Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
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yasu
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Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Beitrag von yasu »

Moin,

ich wurde im April mit Colitis Ulcerosa, genauer einer schweren Form der pancolitis, diagnostiziert. Mehrere Wochen bekam ich Pentasa Sachet 6g tägl. und cortiment 9mg tägl. . Das hat nichts genützt, also hat mich mein Arzt auf Prednisolon gesetzt. Erst eine Woche 100mg iv., dann oral Woche für Woche weniger. Das hat nach ein paar Tagen spürbar etwas gebracht. Aber die Nebenwirkungen waren verdammt heftig. Ich habe täglich starke Panikattacken durchmachen müssen. Ein paar andere kleine Sachen gabs auch zusätzlich auch noch, aber diese Nebenwirkung hat mich am meisten beeinträchtigt.
Es hat meine Hirnchemie, die für Emotionen zuständig ist, komplett durcheinander gebracht.
Nach Absetzen des Preds hatte ich knapp 2 Wochen einigermaßen Ruhe vor den Symptomen der colitis, mit Erhaltungstherapie (Pentasa 4g u. Cortiment 9mg).

Dann kam es nach und nach zurück und ich bin jetzt wieder auf direktem Wege zurück zu dem Zustand vor Pred. Sogar eigentlich fast wieder am Anfang. Montag ist Termin beim Gastroenterologen, da besprechen wir dann den weiteren Therapieverlauf. Wahrscheinlich kommt dann Azathioprin. Hoffentlich tut das was.


Nun zu meinem eigentlichen Anliegen: ich habe, abgesehen von den zwei Wochen Ruhe, die üblichen häufigen und schmerzhaften Stuhlgänge pro Tag.
Bei mir sind die meist so verdammt schmerzhaft, dass mir sehr oft schlecht wird und ich mich öfters auch übergeben muss. Halluziniert von den ganzen Schmerzen habe ich auch schon ein paar mal.
Ich glaube ich brauche es nicht auszuführen, warum ich unbedingt etwas gegen die Schmerzen tun will. Denn solange wie der Doc Medikamente ausprobiert und diese nicht oder nicht langfristig wirken, muss ich mit den Symptomen meiner Erkrankung fertig werden.

Anfänglich habe ich mich noch durchgebissen, denn bis zu meiner Diagnose hatte ich so gut wie keine Schmerzmittel und war entsprechend abgestumpft, einfach leer im Kopf bei Schmerzen.
Was aber eigentlich nichts gutes ist.

Dann Paracetamol - bringt lächerlich wenig
Novaminsulfon - ja toll, die leichten Schmerzen sind jetzt weg, aber gegen die starken Schmerzen beim Stuhlgang helfen die nur wenig. Außerdem machen die mich verdammt abgeschlagnen und müde.
Paracetamol comp. - schon deutlich besser, aber zwei, die maximale Einzeldosis, sind immer noch nicht genug für die starken Schmerzen
Tilidin - wirkt Wunder, in geringer Dosierung sind die Schmerzen deutlich abgemildert, auch die stärksten. Und zusätzlich lähmt es die Darmtätigkeit, was praktisch ist, da ich nicht mehr Unmengen Imodium futtern muss um überhaupt die Wohnung verlassen zu können.

Mein Hausarzt sag immer, dass Tilidin sehr einfach und schnell abhängig machen kann und ich schätze ich weiß auch ziemlich genau warum. Wenn es einem nicht so gut geht im Leben, dann kann die Verlockung enorm sein. Aber bisher bin ich nicht abhängig. Nach dem Prednisolon hat das Absetzen vom Tilidin super und ohne Probleme geklappt. Liegt wahrscheinlich auch daran, dass es mir, abgesehen von dem ganzen Mist mit der Krankheit, im Leben echt richtig gut geht.

In den letzten Wochen war mein Hausarzt im Urlaub und da meine Symptome sich erneut einnisten brauchte ich wieder Schmerzmittel. Also habe ich wieder die Schmerzmittelleiter von unten nach oben ausprobiert und wieder hat nur das Tilidin ausreichend geholfen.

Aber:
die Vertretungsärzte behandeln einen als wäre man schon ein junky. Anstatt sich zu erkundigen wie es einem geht, heißt es "Ich weiß ja nicht ob sie abhängig sind, aber…" und so ähnlich.
Auch ändert sich bei einigen die gesamte Art, wenn sie von meiner Medikation erfahren. Letztes Wochenende musste ich wegen einer Gehörgangsentzündung zum HNO und die behandelnde Ärztin ist in Sekundenbruchteilen von nett und einfühlsam zu distanziert und überheblich geschwenkt, als sie meine Medikationsliste las. Das war wirklich gruselig.
Obwohl Tilidin so gut hilft, so eine Behandlung will ich nicht. Wenn ich wie ein Abhängiger behandelt werde, obwohl ich keiner bin, dann will ich nicht weiter Tilidin nehmen.


Daher meine Frage: was gibt es da noch an Schmerzmittel, gegen sehr starke Schmerzen, die einen nicht gleich in die junkyschublade verfrachten? Gibt es noch andere nicht Opiod-Schmerzmittel?
Oder wie geht ihr damit um?

Grüße,
yasu

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neptun
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Re: Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Beitrag von neptun »

Hallo yasu,

wenn Dein Problem die Tenesmen sind, also Schmerzen kurz vor dem Stuhlgang, die danach aber ziemlich umgehend verschwinden, dann sollte man doch auch rektal behandeln mit Mesalazin in form von Zäpfchen, Schaum oder Klysma zur Nacht, eventuell ergänzt durch einen cortisonhaltigen Schaum am Vormittag, wenn man min. eine halbe Stunde nicht auf die Toilette muß.

So wäre zumindest auch vor Ort etwas getan, denn Pentasa wirkt im Bereich der Ileozökalklappe und im aufsteigenden Dickdarm, da es mit Ethylcellulose ummantelt ist und sich daher schon ab dem oberen Dünndarm auflöst, und auch beim Cortiment weiß man nicht, was letztlich am Enddarm ankommt.

Hast Du denn Blut am Stuhl?
Und gibt es einen aktuellen Calprotectinwert als spezifischen Marker für Entzündungen im Magen-Darm-Trakt?

Wenn bei Dir als nächste Behandlungsstufe Aza angedacht ist, dies wirkt erst nach 3-6 Monaten durch den besonderen Wirkmechanismus.
Somit kann eigentlich jegliches Schmerzmittel nicht die Lösung sein.

Wenn es wirklich wieder eine heftige Pancolitis ist, die ich immer als Sonderfall aufgrund der Ausdehnung der starken Entzündung betrachte, dann wäre doch eher an einen TNF-alpha-Blocker zu denken, also die 3. Stufe der Behandlung. Z.B. Remicade sollte deutlich früher anschlagen.

Du solltest also eine rektale Behandlung ansprechen und dann eventuell auch die 3. Behandlungsstufe, wenn eine ausgedehnte heftige Entzündung gesichert ist.

LG Neptun

yasu
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Re: Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Beitrag von yasu »

Ja die Tenesmen sind mein Hauptproblem. Ich habe zwar auch am Tag hin und wieder dumpfe Schmerzen aber die sind nicht so schlimm wie die vom Stuhlgang. Nach dem Stuhlgang dauert es meistens noch ein paar Minuten bis die Schmerzen wirklich komplett zurückgegangen sind. Sie sind dann nicht mehr so heftig, aber trotzdem noch sehr unangenehm. Und ich muss mich meist erstmal hinlegen, weil ich komplett platt bin von der Episode auf dem WC.

Blut hatte ich in der Phase, bevor ich zwei Wochen beschwerdefrei war, im Stuhl. Meist bestand der Stuhl fast aus nichts anderem. Damals waren zu Beginn meine Calprotectinwerte über 1200 und später so hoch, dass sie nicht mehr messbar waren, laut meinem Gastroenterologen.
Nach der Prednisolonbehandlung lag der Wert bei etwas über 200.
Aktuelle Werte gibt es noch nicht.

Meine Frage nach den Schmerzmitteln ist eigentlich nur eine generelle, denn ich bin mir sehr wohl bewusst, dass eine reine Schmerztherapie nicht die Lösung sein kann.
So wie ich das jetzt verstanden habe, wird es erstmal ein trial and error sein, bis ich in Remission gehe und bei den nächsten Schüben geht es wieder von vorn los.
Deshalb wüsste ich gerne, was ich gegen diese Schmerzen machen kann, denn mit den Schmerzen bin ich meist den Großteil des Tages total fertig.
Mit gelinderten Schmerzen kann ich zumindest noch den meisten meiner täglichen Aufgaben nachkommen. Natürlich muss ich mich schonen, wenn es von der Kraft her nicht geht, dann geht es eben nicht. Aber nur durch die Schmerzen so fertig zu sein, ohne dass da mehr dahinter steckt, das ärgert mich.
Das ist für mich der Hauptpunkt, dass ich trotz aktiven Schubs nicht komplett ausgeschaltet bin, bis endlich irgend ein Mittel ausreichend anschlägt.

132
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Re: Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Beitrag von 132 »

Ich will hier jetzt mal einen Alternativvorschlag bringen, da die Schmerzmittelliste gerade bei CED ja wirklich eher supoptimal ist.

Seit 2017 dürfen Ärzte legal Cannabis verschreiben. Bei schwerwiegenden Fällen wie deinem sollte das eigentlich auch von der Kasse übernommen werden. Cannabis wird mittlerweile (gerade in den legalen Staaten) häufig bei CED eingesetzt. In Australien nutzen mittlerweile ein Großteil der Patienten Cannabis zur Linderung ihrer Symptome ihrer CED.

Ich selbst bin auch seit 2018 Cannabispatient und brauchte seit dem Therapiebeginn keine anderen Schmerzmittel mehr. Der große Vorteil ist, dass bei Cannabis die Abhängigkeitsprobleme quasi nicht auftreten, gerade, wenn man sie mit Opiaten vergleicht. Außerdem wirkt gerade das THC ebenfalls lähmend auf den Darm und hat damit einen ähnlichen Effekt wie Loperamid. Ich kann damit in der Regel jeden Durchfall kontrollieren. Gleichzeitig sind viele entzündungshemmende Stoffe enthalten. Zwar wirkt es nicht so stark wie bsp. Cortison, aber schlecht ist so eine unterstützende Wirkung ja nicht.

Cannabis gibts aktuell in Blüten- und Tropfenform in den Apotheken. Die Preise sind mittlerweile auch recht human. Wer nicht rauchen will, kann Tropfen nehmen oder einen Vaporizer kaufen (=Inhalator, in dem Blüten nur erhitzt und nicht verbrannt werden).

Bei weiteren Fragen kannst du dich gerne melden. Hier (https://www.cannabis-medic.de/) bekommst du auch Hilfe. Dort sind mittlerweile auch einige Patienten mit einer CED dazugekommen.

yasu
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Re: Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Beitrag von yasu »

Hey, danke für deine Antwort.

Ich bin mir nicht sicher wie meine Ärzte auf so eine Idee reagieren würden. Ich habe bereits CBD Öl schon ausprobiert um zu schauen ob es nicht die Wirkung vom Paracetamol verstärken könne und als ich das meinem Gastroenterologen erzählt habe, hat er mir groß und breit erzählt, dass er jetzt entgültig glaubt, ich würde in die Abhängigkeit rutschen...
Beim Tilidin meinte er schon finde es generell besser, wenn seine Patienten das ohne Schmerzmedikamente aushalten und im Schlimmsten fall dann maximal Novaminsulfon nehmen. Aber als ich ihm von CBD erzählt habe, was ja weder psychoaktiv ist, noch abhängig macht, ging es bei ihm richtig ab.

Mein Hausarzt ist da nicht ganz so schlimm, aber ich schätze, dass er da nicht wirklich offen für ist. Wenn er schon ungern seit langem zugelassene Schmerzmittel verschreibt, dann sicher nicht viel lieber welche, die erst seit 2017 verfügbar sind.
Ich würde es gerne mal probieren, denn wenn ich etwas hätte was weniger abhängig macht als Tilidin, aber ähnlich schmerzlindernd ist, dann wäre das viel wert.

Ganz unerfahren bin ich auf dem Gebiet offen gesagt ja auch nicht. In der Zeit nach meinem Abitur habe ich damals hin und wieder, natürlich damals leider im nicht ganz so legalen Rahmen, ein paar Erfahrungen mit Cannabis gesammelt. Um ehrlichzu sein fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass die Wirkung mich im täglichen Leben nicht einschränkt. Wenn ich mich so an damals zurückerinnere, dann glaube ich kaum, dass ich im "breiten Zustand" geistig besonders leistungsfähig wäre.
Das Tilidn hat mich zwar auch langsamer im Kopf gemacht, aber sehr viel weniger, als es Cannabis vermutlich tun würde. Meine Arbeit und mein Studium setzen viel Grips vorraus, ohne den ich sicher Probleme dort bekommen würde.

Wie sind da deine Erfahrungen dazu? Wie gehst du damit um, wenn du trotz Medikation geistig leistungsfähig sein musst?

132
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Re: Schmerztherapie, was hat sich bei euch bewährt?

Beitrag von 132 »

Hi!

Ja, wenn dein Arzt schon so auf das Thema CBD reagiert, zeigt er offen, dass er keine Ahnung von der Materie hat und sich nur auf irgendwelche Vorurteile verlässt. Als Arzt ist das schon ne Nummer, finde sowas offen gesagt ziemlich peinlich.

Aber naja, Thema Arzt finden ist immer etwas schwer. Wobei es mittlerweile Algea Care gibt, wenn man finanziell nicht so eingeschränkt ist, ist das sicher eine Lösung (kann ja nebenbei weiter nach einem Arzt schauen).

Vielen fällt es erstmal schwer sich vorzustellen, Cannabis im Alltag zu nutzen. Mir auch am Anfang. Tatsächlich unterscheidet sich die Anwendung aber von dem normalen Freizeitkonsum.
Bei medizinischer Anwendung kommt es zu Beginn zu einer Titrationsphase. Das bedeutet, dass man das Cannabis vorsichtig "eindosiert" und die Dosis nach und nach langsam steigert. Was bringt das? Man kommt dadurch nicht richtig in diesen bekannte Rauschzustand. Es bildet sich nach und nach eine Toleranz, wodurch man die Dosis weiter erhöhen kann und die Nebenwirkungen nach und nach verschwinden. Mittlerweile funktioniere ich mit Cannabis genauso gut wie ohne (wenn ich meine Dosierung einhalte). Wenn du ordentlich eintitriert hast und eine gute Toleranz aufgebaut hast und verantwortungsvoll dosierst, wirst du also garnicht mehr breit und hast dementsprechend auch nur wenig geistige Einschränkungen. Ich habe eigentlich nur leichte Probleme mit meinem Kurzzeitgedächtnis, die nachgewiesenermaßen aber reversibel sind. Setze ich das Cannabis also ab, verschwinden diese Einschränkungen wieder. Aber das ist wirklich nichts im Vergleich zu den Nebenwirkungen zu anderen Mitteln. Die ersten 1-2 Wochen wirst du wahrscheinlich etwas Probleme mit Konzentration und co haben, wenn die Toleranz aber erstmal da ist, verschwinden die Nebenwirkungen in der Regel komplett.
Hast du früher mit Tabak geraucht? Das verstärkt die Nebenwirkungen ungemein und die Wirkung ist eine ganz andere. Empfehlenswert ist eine orale Einnahme oder inhalativ per Vaporizer (=Verdampfer). Hier kannst du auch die Temperatur einstellen, wodurch sich die Wirkung auch noch stark beeinflussen lässt (niedrigere Temperatur = anregendere Wirkung). Da kann man ein bisschen rumprobieren. Und in der Apotheke gibts letztendlich auch schwächere Sorten. Ich nutze momentan aufgrund von Angeboten potente Sorten, es gibt allerdings auch gute "Balanced" Sorten (THC&CBD). Mein Favourit war da das Cannamedical CBD Cali-O. Das hat immer so 8%THC und 8%CBD. Sowas gibts unter Freizeitkonsumenten ja eigentlich garnicht. Das wirkt nochmal deutlich weniger einschränkend als die potenten Sorten.
Aktiv dagegen tun kann man natürlich auch was. Alles, was dem Kopf sonst gut tut, tut auch unter Cannabis gut. Lesen, Gehirnjogging und co sind da eine gute Wahl denke ich. Bewegung natürlich auch nie vergessen. Ich konnte dank Cannabis endlich wieder richtig Sport machen (auch ohne die ständige Angst mich einzustuhlen). Mir hilfts also wirklich enorm meine Lebensqualität zu verbessern.

Bei weiteren Fragen melde dich gerne!

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