Azathioprin verweigern?

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
Ahab
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Re: Azathioprin verweigern?

Beitrag von Ahab »

Tommy, darf ich dich fragen, für welches Biological du dich aus welchen Gründen entschieden hast? Ich hoffe, die Frage ist ok. Evtl. würden mir diese Überlegungen ja weiterhelfen.
Mir war ehrlich gesagt nicht vollkommen klar, dass bei Biologicals ein Absetzversuch unternommen werden kann. Ich bin auf dem Stand, dass das bei Azathioprin und CU nicht der Fall ist und gerade diese Endgültigkeit ängstigt mich.
Eigentlich müsste es doch Studien geben bzw die gibt es sicher, anhand derer man die Risiken nahezu mathematisch gegenüberstellen kann? Ich recherchiere dazu aktuell sehr viel und finde Aussagen, die mich als Laien verwirren: Bei jungen, männlichen Patienten, die noch nicht mit den EBV Virus infiziert gewesen seien, rücke man von Azathioprin langsam wieder ab aufgrund des Risikos... andere Quellen berichten von einem "deutlich erhöhten" Hautkrebsrisiko, andere von einem "absolut kaum erhöhten" Risiko. Ich steige da trotz intensiver Recherche nicht wirklich durch. Hinter jeder Studie steht ja auch die Frage, wer sie mit welchem Interesse sie beauftragt hat.

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neptun
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Re: Azathioprin verweigern?

Beitrag von neptun »

Hallo Tommy und Ahab,

gerade wurde im letzten Bauchredner zur Medikation geschrieben, man hält an der Bottom-up Methode fest. Ich habe es im entsprechenden Thread meiner Rezension erwähnt.
Du bist dann einer dieser Beispiele, die ich anführte.

Vernarbungen sind irreversibel. Aber gerade Schleimhäute haben ein außerordentliches Regenerationsvermögen. Und die cu ist mit ihrer Entzündung auf die Darmschleimhaut begrenzt. Im Gegensatz zum mc, wo die Entzündung transmural ist, also durch die gesamte Darmwand geht.

Ich habe in meinen Anfangsjahren mit cu eine Proktitis gehabt, über 13 Jahre mit einem chronisch aktiven Verlauf. Später dann noch viele Jahre eine Linksseitencolitis mit chronisch aktivem Verlauf. Vernarbungen waren trotzdem nie zu sehen.

Da es früher auch kaum Medikamente gab, so wurde mit Sulfasalazin (Azulfidine) oral behandelt und rektal bei Bedarf. Letzteres aber auch erst nach Jahren mit Betnesolklysmen, dann Claversalklysmen, Zäpfchen.

Dann gibt es noch meinen Lieblingssatz aus der letzten veralteten Fassung der Leitlinie cu zur Behandlung einer Proktitis:

"Die Therapie der refraktären Proktitis kann eine erhebliche klinische Herausforderung darstellen, weil systemische Therapieformen oder eine Operation unter Umständen, auch unter Abwägung von Risiken und therapeutischem Nutzen, eine Übertherapie darstellen
können."


Hat man leider im Text verkürzt auf den ersten Halbsatz. Dafür kann man dann behandeln entsprechend einer therapierefraktären ausgedehnten Colitis, obwohl es kaum eine Grundlage dafür gibt, weil Untersuchungen in Bezug auf eine Proktitis quasi fehlen. Da versteht man dann auch ganz schnell den letzten Teil des Satzes, was eine Übertherapie bedeuten kann.

Naja.

Letztlich sehe ich eine Therapieentscheidung auf Grundlage der Symptome und Beschwerden wie auch der festgestellten Entzündungsstärke, die sich im Blut am Stuhl, im Calprotectinwert, in Tenesmen, im Stuhlverhalten, im allgemeinen Befinden zeigen sollte.
Bei älteren Betroffenen wie mir, da wurde in der Praxis bei jedem Erscheinen schnell eine kleine Rektoskopie gemacht, ohne Abführen und ohne Sedierung. Das ist Goldstandard und der Arzt kann alles direkt in Augenschein nehmen.
Für Ahab's Sohn sollte aber auch die erste geschilderte Vorgehensweise zielführend sein.

Empfehlungen der Leitlinie cu sind, die maximale orale und rektale Therapie mit Mesalazin auszuschöpfen und bei tatsächlich stärkerer Entzündung bliebe noch Budesonid rektal und letztlich auch ein Versuch mit Prednisolon.

Bei Kindern wird auch die Therapie mit Astronautenkost empfohlen. Sicher eine Zumutung, weil da 8 Wochen angedacht sind und die gesamte Familie sehr diszipliniert sein müßte. Wahrscheinlich keine Option für eine Proktitis.

LG Neptun

Linette
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Re: Azathioprin verweigern?

Beitrag von Linette »

Hallo ahab,
schlimm, wenn so ganz kleine Kinder oder Kinder überhaupt krank sind. Ich selbst habe CU und habe fürchterlich zu kämpfen. Ich habe einen 4 1/2 jährigen Sohn. Keine Ahnung, was ich täte, wenn er das hätte. Leider kann ich dir keinen Rat geben, den hast du schon bekommen. Wenn es soweit ist, werdet ihr auf jeden Fall die bestmögliche Entscheidung treffen.

Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute

tommy
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Re: Azathioprin verweigern?

Beitrag von tommy »

Ahab hat geschrieben:Tommy, darf ich dich fragen, für welches Biological du dich aus welchen Gründen entschieden hast? Ich hoffe, die Frage ist ok. Evtl. würden mir diese Überlegungen ja weiterhelfen.
Mir war ehrlich gesagt nicht vollkommen klar, dass bei Biologicals ein Absetzversuch unternommen werden kann. Ich bin auf dem Stand, dass das bei Azathioprin und CU nicht der Fall ist und gerade diese Endgültigkeit ängstigt mich.
Eigentlich müsste es doch Studien geben bzw die gibt es sicher, anhand derer man die Risiken nahezu mathematisch gegenüberstellen kann? Ich recherchiere dazu aktuell sehr viel und finde Aussagen, die mich als Laien verwirren: Bei jungen, männlichen Patienten, die noch nicht mit den EBV Virus infiziert gewesen seien, rücke man von Azathioprin langsam wieder ab aufgrund des Risikos... andere Quellen berichten von einem "deutlich erhöhten" Hautkrebsrisiko, andere von einem "absolut kaum erhöhten" Risiko. Ich steige da trotz intensiver Recherche nicht wirklich durch. Hinter jeder Studie steht ja auch die Frage, wer sie mit welchem Interesse sie beauftragt hat.
Hallo Ahab,

es war nicht meine Entscheidung, sondern die Empfehlung meines Arztes. Entyvio weil bei mir der Elispot positiv war (irgendwie nicht mein Jahr), ich hatte wohl irgendwann mal Kontakt mit TBC (keine Erkrankung), die nun im Körper latent vorhanden ist und bei Absenken des Immunsystems aufflammen könnte. Entyvio ist Darmselektiv und hat wohl weniger Einfluss auf die Lunge. Zudem muss ich jetzt aber 9 Monate lang eine TBC Prophylaxe/Therapie nehmen, nach dem ersten Monat kann ich mit Entyvio beginnen, das wird Ende November der Fall sein. Ab nächstem Jahr soll Entyvio subkutan verabreicht werden können, das würde den regelmäßigen Weg zum Arzt ersparen.

Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich mich in erster Linie mit meiner Diagnose MC beschäftigt habe. Die Leitlinien zur CU habe ich zwar auch gelesen, aber ich maße mir da überhaupt keine Expertise an. Neptun ist hier im Forum wohl einer der kompetentesten Auskunftgeber, was ich bisher so mitbekommen habe.

Ungeachtet dessen bleibe ich dabei, dass du deinem Arzt vertrauen solltest wenn du ein gutes Gefühl hast und wenn er ohne Zweifel Experte für CED ist.

LG Tommy

Ahab
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Re: Azathioprin verweigern?

Beitrag von Ahab »

Hallo Tommy,
danke für deine Antwort.
Ich vertraue dem Arzt vollkommen, soweit man das möglich ist. Wenn es um mich ginge, würde ich mich wahrscheinlich weniger schwer tun mit der Entscheidung. Da es aber um mein Kind geht, habe ich das Gefühl, mehr tun zu müssen als einfach zu vertrauen, so leicht darf ich es mir nicht machen. Ich wäre froh, das Schicksal einfach in die Hände des Arztes legen und beruhigt schlafen zu können, ich kann es aber nicht. Klingt wahrscheinlich irgendwie schräg.
Ich wünsche dir jedenfalls alles erdenklich Gute mit deiner Medikation. Mit Entyvio hätte ich in derselben Situation glaube ich noch die wenigsten Bedenken, nach allem, was ich so gelesen habe.
Viele Grüße

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