Psyche fährt Achterbahn

Psychologischen Aspekte im Zusammenhang mit CED.
Trüffel
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Trüffel »

Meinen Vorsatz fürs neue Jahr habe ich gleich in die Tat umgesetzt und mir meinen Platz im Krankenhaus inklusive OP gebucht. Spaß beiseite. Meine offene Wunde, die mich nun schon zwei Jahre fröhlich quält, musste wieder einmal notfallmäßig im OP saniert werden.
Beim Ausleiten der Narkose hat meine Atmung nicht mehr eingesetzt, sodass ich schließlich bei vollem Bewusstsein noch eine ganze Weile künstlich beatmet werden musste. Merkwürdigerweise bin ich dabei vollkommen ruhig geblieben und es hat mich nicht im mindesten beunruhigt, dass mein Körper einfach nicht mehr atmen wollte. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich mittlerweile so erschöpft fühle, dass ich manchmal gar nicht weiß, wie lange ich noch durchhalte.

Immer wieder macht sich eine starke Traurigkeit in mir breit. Mein Leben hat sich um 360° gewandelt, ich bin ein komplett anderer Mensch als früher, Ärzte bezeichnen mich als austherapiert, mein altes Leben scheint unendlich weit weg... Wenn ich mir dessen bewusst werde, muss ich manchmal weinen.
Und trotzdem gibt es jeden Tag so viel, worüber ich mich freue. Jeder einzelne Sonnenstrahl am Himmel macht mich glücklich. Ich glaube, das war auch der Grund, warum meine Atmung letztlich wieder eingesetzt hat. So viele Jahre kämpfe ich nun schon Tag für Tag, um leben zu können. Aufgeben war nie eine Option für mich. Das wird es auch nun nicht.
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind;
wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

(Marie von Ebner-Eschenbach)

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Mondkalb
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Trüffel,

ein Lächeln huscht mir übers Gesicht, schön wieder von Dir zu lesen, auch wenn Dein Niedergeschriebenes direkt eine Schwere in mir folgen lässt.
Trüffel hat geschrieben:
Do 27. Jan 2022, 16:22
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich mittlerweile so erschöpft fühle, dass ich manchmal gar nicht weiß, wie lange ich noch durchhalte.
Das ist verständlich, die Kraft ist dann aufgebraucht steht im roten Bereich der Energieanzeige, alles fühlt sich so schwer an, da für die Anstrengung von leichtem und selbstverständlichem Dir einfach die Körperkraft fehlt.
Trüffel hat geschrieben:
Do 27. Jan 2022, 16:22
Mein Leben hat sich um 360° gewandelt, ...
Dass Dein Leben sich um 360° gewandelt hätte, das wünschte ich Dir von Herzen, dann wäre der Startpunkt - unbeabsichtigter Darmschaden außen vor gelassen - wieder erreicht wie bei mir, das Leben wirkt nur wie „kurz“ unterbrochen und weiter gehts mit einer für mich besseren Einstellung zum Leben, der Mehrwert des Ganzen.
War es nur ein Versehen von Dir oder der innerlichste sehnlichste Wunsch, der aus Dir spricht? Ich denke, es ist Dein Wille mit der damit verbundenen Stärke, die daraus hervorgeht. Halt Dir das fest, verliere es nicht!
Trüffel hat geschrieben:
Do 27. Jan 2022, 16:22
Und trotzdem gibt es jeden Tag so viel, worüber ich mich freue. Jeder einzelne Sonnenstrahl am Himmel macht mich glücklich.

Für die Philosophien Trüffel ist das glaube ich etwas.

Bei SWR3 kam heute ein Beitrag über Wabi-Sabi: Ursprünglich bedeutet Wabi sich elend, einsam und verloren zu fühlen. Dies wandelte sich zur Freude an der Herbheit des Einsam-Stillen. Aber erst in der Verbindung mit Sabi, alt sein, Patina zeigen, über Reife verfügen, entstand die eigentlich nicht übersetzbare Begriffseinheit, die den Maßstab der japanischen Kunstbewertung bildet. Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte, nicht der unmittelbare Glanz der Sonne, sondern der gebrochene des Mondes. Der bemooste Fels, das grasbewachsene Strohdach, die knorrige Kiefer, der leicht berostete Teekessel, das und Ähnliches sind die Symbole dieses Schönheitsideals. Es geht um die Hoheit, die sich in der Hülle des Unscheinbaren verbirgt, die herbe Schlichtheit, die dem Verstehenden doch alle Reize des Schönen offenbaren (Wilhelm Gundert).


Ich versuche mich derzeit im 2-Schichtsystem und muss nun gleich los, melde mich die Tage bei dir per PN!

Ganz liebe Grüße
Mondkalb
“Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kommt man meistens woanders raus!”

Trüffel
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Trüffel »

Auch wenn es mir physisch/körperlich nach wie vor nicht gut geht, würde ich mein psychisches Befinden als positiv stabil bezeichnen. Immer wieder kommen Momente der vergangenen Monate hoch, aber die meiste Zeit komme ich ganz gut damit klar, dass es mir körperlich relativ bescheiden geht.
Nun habe ich erfahren, dass ich wieder einmal in die Klinik muss; eine erneute Bauch-OP steht an. Auf der einen Seite bin ich irgendwo schon erleichtert - denn tatsächlich ist die OP derzeit die einzige Chance darauf, dass es vielleicht doch mal aufwärts geht. Auf der anderen Seite wühlt der Gedanke an den bevorstehenden Eingriff wieder einiges aus der Vergangenheit in mir auf. In den letzten 2 Jahren habe ich über 20 Bauch-OPs gehabt; dass es nun wieder ein großes Bauchschnitt wird, macht die Sache nicht unbedingt leichter. Ich weiß um die Risiken des Eingriffs, ich weiß, welche Schmerzen nach der OP auf mich zukommen und wie lange der Weg ist, der noch vor mir liegt.
Aber wir stehen mir dem Rücken zur Wand - eine andere Wahl als die OP habe ich nicht. Und aufgeben ist für mich keine Option. Da beiß ich mich jetzt durch. Das wird schon.
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Mondkalb
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Trüffel,

bald sind wieder drei Monate vergangen, wie geht es dir?
Fast täglich schaue ich ins Forum, hoffe, bange und warte das sich bei Dir etwas neues ergibt.

Ich hoffe dir geht es soweit gut!

Liebe Grüße Mondkalb
“Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kommt man meistens woanders raus!”

Trüffel
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Trüffel »

Hallo Mondkalb,

zunächst einmal ganz liebe Grüße meinerseits an dich!

Es hat sich tatsächlich Neues ergeben, aber ich traue fast nicht, davon zu berichten - denn was sich Neues ergeben hat, ist der reinste Alptraum...

Anfang März musste ich zu einer erneuten Darm-OP ins Krankenhaus; wie immer war der Bauch voller Verwachsungen, der Eingriff hat sich hingezogen, war schwierig, hat aber letztlich geklappt. Durch Corona-Besuchsverbot war die Zeit nach der OP ziemlich hart - normalerweise hat mich meine Familie immer unterstützt, wenn ich stationär war. Diesmal musste ich alle Schritte alleine bewältigen, angefangen vom ersten Mal an der Bettkante-Sitzen über das erste Mal aufstehen, die ersten Schritte am Bett, den DK loswerden, ... Meine Zimmernachbarin war mir leider keine große Hilfe, sondern im Gegenteil äußerst anstrengend und letztlich eine Belastung für mich. Die Pflege auf der Station war chronisch unterbesetzt, sodass ich buchstäblich auf mich allein gestellt war.

Nach nicht einmal zwei Tagen zuhause, musste ich per RTW und Notdienst zurück ins Krankenhaus, weil ich einen Darmverschluss hatte. Die Schmerzen waren die Hölle und die weitere Therapie auch.
Und wieder alles alleine durchstehen...

Zurück zuhause ist dann einen Tag später die nächste Baustelle losgegangen, ein großer Abszess im frisch operierten Gebiet...
Wieder Notarzt, RTW und das ganze Drumherum...
Und wieder war ich allein...

Als ich nach laaanger Zeit nach Hause entlassen worden bin, habe ich die ersten Tage zuhause sehr viel geweint - einerseits weil die Erleichterung so groß war, alles überstanden zu haben und wieder zuhause sein zu dürfen, andererseits weil ich Angst hatte, dass die nächste Baustelle losgeht.

Und als wäre es noch nicht genug gewesen: Prompt hat sich zuhause mein Port entzündet. Allerdings ist der überlebenswichtig für mich, weil ich 24/7 Elektrolytlösungen, Medikamente und parenterale Ernährung benötige.
Ich hab dann einen Picc-Katheter gelegt bekommen, sodass die weitere Therapie wenigstens zuhause erfolgen konnte.

Zu allem Überfluss habe ich irre starke Schmerzen im LWS-Bereich bekommen. Trotz krasser Schmerzmedikation sind die Schmerzen so heftig, dass ich nicht mehr auftreten kann. Ein MRT hat ergeben, dass mein gesamtes ISG inklusive Hüfte massiv entzündet ist, ich habe Flüssigkeit im Knochen und im umliegenden Gewebe... Entweder hat sich der Crohn nun in meinen Gelenken festgesetzt und ist gerade dabei, meine Knochen zu zerstören. Oder andernfalls entwickle ich gerade eine schwere Form von Rheuma. Beides nicht prickelnd.

Und das Ende der Fahnenstande ist noch nicht in Sicht...

Das Alles ist eine massive Belastung, ich lebe buchstäblich von Stunde zu Stunde, kann mich vor Schmerzen kaum mehr bewegen, laufen/auftreten geht gar nicht mehr. Meine Eltern pflegen mich 24 Stunden am Tag und das seit Wochen.

Anfangs habe ich mich noch nach dem Warum? gefragt, aber das tue ich inzwischen längst nicht mehr. Dafür fehlt mir die Kraft.


Also du siehst: Es gibt Neues, aber eigentlich nur schlechte Neuigkeiten, zumindest was die gesundheitliche Entwicklung angeht.
Mein Körper zerstört sich selbst und ich kann nichts dagegen tun, außer zu vertrauen, dass es in der Medizin irgendetwas gibt, das mir Linderung verschafft.
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Mondkalb
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Trüffel,

deine Neuigkeiten lesen sich ja, gesittet ausgedrückt, sehr Bescheiden. Je nachdem wo der Katheter angebracht ist kann dieser schon sehr nervig sein.
Trüffel hat geschrieben:
Di 7. Jun 2022, 16:14
Als ich nach laaanger Zeit nach Hause entlassen worden bin, habe ich die ersten Tage zuhause sehr viel geweint - einerseits weil die Erleichterung so groß war, alles überstanden zu haben und wieder zuhause sein zu dürfen, andererseits weil ich Angst hatte, dass die nächste Baustelle losgeht.
Begründet durch deinen Verlauf ist das nachvollziehbar …
Trüffel hat geschrieben:
Di 7. Jun 2022, 16:14
Also du siehst: Es gibt Neues, aber eigentlich nur schlechte Neuigkeiten, zumindest was die gesundheitliche Entwicklung angeht.
Auch wenn es eigentlich nur schlechte Nachrichten von dir gibt, bin ich doch froh von dir zu lesen!
Freue mich auch zukünftig von dir zu lesen mit der Hoffnung auf eine positive Veränderung für dich, mag sie auch noch so klein sein.

Liebe Grüße
Mondkalb
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Mondkalb
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Trüffel,

auch wenn die letzten Monate sehr viele Veränderungen für mich brachten habe ich regelmäßig ins Forum geschaut, Dich nicht vergessen, jedoch ist es sehr still um Dich geworden, nicht's liest man von Dir. :cry:

Würde mich sehr freuen wieder von dir zu lesen, zu erfahren wie es bei Dir weiter gegangen ist!

Liebe Grüße
Mondkalb
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Re: Psyche fährt Achterbahn

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Trüffel,

fast 5 Monate sind jetzt vergangen und die Frage bleibt, was ist mit Dir?

Vielleicht liest du mit, von daher schreibe ich einfach mal, was die Zeit so für mich gebracht hat. Wäre schön, wenn du dich melden würdest, um zu erfahren, dass es dir hoffentlich gut geht.

Inzwischen habe ich die Stadt gewechselt, der Arbeitgeber ist neu und das Schönste ist der Darm benimmt sich und macht weiterhin nur, was er soll.
Meine Lebensqualität hat sich wesentlich verbessert, bewege mich viel am Fluß entlang und liebe die Fucking Hills drumherum. Der Darm hatte diesen Schritt bei mir sehr lange verhindert, mir fehlte dadurch einfach der Mut, all die Jahre.

Beruflich mache ich etwas Neues, meinen alten Beruf wollte ich nicht mehr, musste mir die letzten Monate wieder viel aneignen, aber dafür gehe nicht mehr stellenweise mit einem Kotzgefühl auf Arbeit.

Immer wieder dachte ich der Darm macht mir einen Strich durch meinen Plan, aber er hat in der Zeit der Bewerbungsgespräche nur gemuckt, war zum Glück nur immer wieder die Aufregung.

Das kollegiale Umfeld ist für mich derzeit noch Gewöhnungsbedürfdig, die Charaktere sind sehr unterschiedlich, hier muss ich mal Abwarten, was die Zeit so mit sich bringt und was daraus wächst.

Das wichtigste ist und bleibt für mich aber das der Darm die neue Situation gut verträgt, es hier keine negativen Auswirkungen gibt und ich mich wohlfühle.

Soviel erstmal von mir, mit der Hoffnung ich höre von DIR!

Liebe Grüße,
Mondkalb
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