1 wird dich wegen jeder Art von Auffälligkeit die du zeigst über die Klinge springen lassen, es ist also immer gut zu wissen wer die sind dass du sie nicht zu tief in dein Leben involvierst.

Ausserdem hast du keine telepathischen Fähigkeiten. Du musst es dir also nicht anhören was die anderen Menschen so über dich denken weil es in den allermeisten Fällen nicht ausgesprochen wird. Von daher hat es 0 Störqualität sollten mal jemand irgendwas negatives über dich denken.

42
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Re: Wie selbstbewusst mit Krankheit umgehen?

Beitrag von 42 »

Das ist wirklich eine tiefgehende und sehr persönliche Frage, die ich auch jahrelang mit mir herumgetragen habe.

Ich würde die Frage in zwei Teilen beantworten.

1. Teil:
Die Basis ist, seine Krankheit mit ihren Folgen zu akzeptieren. Sich selbst zu lieben so wie man ist. Klingt banal und simpel, ist es natürlich nicht. Das ist wohl meist ein jahrelanger Prozess. Er kann aber so einer enorm nützlichen mentalen Reife und Gelassenheit führen. Insofern würde ich ständig darauf hinarbeiten, sei es durch Meditation, Selbstreflexion, psychologische Beratung oder allem dreien. Ist man erstmal soweit, ist auch das Selbstvertrauen wieder da und damit die Eingangsfrage selbst in Perspektive gestellt: Does it even matter?

2. Teil:
Oft kann man pragmatische Lösungen oder Lösungsansätze finden. Vielleicht kann man die Stelle wechseln, ein eigenes Büro bekommen, einen Platz näher an der Toilette. Oder gar ganz die Karriere wechseln, schließlich schleppt man das Thema ein Leben lang mit einem herum und es hat einen nicht unwesentlichen Einfluss auf sein Wohlbefinden und subjektive Wahrnehmung von Glück. Natürlich hat nicht jeder die Möglichkeit (das Privileg), remote zu arbeiten, aber das hilft natürlich sehr. Man kann seinen Beruf auch bewusst so wählen, dass man Herr seiner Zeit (und Ort) ist. Ich schätze es z. B. sehr, mit verschiedenen Firmen zusammenzuarbeiten und das 100% remote. Bei Geschäftsreisen immer ins Hotel und für Termine punktuell rein und raus, mit je einem Toilettengang dort am Anfang und am Ende. Das fällt dann auch nicht so sehr auf als wäre man permanent vor Ort. Natürlich hat nicht jeder die Möglichkeit dazu in seinem Job, aber langfristig kann man hier vielleicht doch in vielen Branchen einiges optimieren, wenn man dem selbst nur die nötige Priorität gibt und vorausplant und Ausbildung und Weiterbildungen.
Garfield71 hat geschrieben:
Di 5. Jul 2022, 09:21
Mit der Strategie "ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich völlig ungeniert"
Stimme teilweise zu. :D Praktisch mache ich es so, dass ich Familien, guten Freunden und vertrauten Arbeitskollegen gegenüber offen bin, dass ich MC habe und dass dies die Ursache für so manch ein merkwürdiges Verhalten meinerseits ist.

Bei noch-nicht-so-guten Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen, die neu sind, mit denen ich nicht oft Kontakt habe oder denen ich nicht traue, finde ich ausreden, wie z. B. "hab glaub was falsches gegessen" oder einfach "hab grad Verdauungsprobleme".

Insbesondere bei Arbeitskollegen finde ich, dass man hier eine bewusste Entscheidung treffen muss, ob man offen ist oder nicht, denn diese Information kann definitiv gegen einen verwendet werden. Insofern bin ich hier sehr strategisch und nur offen gegenüber denen, den ich traue und wo ich mir sicher bin, dass sie mich nicht hintergehen. Im Umkehrschluss ist es für einen Arbeitskollegen auch ein Signal, dass man ihm/ihr gegenüber offen ist und ihm/ihr vertraut, was dem Arbeitsverhältnis zu gute kommen kann. Insofern ist diese Frage im beruflichen Kontext von zweierlei strategischer Bedeutung: Das Sagen und das Nicht-Sagen.

micha_33
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Re: Wie selbstbewusst mit Krankheit umgehen?

Beitrag von micha_33 »

Vielen Dank für die tollen Beiträge:)

Wie kann ich denn auch besonders selbstbewusst sein bzgl den Inkontinent Hilfsmitteln die ich tragen muss?

42
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Re: Wie selbstbewusst mit Krankheit umgehen?

Beitrag von 42 »


Wie kann ich denn auch besonders selbstbewusst sein bzgl den Inkontinent Hilfsmitteln die ich tragen muss?
Gute Frage. Brauche selbst welche und hatte auch schon unangenehme Situationen.

Ich würde sagen, es läuft wieder auf die Einstellung und Perspektive an. Die Hilfsmittel tatsächlich als erwünschte Hilfen sehen, nicht als etwas negatives. Wenn’s schief geht kann ich in dem Moment sogar froh sein, diese zu tragen, denn ohne diese wäre es natürlich noch unangenehmer.

Denke, dass mir zwei Strategien vor allem helfen:

1) Fokus auf Optimierung der Lebenszufriedenheit, mittel- & langfristig:
Fakt ist, wenn ich unterwegs bin und es nicht auf die Toilette rechtzeitig schaffe, hätte ich es viel lieber nicht so weit kommen lassen. Bei mir neulich auf dem (erstaunliche langen) Weg zwischen Flugzeug und Terminal an einem kanadischen Flughafen. Höchst unangenehm, peinlich, erniedrigend, all das. Aber im Endeffekt waren es nur 10 min von Unwohlsein über Unglück bis zur Toilette. Vorher hatte ich eine tolle Zeit! Auf der Toilette die wechselwäsche aus dem Handgepäck genommen, Luft geholt, und weiter ging’s mit einer tollen Zeit.

Kurzfristig war ich nicht glücklich, aber das waren wirklich nur 10 min. Mittelfristig habe ich den Aufenthalt in Kanada sehr genossen, langfristig werde ich mich oft daran zurück erinnern und mich freuen.

➡️ Mir persönlich hilft es, in solchen Momenten der Krise einfach im Tunnelblick zielorientiert durchzupowern. Im Großen und Ganzen steht es für mich außer Frage, dass das Gesamtprojekt es wert war. Ich habe lieber ein Unglück und genieße das Unterwegssein, als kein Unglück zu haben aber nur daheim herumzusitzen. Wenn du auch so denkst, kommen Unglücke einfach als ein notwendiges Übel und sind demnach „erwartet“, einkalkuliert, und damit in Ordnung.

2) Nichts darauf geben, was andere denken:
Zum oben genannten Beispiel: auf dem Weg zur Terminaltpilette habe ich eine ganz schöne Duftnote hinter mir her gezogen. 😂 Der Gang war schmal und voller Leute, meine Hose gefärbt. Offensichtlicher geht es nicht. Zum Glück waren es Fremde, da fällt es leichter eine „ist mir doch egal was andere denken“ Attitüde zu haben. Gleiches Mal in einer europäischen Altstadt (eng und voller Leute), aber dort gibts immerhin mehr Ecken zum mal verschnaufen und Leute vorbei lassen.
Wenn ich in einer Gruppe unterwegs bin, laufe ich dann als letzter hinterher (Duftnoten geht v.a. nach hinten 😅) und entschuldige mich bei der nächsten Toilette schnell und unauffällig.
Am besten sind solche Situationen wohl alleine unter fremden zu handhaben, oder mit eng Vertrauten (Partner, Familie, enge Freunde).

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