Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
Antworten
Leo
ist öfter hier
Beiträge: 37
Registriert: Mo 11. Jan 2016, 16:15

Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von Leo »

Hallo zusammen,

ich bin Ende 40 und nehme seit 15 Jahren nach einer Pancolitis 100 mg Aza sowie Pentasa Xtend-Granulat und bin mit der Medikation ganz gut gefahren. Zwei Auslassversuche, die dann mit Cortison endeten, haben mir gezeigt, dass es ohne nicht funktioniert. Ich hatte die Vorstellung, irgendwann auch ohne Aza auszukommen. Habe nun die leise Hoffnung, dass die Krankheit sich im Alter irgendwann zurückzieht... Man liest tlw. davon :-)

Kurze Einbrüche hatte ich während der 15 Jahre, die jedoch meist "hausgemacht" waren und aufgrund von Stress entstanden sind, dann auch kurzfristig wieder zurückgingen. Nun war so eine "hausgemachte" Runde im April, was auch der Calprotectin-Wert von 1000 zeigte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich von diesem Wert noch nie gehört. Es drehte sich bisher immer alles um den CRP. Eine Darmspiegelumg bestätigte eine geringe Entzündungsaktivität in der linken Flexur. Mein Facharzt ist Proktologe und Chirurg, bei dem ich mich bisher gut aufgehoben fühlte, der aber selber sagt, ab einem gewissen Ausmaß gibt er den Patienten ab, da er sich mit Biologicals etc. nicht austeichend auskennt. Er riet mir nun, 6 Wochen hochdosiert Cortison sowie Aza 150 mg zu nehmen. Dieses war für mich der Zeitpunkt, Ausschau nach anderer ärztlicher Betreuung zu halten, da mir höchstems eine Woche Cortison vorschwebte und keine Erhöhung des Aza. Mein Weg führte mich in eine immunologische Praxis, die überwiegend - wie ich im Arztgesptäch erfuhr - auf Biologicals setzt. Ich fühlte mich wie auf einer Pharma-Veranstaltung. Man wollte mich gleich mit entsprechenden Untersuchungen auf eine Einnahme von Biologicals vorbereiten, auch als ich mir noch Bedenkzeit erbeten hatte, um danach ggf. sofort zu beginnen. Der Grund des Arztes war, dass ja doch mal wieder Rückfälle unter Aza auftraten.

Ich ernährte mich wieder bewusster, nahm mich in vielen Tätigkeiten zurück, machte mehr Yoga und bin wieder zufrieden. Mein Calprotectin war nach vier Wochen wieder auf 200, Blut und Schleim verschwunden. Nun steht in 14 Tagen der nächste Termin in der immunologischen Praxis an und ich schwanke stark zwischen hingehen und altnewährtem Arzt. Viel habe ich in der Zeit gelesen, auch über Biologicals und bin nach wie vor sehr unsicher, ob ich nicht bei altbewährtem Aza bleibe. Hat Aza ausgedient? Der Vergleich der Nebenwirkungen, Wirksamkeit etc. hat mich hier noch nicht überzeugend den richtigen Weg finden lassen und auch Ärzte scheinen da sehr unterschiedlich in der Einstellung unterwegs zu sein. Wie dankbar bin ich in diesen Zeiten für die DCCV mit dem Forum. In den Zeiten, in denen es mir gut geht, muss ich gestehen, bin ich hier weniger umtriebig, lese sonst aber gerne eure Beiträge und hole mir Rat.

Vielen Dank fürs Lesen meines langen Beitrags und herzlichen Dank auch für eure Antworten zur Entscheidungsfindung.

Leo

Benutzeravatar
neptun
Inventar - wird täglich mit abgestaubt
Beiträge: 5522
Registriert: Do 20. Dez 2012, 19:58

Re: Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von neptun »

Hallo Leo,

Aza und 6-MP (Thiopurine) haben sicher nicht ausgedient.

Als Grundlage zur Wahl des Medikamentes zum Remissionserhalt wird Einfluß haben, was Ärzte preferieren und damit den Betroffenen in der Therapie "schmackhaft" gemacht haben.
Es richtet sich also wahrscheinlich nach dem, was man vorher genommen hat und was Gewohnheit wurde. Auch wenn Mesalazin eher das Mittel der Wahl sein sollte, wie man lesen kann.

Zumindest hat sich in den Empfehlungen nach der neuen Leitlinie cu nichts gegenüber der Altversion verändert.
Hier der Auszug:
"Bisher gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg für eine bessere Therapie als Aminosalicylate zum Remissionserhalt nach Ansprechen auf Steroide oder 5-Aminosalicylate267. Studien, die Aminosalicylate gegen Thiopurine oder Biologika im Remissionserhalt getestet haben, fehlen.
Aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils empfehlen wir daher den primären Einsatz von Aminosalicylaten in oben genannter Situation."

Dir ist aber sicher klar, Du allein triffst die Entscheidung, weil auch nur Du allein die Verantwortung für Dein Handeln hast und auch allein mit den (möglichen) Folgen zu leben hast. Ob es nun Nebenwirkungen sind durch die Dauertherapie, oder sich der Verlauf doch wieder verschlechtert, etc.

Niemand kann einem das abnehmen. ;)

LG Neptun

Leo
ist öfter hier
Beiträge: 37
Registriert: Mo 11. Jan 2016, 16:15

Re: Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von Leo »

Danke für deine Antwort, Neptun.

Auch wenn die Leitlinien Mesalazin zur Remission empfehlen, genügt dieses vielen sicher nicht. Ich denke, bei vielen ist doch nach und nach eine Steigerung der Medikation erforderlich. Eine leise Hoffnung habe ich ja, dass sich die CU im Alter "ausbrennt". Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es weniger ältere Patienten gibt als jüngere. Du hast doch schon viel im Forum gelesen. Gibt es das tatsächlich? ;)

Du hast natürlich Recht, dass jeder selbst mitverantwortlich ist für den Weg und die Medikation. Zum Glück! Doch keiner kann die Pros und Kontras besser einschätzen, als die Betroffenen mit ihren Erfahrungen. Daher finde ich die Hilfestellung durch das Forum kann schon richtungsweisend sein und Entscheidungsfindungen erleichtern.

Darf ich dich mal persönlich nach deiner Meinung fragen zu meiner Situation? Mein Kopf sagt eigentlich, dass ich schon recht zufrieden sein kann mit der Remission und auch kleine Zwischenfälle alle paar Jahre, die kurzzeitig wieder in den Griff zu bekommen sind, find ich hinnehmbar. Mich hat nur die Aussage des Arztes stutzig gemacht, dass ich ja in keine dauerhafte Remission komme. Was ich hier jedoch im Forum gelsen habe, geben diese Garaantie auch keine Biologicals. Und die Nebenwirkungen zueinander - Bioligicals / Aza - kann ich nicht abwägen.

Ganz lieben Fank für deine Zeit und die immer dankenswert angenommenen Antworten.

Herzlichen Gruß

Leo

Benutzeravatar
Mondkalb
könnte auch hier einziehen
Beiträge: 464
Registriert: Fr 21. Dez 2012, 20:32
Diagnose: CU

Re: Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Leo,

Ausschau nach einer anderen ärztlichen Betreuung ist nicht so verkehrt, an diesem Punkt bin ich derzeit ebenfalls angelangt.

Seit Oktober 2017 beobachte ich wieder ein Auf und Ab mit der Cu, bis Januar 2018 musste ich auf einen Termin für eine Koloskopie im Krankenhaus warten.

Der Befund war eine isolierte Proktitis, die Therapieempfehlung vom Arzt lautete Medikamente, wie derzeit beibehalten. (Aza 50 mg, Mesalazin 3 g oral, Salofalk Zäpfchen 1 g.)

Bis zu 12 Stuhlgänge am Tag Liesen mich bei meinem Hausarzt nach Budenofalk-Rektalschaum (28 Anwendungen) und nach einer AU-Bescheinigung verlangen, die Stuhlkonsistenz änderte sich rasch, jedoch die Stuhlhäufigkeit sank nur leicht auf bis zu acht Mal am Tag.

Habe mir nun einen Gastroenterologen in 40 km Entfernung gesucht, meine Patientenakte mitgenommen und die Untersuchung ergab nun, dass es wieder eine linksseitige Colitis ist.

Prednisolon 60 mg für zehn Tage, danach, alle sieben Tage wird um eine halbe Tablette reduziert.
Bin derzeit bei 30 mg angekommen und ich gehe nur noch ein bis drei Mal auf den Abort, ohne rennen zu müssen.
Die Zäpfchen wurden durch Salofalk-Rektalschaum ersetzt. (56 Anwendungen)

Der Gastro ist nicht abgeneigt mich von Azathioprin auf 6-Mercaptopurin umzustellen da evtl. verträglicher, wollte bisher niemand machen, den Ärzten, vor Ort, fehlte bisher damit die Erfahrung. :?: Durch erhöhte Leberwerte, war ich beim Azathioprin bisher eher niedrig dosiert vielleicht wird nun ein Schuh raus und es kehrt wieder länger Ruhe ein. Wie du schreibst, ist Mesalazin allein vielleicht nicht ausreichend wirksam.

Der Gastroenterologe meinte, ich wäre sehr gut informiert was ich dem DCCV und dem Forum verdanke und so teile ich mit dir die Dankbarkeit, der unermüdliche Einsatz, die Hilfe, die einem hier wiederfährt, ist nicht oft genug zu würdigen.

LG Mondkalb
“Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kommt man meistens woanders raus!”

Benutzeravatar
neptun
Inventar - wird täglich mit abgestaubt
Beiträge: 5522
Registriert: Do 20. Dez 2012, 19:58

Re: Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von neptun »

Hallo Leo,

Zum "Ausbrennen" im Alter kannst Du in diesem Thread mal lesen. Das Thema hatten wir vor kurzer Zeit.
https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=3&t=4391

Hier ist schon die Formulierung falsch, denn eigentlich ist ein milder Verlauf im Alter gemeint, meinetwegen auch die Remission in der verbleibenden Lebenszeit.

Wie man auch im Forum sieht, es melden sich hier auch ältere Betroffene, sogar Neubetroffene. Im Alter von 50 oder 60 Jahren und darüber. Sind sicher zahlenmäßig wenige. Mag aber auch daran liegen, daß diese Altersgruppen nicht mit dem Internet groß wurden. Und das Alter von 40-50 Jahren ist doch recht häufig hier vertreten. Die Entwicklung zeigt auch, es werden die Leute zum Diagnosezeitpunkt jünger und es werden mehr. Ich denke, der Erkrankungsgipfel, wohlgemerkt statistischer Art, der sinkt altersmäßig. Bei mc war er schon niedriger angesetzt als bei cu und nun sinken diese weiter. Das hat aber nun auch Gründe, die nicht in der CED selbst liegen müssen. Gründe sind sicher bessere Aufklärung und Ausbildung in der Ärzteschaft allgemein, wo bei Verdacht eben frühzeitig vom Hausarzt oder Internisten zu einem Facharzt überwiesen wird. Dann, daß es überhaupt Kindergastroenterologen gibt. Dann insgesamt auch deutlich mehr und besser ausgebildete Gastros. Dazu auch bessere diagnostische Verfahren, erweiterte Anforderungen an Gastropraxen mit Endoskopie, MRT-Sellink, Calprotectinwerte, etc. Somit werden heute Diagnosen frühzeitiger gestellt und vieles an Zahlen ist im Wandel.
Nicht zu vergessen, das Internet, in dem viele junge Leute und auch Eltern recherchieren und dann hier landen als erste Anlaufstelle. Nun sind eben auch Kinder damit vertraut.

Ich erinnere da nur an die Darmkrebswahrscheinlichkeit bei CED-Betroffenen, die Jahrzehnte besonders bei cu für hoch erklärt wurde und die nun langsam abschmilzt. Ich habe die alten Erkenntnisse schon seit Jahren vielfach angegriffen, denn sie haben und konnten nicht die neueren Entwicklungen dieses Jahrtausends berücksichtigen. Waren damit aber auch schon ewig lange überholt.
Auch hier wurde immer wieder in der Fachwelt abgeschrieben, aber dies, wie so vieles, müßte mal innerhalb der DCCV thematisiert werden. Nur stößt man da nicht auf Gegenliebe.

Ich finde Deine Überlegungen richtig. Komme mit meiner Ansicht aber auch aus der "Vergangenheit", denn meine Diagnose bekam ich 1979, und da gab es nun mal kaum Medikamente. Dazu hatte ich immer einen chronisch aktiven Verlauf.
Für meinen Geschmack hat man lange Zeit doch sehr auf Biologicals gesetzt, und dies aus verschiedenen Gründen, die leider nicht nur medizinischer Natur waren sondern auch durch wirtschaftliche Interessen gepusht wurden.
Ich bin auch nicht der Ansicht, daß viel immer viel hilft. Dazu habe ich im Forum schon viel zu viele Berichte gelesen und auch beantwortet

Wie ich schon oft schrieb, die CED sind chronisch rezidivierende Erkrankungen, also geprägt vom Wechsel zwischen Rezidiv und Remission. Somit gibt es auch Zeiten, in denen man eigentlich nur mit Mesalazin oder gar keinem Medikament auskommen sollte. Gibt auch genügend Beispiele dafür. Einschließlich meiner Person.

Sicher kannst Du beim Aza bleiben, wenn es anders nicht geht. Schließlich gibt es einige Berichte, wonach Betroffene auch deutlich mehr als 10 Jahre Aza konsumieren. Allerdings ist die empfohlene Dosierung nach Leitlinie 2,0-2,5 mg je kg Körpergewicht. Somit wäre die Empfehlung des Arztes wohl zu überdenken, wenn Du darunter liegst, denn es könnte ja auch die Restentzündung verschwinden.
Die jetzt nur in der linken Flexur liegt? Wäre nun für cu untypisch, denn die fängt im Rektum an, breitet sich von dort kontinuierlich aus. Hat auch im Rektum die stärkste Ausprägung.
Eine herdförmige Entzündung spricht für mc.

Immer im Hinterkopf sollte man behalten, die CED zwingen nicht zu lebenslanger Einnahme von Medikamenten, wie manch andere Erkrankung. Wobei auch dort häufig Dosisanpassungen an der Tagesordnung sind. Hier bedeutet es, Ziel sollte immer sein, auch mal wieder ohne Medikamente zu leben.

LG Neptun

Leo
ist öfter hier
Beiträge: 37
Registriert: Mo 11. Jan 2016, 16:15

Re: Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von Leo »

Neptun, Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort. Nun genieße ich erst mal entspannt den Urlaub weiter. :D

Leo
ist öfter hier
Beiträge: 37
Registriert: Mo 11. Jan 2016, 16:15

Re: Wann Wechsel von Aza zu Biologicals

Beitrag von Leo »

Um es kurz abzuschließen:

Komme gerade vom tournusmäßigen Besuch beim Gastroenterologen. Heute waren Biologicals überhaupt kein Thema mehr. Im Gegenteil, der Gesprächsverlauf ging in Richtung einen neuen Auslassversuch zu starten :) Never change a running System! Und solte das schiefgehen gibt es ja noch Klysmen, kurzzeitig Cortison etc. um Aza wieder hochzusetzen. Die weitere Aussage war, dass die Rückfälle "im Alter" seltener werden und weniger heftig. Na, darauf baue ich doch mal ;)

Also, nicht gleich ins Bockshorn jagen lassen, aufs eigene Bauchgefühl und die innere Stimme hören und auch ruhig kritisch unterwegs sein.

Danke für die Kommentare soweit, besonders an Neptun!

Herzlichen Gruß
Leo

Antworten