Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
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Mischkas
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von Mischkas »

Hallo zusammen

nach der interessanten Lektüre von Neptuns Rezension( https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=3&t=7098 ) über einen Artikel im Bauchredner 3/2019 habe ich mir aus eigenem Interesse erlaubt diesen Thread nochmals hervorzunehmen.

Seit einem knappen Jahr stehe ich nun unter einem Biological (Infliximab) es wird bei mir wegen Fisteln angewendet.
Was die Fistelsanierung und der Schutz vor Neubildung anbelangt kann ich mich nicht beschweren ob dies nun im Zusammenhang mit dem Biological steht kann ich natürlich nicht beurteilen.
Was CU/MC anbelangt haben sich zwei neue Fissuren gebildet,feste Stuhlgänge (6-8) wären ohne den imperativen Stuhldrang kaum bemerkenswert,Calprotectin von 40 auf 1200 andauernd Yo-Yo,Blutungen eher selten.Das Problem in diesem Zustand befand ich mich schon unter Azathioprin, Mesalazin bevor das Biological angewendet wurde diesbezüglich kann ich eigentlich nicht sehr positiv über Infliximab reden.

Seit nunmehr einem Jahr suche ich nach medizinischen Berichten von Leuten die durch Biologicals in Remission gekommen sind und bei dem aufkommen eines neuen Schubes mit Medikamenten der 1. und 2. Stufe auskamen.
Der Grossteil von den Studien bezieht sich immer auf die gute Verträglichkeit bei einem Zweitstart mit Biologicals.

Wie soll man als Patient eine vernünftige Entscheidung treffen was das Absetzen von einem Biological (in Remission oder auch nicht) anbelangt wenn da keine brauchbaren Studien vorliegen?

Wenn man die Statistiken von Biologicals anschaut und sieht wie die Prozentsätze bei jedem neuen Faktor wie Schnee an der Sonne schmelzen kann man da überhaupt noch dem Ganzen Sinn schenken?

Nach welchen Kriterien kann oder soll ein Patient das Absetzen von Biologicals in's Auge fassen?

Den Ärzten wird auf die Dauer nahegelegt "Kosten-Nutzen" in Betracht zu ziehen.
Ist dies eine nützliche Kriterie für den Patienten?

Von meinen Fachärzten wollte zu dem Thema absetzen keiner Stellung nehmen,aber mir wurde nahegelegt darüber nachzudenken was für eine Chance es ist heutzutage über solche Medikamente zu verfügen.

Ich möchte nochmals Nachfragen ist hier jemand durch Biologicals in Remission gekommen, konnte sie absetzen und ist später bei einem neuen Schub lediglich mit den Grundmedikamenten wie Mesalazin über die Runden gekommen?

LG Mischkas

PS.
Ich hatte im Spital während der Infusion einen Zimmernachbarn kennengelernt der seit fast 9Jahren unter Rémicade steht (Liste der Nebenwirkungen ist frustrierend)es ist eindrücklich zu wissen dass ein Biological theoretisch so lange "nutzbringend" sein könnte genauso wenn man von Leuten hört bei denen Azathioprin seit über 20Jahren angewendet wird dabei kommen bei mir nur Tränen in die Augen haben aber leider nichts mit Freude zu tun.
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geierwally
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von geierwally »

Ich möchte nochmals Nachfragen ist hier jemand durch Biologicals in Remission gekommen, konnte sie absetzen und ist später bei einem neuen Schub lediglich mit den Grundmedikamenten wie Mesalazin über die Runden gekommen?

Genau das würde mich auch interessieren!

Wie soll man eine Remission auch merken, wenn z.B. Humira wirkt, man beschwerdefrei ist. Eine Kolo ist ja auch nur eine Momentaufnahme, da da bei den CEDs alles passieren kan. Heute gut, nächste Woche ein Schub.
Kann man unter Humira überhaupt von Remission sprechen? Ist es nicht eher ein medikamentös alsgelöster Heilprozess, der ohne Medikament ein Schub wäre?

LG, geierwally
Man(n) nennt mich auch Baustelle :-)

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Balin
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von Balin »

Das entspricht ja auch meiner Fragestellung unter neptuns Überlegungen, würde mich also auch sehr interessieren! :)

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neptun
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von neptun »

Hallo Ihr,

Mischkas Frage müssen andere beantworten. Habe keine Biologicals genommen.

Der Artikel "Exitstrategien" im Bauchredner enthält Entscheidungshilfen zum Absetzen (modifiziert nach Torres et al. 2016) als Schaubild. Darin der Patientenwunsch, das Alter, der Krankheitsverlauf, die bisherigen Therapien, Laborwerte, Remissionsstatus, Begleiterkrankungen.

Nebenwirkungen von Medikamenten sind nur insoweit erwähnt, als daß das Risiko mit dem Alter steigt.
Soweit der Artikel.

Vor 3 Jahren schrieb ich dies:
Medikamente, die wir mit CED standardmäßig bekommen, haben keine eindeutigen und absoluten Wirkungen und meist sind die eigentlichen Wirkmechanismen noch nicht vollständig bekannt. Wie man aus den Fachinformationen entnehmen kann.

Zudem wissen eigentlich alle Betroffenen nach einiger Zeit hier im Forum, die Medikamente wirken bei einzelnen Betroffenen unterschiedlich. Der eine ist für Cortison empfänglich. Es wirkt gut und schnell. Ein anderer ist aber steroidresistent oder wird steroidabhängig. Ebenso verhält es sich mit den Nebenwirkungen. Wer dafür empfänglich ist, bekommt schnell das Cushing-Syndrom, oder auch Bluthochdruck, Diabetes, Papierhaut, Osteoporose, etc.

Eine weitere Erkenntnis ist, ein Medikament kann bei einer erneuten Anwendung plötzlich nicht mehr den einmal gehabten Behandlungserfolg erneut herbeiführen.

Niemand weiß, warum es so unterschiedliche Reaktionen gibt.
Man kennt zwar aus statistischen Erhebungen heraus, wie ein Medikament voraussichtlich wirken wird und welche Nebenwirkungen wie oft zu erwarten sind, aber auf einen einzelnen Betroffenen, auf ein Individuum, läßt sich daraus gar nichts schließen.

Leider klären Ärzte hierüber meist nicht auf. Dabei wären sie nur ehrlich und könnten Verständnis der Betroffenen ernten, wenn die Therapie nicht immer gleich erfolgreich verläuft.

Was quasi vom Arzt nie kommuniziert wird, das ist die wesentliche Frage, wann setzt man ein Medikament auch mal wieder ab?

Bis vor einiger Zeit wurde Remission definiert als Zustand der Symptom- und Beschwerdefreiheit. Neuerdings sagt man, die Darmschleimhaut muß abgeheilt sein, also das Mucosal Healing vollständig sein. Damit wäre gewährleistet, es gibt derzeit keine entzündlichen Prozesse. Vernarbungen wären aber sicher möglich, denn die sind nicht reversibel. Zum Nachweis dafür wäre eine Kolo notwendig.

Wird dieser Zustand nun unter der dauerhaften Medikamenteneinnahme von Immunsuppressiva oder auch Biologicals erreicht, dann wäre es keine echte Remission, was aber den Betroffenen sicher erst mal egal wäre.

Es offenbart sich dabei aber sofort das Problem, wie erkennt man, ob man nicht nach einiger Zeit auch ohne die Medikamente in Remission sein könnte, also in echter Remission?

Zum Aza/Puri existierte/existiert die Ansicht, es wäre zumindest eine Einnahme über mindestens 4 Jahren notwendig, um über das Absetzen entscheiden zu können nach dem bisherigen Verlauf. Grund ist, man nimmt an, das Immunsystem stellt sich in dieser Zeit um. Etliche Betroffene mußten dabei aber negative Erfahrungen machen. Vielleicht daher oder auch aus dem Verlauf heraus mit Rezidiven werden Aza/Puri heute teils viel länger verschrieben und es Betroffene gibt, die schon über 10 Jahre dabei sind.
Bei den Biologicals gibt es zwar auch seit einigen Jahren die Daueranwendung, aber das war nicht das ursprüngliche Konzept, als die Medikamente für die CED (zu unterschiedlichen Jahren) zugelassen wurden. Entwickelt wurden sie für rheumatische Erkrankungen. Ausnahme das relativ neue Entyvio (Vedolizumab) das nur im Dickdarm wirkt.

Will man Biologicals oder Immunsuppressiva absetzen, so sollte zumindest ein Jahr der absoluten Beschwerdefreiheit vorbei sein und dann auch eigentlich der Nachweis des Mucosal Healing durch eine Kolo erbracht sein.

Eine praktikable Vorgehensweise ist, man verlängert das Infusionsintervall und wenn es dem Betroffenen darunter weiterhin gut geht, setzt man nach einigen Monaten ab. So schrieb es Prof. Raedler in seinem Patientenforum zumindest in Bezug auf die Biologicals.

Beim Aza versuchen einige Betroffene, die Dosierung zu senken. Nur gibt es für diese Vorgehensweise keine Studie. Nach der Leitlinie cu braucht man zur wirksamen Behandlung eine bestimmte Dosierung, die sich nach dem Körpergewicht bemißt. Wird sie unterschritten, dann sollte eigentlich auch keine Wirkung vorhanden sein.

Die Hürde liegt also ziemlich hoch, will man sich von der Medikation auch mal wieder verabschieden. Bei jeder Entscheidung zum Absetzen auf anderer Grundlage wird sich wohl das Risiko für einen Rückschlag, für ein Rezidiv, erhöhen.

Es erscheint mir gar nicht leicht, eine Medikation unter diesen Aspekten anzufangen, aber auch zu beenden.

Bei cu und der Basismedikation mit Mesalazin ist es etwas anders, denn Mesalazin soll zusätzlich zur Remissionserhaltung der Darmkrebsprophylaxe (das Risiko soll allein schon durch die cu erhöht sein) dienen und daher kann es auch dauerhaft eingenommen werden. Nach Leitlinie zur cu mindestens 2 Jahre. Liegt sicher auch an dem relativ geringen Nebenwirkungsrisiko. Bei mc im Colon gibt es diese Empfehlung nicht. Es gibt dazu keine Studien, die einen der Punkte bestätigen. Trotzdem gibt es positive Erfahrungen bei Betroffenen und ihren Ärzten.

Ganz anders sieht es aus, wenn Symptom- und Beschwerdefreiheit unter Cortison erreicht wird. Cortison ist nie zur dauerhaften Anwendung geeignet durch die bekannten Nebenwirkungen. Es ist ein Akutmedikament für Schübe unterschiedlicher Stärke, wo das Entzündungsgeschehen schnell unter Kontrolle gebracht werden muß oder soll.

Cortison gehört also nicht in die Stufenbehandlung der CED, muß in der Einnahmedauer möglichst kurz bemessen sein und so schnell es geht ausgeschlichen werden. Eine Remission unter Cortison gibt es nicht. Die wird man erst konstatieren können, wenn die Remission ohne Cortison auf Dauer (nicht Tage sondern Monate) aufrecht erhalten wird.

LG Neptun

Tiffy
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von Tiffy »

Lieber Neptun
Du schreibst von Cortison nicht als Dauertherapie,meinst du da auch das Budesonid mit ?

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neptun
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von neptun »

Hallo Tiffy,

auch das Budesonid ist gemeint. Nach Fachinfo ist die max. Einnahmedauer auf 8 Wochen festgelegt.
Sicher weiß ich, es gibt auch Leute, die nehmen es 2 Jahre. Und das wurde auch von Ärzten dann natürlich so verschrieben.

Und die Betroffenen mit mikroskopischer Colitis haben zur Zeit wenig an Alternativen.
Trotzdem gibt es aber auch bei diesem Formenkreis Betroffene, die nach einer bestimmten Behandlungsdauer dann für längere Zeit in Remission sind.
Zumindest sollte man auch dort sehen, die Medikation auf die geringst mögliche Dosis zu reduzieren, wozu Cortiment (9mg) nicht so gut geeignet ist. Ich weiß auch nicht, warum es nicht wie beim Entocort und Budenofalk mit 3mg-Dosen gemacht wird.

Auch wenn Budesonid topisch wirkt, bei ersten Durchgang durch die Leber zu 90 % verstoffwechselt wird und eben auch max. bis 9 mg gegeben wird, so gibt es doch Betroffene, die typische Cortisonnebenwirkungen bekommen haben. Ist eben alles individuell und wer eine Prädisposition für eine bestimmte Nebenwirkung hat, der bekommt diese dann leider auch.

Es wurde auch schon berichtet, jemandem wurden 18 mg Budesonid verordnet. Man sieht, fast alles ist möglich.

LG Neptun

Tiffy
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von Tiffy »

Danke dir für deine Antwort !
Ja bei uns gibt es nichts weiter anders und wie wir damit umgehen ,müssen wir meist selbst herausfinden. Es gibt einige die 18 mg nehmen .Ich habe das Glück das ich mit 3 mg 1x die Woche auskomme zu Zeit .Habe aber auch sehr sehr langsam runtergesetzt und die Kapseln auch geöffnet und mir immer in 1gr Schritten runter gerechnet !

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Mischkas
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Re: Sind TNF-alpha-Blocker eine Einbahnstrasse ?

Beitrag von Mischkas »

Hallo zusammen

danke Neptun für Deine ausführlichen Erklärungen und Anstösse zum Nachdenken.
An und für sich hast Du mir eine klare Antwort gegeben: jeder reagiert anderst auf die verschiedenen Therapien.
Indem ich eine unilaterale Frage gestellt habe kann von den Antworten gar keine realistisch Anwendung gemacht werden.
Wenn man ein Glücksspiel macht (Biologicals) wäre es halt schön im Voraus zu wissen dass es nur Gewinner gibt.

Deine Anmerkung :

" Was quasi vom Arzt nie kommuniziert wird,das ist die wesentliche Frage,wann setzt man ein Medikament auch mal wieder ab?"

sollte in jedem Wartezimmer angeprangert sein!!!

Ich stand vor einer Fistelspaltung wie mir Infliximab schmackhaft gemacht wurde.
Hätte ich Deine Anmerkung von dem Medikamenten absetzen in meinem Notizblock gehabt wäre meinerseits zumindest die Frage aufgekommen:

Sind bei MC die Fisteln schubbedingt oder können sie jederzeit auftreten?

Ich denke davon hängt es ja ab ob man überhaupt in "Remission" kommen kann oder ob man sich darauf einstellen sollte dass das Biological eine Dauermedikation wird.

Nun schön erlaube mir halt ein wenig paradox zu sein und wende mich an Leute die Biologicals abgesetzt haben und bei einem neuen Schub mit Medikamenten der 1. und 2. Stufe durchkamen und es uns schildern könnten,wäre halt ein Lichtblick und könnte die Sorgen die man sich von Biologicals macht lindern, würde echt gut tun vielen Dank im Voraus.

LG Mischkas
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