Gehört die Krankheit zu Euch?

Psychologischen Aspekte im Zusammenhang mit CED.
Butterfly_85
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Registriert: Sa 18. Jun 2016, 21:50

Re: Gehört die Krankheit zu Euch?

Beitrag von Butterfly_85 »

Hallo Balin

die Bezeichnung "chronisch krank" ist naja, "schwerbhindert" noch mehr. Mir fällt es schwer mich als "krank" zu bezeichnen, weil ich mich nicht (mehr) krank fühle. Ich bin damit aufgewachsen und die CED mit ihren Folgen ist Teil von mir. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich bin. "Dickköpfig" sagen die Einen, "willensstark" sagen die Anderen. Ich habe Einschränkungen, definitiv, die mich von "Normalos" unterscheidet. Aber wenn ich mich so im Team bei der Arbeit umschaue, dann haben auch die "Gesunden" ihre Wehwehchen. Sie wissen nichts von meinen Einschränkungen und innerlich muss ich manchmal schmunzeln, mit was sie sich rumschlagen und sich eingeschränkt fühlen. In diesen Momenten denke ich: Meine Güte, ihr habt es so gut, haltet den Ball flach! Aber dann denke ich auch, dass man an seiner "Krankheit" wächst.

Ich sollte verrentet werden, an der künstlichen Ernährung bleiben und mein Leben lang Morphine nehmen. Aus all dem habe ich mich mit der Zeit herausgekämpft und gehe alle vier Wochen ins Krankenhaus zur Behandlung. Klar wäre es cool, wenn ich dies nicht müsste. Es "stiehlt" einem Zeit, aber das ist so. Nerviger finde ich Schmerzattacken, wenn ich mit Morphinen zwei Tage im Bett liege. Dann fühle ich mich vom Leben betrogen, es wird mir wertvolle Lebenszeit geklaut.

Aber mein Kurzdarm gehört zu mir. Das ist so. Punkt. Trauern? Nein, bringt einen nicht weiter. Wut? Auch nicht. Was dann? Innere Stärke, neudeutsch "Resilienz" ist das Zauberwort. Hat man sie, hat man Glück. Ich würde mal vermuten, dass ich entweder resilient bin (und das kann man eher weniger lernen) und/oder eine hohe Frustrationstoleranz habe (geht, glaube ich, schon mehr trainieren). Ich bin stolz darauf, was ich erreicht habe, trotz CED. Aber ich habe auch unheimliches Glück, dass ich heute stolz sein darf und überlebt habe. Deshalb bezeichne ich mich vor allem als "Überlebende". ...und das hört sich doch schon gleich viel besser an.

Ohne CED hätte ich bestimmt ein anderes Leben, ich hätte aber auch nicht den Mann meines Lebens gefunden - wir wären uns ohne CED nie begegnet. Deshalb müsste ich sogar etwas dankbar sein und mehr auf mich achten. Letzteres mache ich bestimmt zu wenig, dazu will ich noch zu viel erreichen.

Viele Grüsse
Butterfly

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