Panikattacken CU

Psychologischen Aspekte im Zusammenhang mit CED.
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Tysja
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Panikattacken CU

Beitrag von Tysja »

Guten Morgen,

meine Diagnose Colitis Ulcerosa mit Backwash Ileitis bekam ich vor rund fünf Wochen, auch wenn ich die Symptome schon seit fast 10 Jahren mit mir "herumschleppe".
Ich bin mental eigentlich ein recht starker und gefasster Mensch, 27 Jahre jung, Mutter eines tollen Sohnes. Mit 14 hatte ich einen schweren Verkehrsunfall und bin seitdem gehbehindert - ich komme damit klar, auch mit den täglichen Schmerzen. Während der Schwangerschaft erkrankte ich am Lipödem - ich habe mich damit abgefunden und komme damit zurecht. Es folgte Corona und auch damit konnte ich mich im ersten Jahr so gut wie arrangieren, bis mein Darm im Oktober völlig verrückt spielte und ich meinen neuen Hausarzt um Rat fragte. Er gab den Untersuchungen in Richtung CED Anstoß und sagte aber auch gleich, dass er bei mir zusätzlich eine Belastungsstörung vermutet und wir uns gemeinsam um eine Psychotherapie kümmern. Er empfahl mir eine tolle Psychologin und im Mai geht die Verhaltenstherapie los.
Nun leide ich seit drei Wochen unter Panikattacken und das zum ersten Mal in meinem Leben. Erst bekam ich sie beim einkaufen. Angst, Schweißausbrüche, Panik, höllische Darmkrämpfe und das Gefühl das es jeden Moment in die Hose geht und ich sofort den Laden verlassen muss. Dann bekam ich sie im Auto, wenn ich warten musste. Selbe Symptome. Jetzt bekomme ich sie im Auto, ich bekomme sie teilweise schon, wenn ich daran denke das Haus verlassen zu müssen, welches mittlerweile zu meinen Safe Space wurde.
Ich habe vorgestern mit der Psychologin telefoniert und sie stimmte mir zu, als ich sagte das ich an einem Punkt bin an dem ich vermutlich erst einmal Psychopharmaka benötige um bis zum Therapiebeginn zurück in den Alltag finden zu können, denn Entspannungspraktiken helfen mir aktuell nicht.
Nun habe ich kommende Woche wieder einen Termin bei meiner Gastroenterologin und bei meinem Hausarzt und hoffe, das sie mir ein Stück weiterhelfen können, da ich übernächste Woche auch noch eine vierstündige Autofahrt vor mir habe.

Ich habe mitbekommen, dass es viele CED Betroffene gibt, die unter ähnlichen Panikattacken leiden oder gelitten haben. Was tut ihr dagegen? Was hat geholfen?
Ich denke tatsächlich darüber nach erst einmal Windeln zu tragen, wenn ich mein Kind von der Schule holen muss oder versuche einzukaufen. Den Euroschlüssel habe ich auch vor zehn Tagen bestellt und warte nun sehnlichst das er kommt. Auch versuche ich nur noch Mittags etwas zu essen, wenn ich weis das ich am nächsten Tag wieder raus muss aber das kann ja alles keine Dauerlösung sein.

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neptun
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Re: Panikattacken CU

Beitrag von neptun »

Hallo Tysja,

willkommen im Forum.

Der imperative Stuhldrang ist sehr einschränkend und man kann sicher panisch werden in etlichen Situationen.
Einmal kannst Du eine intensive rektale Behandlung beginnen mit Mesalazinklysmen zur Nacht und cortisonhaltigem Schaum am Vormittag, wenn Du min. eine halbe Stunde nicht auf die Toilette mußt.

Bekommst Du nach der Diagnose denn nun Medikamente gegen die Entzündung?
Üblich wäre nach Leitlinie cu eine Akutbehandlung mit systemisch wirkendem Cortison, also Prednisolon.
Dann käme möglicherweise eine Behandlung der 2. oder 3. Stufe in Betracht.

Kannst Du die Klysmen nicht halten, dann wäre der Tip von Prof. Raedler, 15 Minuten vorher 20 Tropfen Paracodin zu nehmen. Ist zwar Hustenmittel, wirkt aber auf die Darmnerven. Das müßtest Du mit dem Gastro besprechen.

Für uns gibt es dann auch auf Rezept Loperamid, ein Opiatabkömmling, der die Peristaltik des Darmes eine Zeit lähmt, aber nicht abhängig macht, weil er die Blut-Hirn-Schranke nicht überwindet.

Kennst Du Bauchatmung? Wenn nicht, dann lies mal dazu im Internet.
Ist nicht direkt eine Entspannungstechnik, weil man grundsätzlich so atmen sollte, sie beruhigt aber auf jeden Fall.Viele Leute machen Brustsatmung, kennen gar nichts anderes und atmen somit immer falsch.

Dann noch hier der Link zu meinem Artikel über den imperativen Stuhldrang. Er dürfte Dir einiges aufzeigen.
https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=3 ... 661#p12661

Soweit in Kürze.

LG Neptun

Tysja
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Re: Panikattacken CU

Beitrag von Tysja »

Danke @neptun für deine Antwort!

Ich bekam zuerst Pentasa Granulat 4g und dazu Budenofalk Rektalschaum. Das allein hat nicht ausreichend geholfen, sodass dann noch Budenofalk Uno 9mg Granulat dazu kam. Den Schaum habe ich mittlerweile auf ärztliche Anweisung abgesetzt und nehme nun morgens und mittags Pentasa XTend 2g und morgens Budenofalk Uno 9mg.
Bauchatmung kenne ich und habe ich auch schon versucht anzuwenden, hilft aber leider nicht.

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neptun
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Re: Panikattacken CU

Beitrag von neptun »

Hallo Tysja,

hast Du mal im Beipackzettel gelesen, in welchem Bereich des Darmes Budenofalk Uno überhaupt wirkt? Es ist für den Einsatz, die Behandlung im Bereich der Ileozökalklappe gedacht, also dem Übergang von Dünn- zu Dickdarm.
Und Pentasa ist mit Ethylcellulose magensaftresistent ummantelt. Daher löst es sich schon ab dem oberen Dünndarm auf und wirkt ebenso im Bereich der Ileozökalklappe. Da der Wirkstoff teils im Dünndarm resorbiert wird, ein weiterer Teil durch Dickdarmbakterien mittels Acetylierung inaktiv wird, so wirkt es nicht mehr im Enddarm.

Neben Salofalk, Claversal und Mezavant, welche für den Dickdarm sind, wirst Du nur etwas durch rektale Behandlung topisch erreichen können.

Du bekommst mit Pancolitis kein Prednisolon und auch kein Aza/Purinethol als 2. Stufe oder ein Biological als 3. Stufe?
Ist die Entzündung denn so mild?

LG Neptun
PS: Hast Du den Link gelesen?

Tysja
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Re: Panikattacken CU

Beitrag von Tysja »

Hallo Neptun,

natürlich habe ich die Beipackzettel gelesen. Wie aber in meinem Eingangspost geschrieben, bekam ich meine Diagnose erst vor wenigen Wochen und bin daher kein "Experte" wie manch Patienten die seit 30 Jahren mit CED zu tun haben. Ich muss aktuell blind auf meine Gastroenterologin vertrauen und wenn diese mir nun erst einmal Pentasa und Budenofalk verschreibt, dann gehe ich davon aus, dass dies die aktuell beste Medikation ist. Mag sein, dass sie mir bei unserem nächsten Termin kommende Woche neue Medikamente gibt, ich denke aber, dass sie mir nicht von vornherein die ultimativen Hämmer verschreiben wollte und deswegen langsam anfing. Es ist auch keine Pancolitis.

Den Link habe ich gelesen. Ich bin mir aber nicht sicher ob imperativer Stuhlgang das Kind bei mir beim Namen nennt. Aber ich werde es am Dienstag ansprechen.

Tysja
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Re: Panikattacken CU

Beitrag von Tysja »

https://www.klinikum-saarbruecken.de/fi ... eissen.pdf

Das hier trifft bei mir voll ins schwarze. Dank neptun, dass du mich auf das Thema imperativer Stuhldrang gebracht hast

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neptun
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Re: Panikattacken CU

Beitrag von neptun »

Hallo Tysja,

Du hast Recht, denn Deine Pancolitis geht ja noch ein bißchen über die Ileozökalklappe hinaus als Back-wash-Ileitis.

Ich fand eigentlich, daß Deine Schilderungen sich genau so in meinem Artikel wiederfinden.
Mir kommen diese Ängste sehr bekannt vor und ich erwähnte sie im Teil "Psychische Belastung", wo ich dann auch "die aufgesattelte Angst vor den Situationen des Alltags" beschrieb.

Der Artikel im Bauchredner 2/2013 ist eigentlich nur ein Aufguß meines Artikels und des Artikels von PD Dr. med. Harald Matthes im Bauchredner 1/2013.

Und die beste Vorgehensweise ist doch, die Enddarmentzündung erfolgreich zu behandeln.

Nur dann kann man auch den weiteren Aspekt der aufgesattelten Angst angehen. Im Gegensatz zu anderen Phobien gibt es beim imperativen Stuhldrang ganz reale Ereignisse, die die Angst auslösen. Schafft man es nicht rechtzeitig zur Toilette, dann geht es in die Hose.

LG Neptun

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