Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
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FrischerWind
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Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von FrischerWind »

Liebe CED-Patientinnen und -Patienten,

seit März 2017 ist es dank einer neuen Gesetzeslage für Ärztinnen und Ärzte möglich, Cannabis-Produkte (Blüten, Öle, Extrakte, etc.) auf einem Betäubungsmittel-Rezept zu verschreiben. Auf Antrag können die Kosten für eine Therapie mit medizinischem Cannabis auch von der Krankenkasse übernommen werden. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Komplementärmedizin/Alternativmedizin, sondern um eine grundsätzlich wissenschaftlich fundierte und noch weiter zu erforschende Behandlung. Auch für viele Betroffene einer CED sind cannabinoidhaltige Medikamente bereits eine wertvolle Therapieoption, wie an einer Vielzahl von Postings in diesem Forum immer wieder deutlich wurde und wird.

Aus diesem Grund kam der Wunsch auf, sich einmal gezielt und gesammelt über die persönlichen Erfahrungen in der Behandlung mit medizinischem Cannabis austauschen zu können. Dazu zählen beispielsweise die eigenen Erfahrungen zur Krankheitsentwicklung unter Cannabis, Erfahrungen bei der Suche nach einer für die Cannabis-Therapie aufgeschlossenen Ärztin bzw. einem aufgeschlossenen Arzt, Erfahrungen mit den verschiedenen verfügbaren Cannabis-Sorten in den Apotheken, Erfahrungen mit dem derzeitigen Versorgungsengpass mit medizinischem Cannabis in Apotheken oder auch zu den leider oftmals langwierigen Kostenübernahmeverfahren bei den Krankenkassen.

Los geht's!

Lynkas
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von Lynkas »

Hallo! Ich bin hier schon eine Weile angemeldet, habe bisher aber noch nichts geschrieben, da ich keine entzündliche Darmerkrankung habe, sondern eine schwere intestinale Motilitätsstörung. Da diese Form der Motilitätsstörung als selten gilt, wurde ich immer in Darmzentren behandelt, die "eigentlich" auf CED spezialisiert sind (eine CED wurde bei mir auch immer mal wieder vermutet, bzw. die Ärzte "hofften", dass da doch auch noch was "Einfacheres" und "Behandelbares" dabei wäre, war aber nicht so).
Warum ich mich jetzt hier in diesen Beitrag einklinke: ich habe sehr sehr starke Schmerzen, die bisher mit keinem Medikament in den Griff zu bekommen waren, leider auch nicht mit Neurofeedback, Biofeedback, progressiver Muskelentspannung oder autogenem Training.
Ich habe nun bei meinen zwei letzten Krankenhausaufenthalten (zwei verschiedene Kliniken) und bei zwei niedergelassenen Ärzten angesprochen, ob ich einen Versuch mit medizinischem Cannabis starten könnte. Da ich auch unter Übelkeit leide, könnte da vielleicht auch noch eine Verbesserung eintreten. Ich gelte als "austherapiert", kein Arzt hat jetzt noch eine Idee, ich "lebe" mit immer wiederkehrenden Pseudo Obstruktionen, einem teilweise dillatiertem Darm und Schmerzen, die ein normales Leben oder gar eine Berufstätigkeit unmöglich machen. Lange Rede, kurzer Sinn: sobald ich das Wort "Cannabis" ausspreche, bekommen die Ärzte einen glasigen Blick und "verstehen" plötzlich keine Deutsch mehr :lol: oder erzählten mir von den "vielen Drogenabhängigen" die sie in ihrer Berufslaufbahn schon gesehen hätten, von "Psychosen" die durch Cannabis ausgelöst werden, oder dem "hohen Suchtpotential" (besteht das bei Opioiden, die ich - würde ich sie vertragen - nehmen müsste, nicht, oder wie ;) )
Wie also könnte ich eine Arzt dazu bewegen, mich mal versuchsweise medizinisches Cannabis versuchen zu lassen? Vielleicht bringt es ja auch nichts, kann sein. Aber der nächste Schritt bei meine Erkrankung, der mir jetzt vorgeschlagen wurde, wäre jetzt der "Versuch" eines temporären Ileostomas, also die Ausschaltung des Dickdarms, um mal zu gucken, wie es mir damit geht :cry: Es wäre aber, laut Ärzte, oft auch von eher mäßigem Erfolg, wenn auch der Dünndarm betroffen ist.
Tja, also: wie argumentieren? Wie diese seltsame "Schwerhörigkeit" der Ärzte beim Thema medizinisches Cannabis durchbrechen?
Lynkas grüßt.

Lynkas
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von Lynkas »

Okay, auch hier nun das große Schweigen. Offenbar hat keiner Erfahrung in dieser Richtung? Dann scheint es ja zu stimmen, dass so gut wie niemand die Möglichkeit nutzt/braucht bzw. dass es wirklich nirgendwo "klappt" mit der Verordnung von medizinischem Cannabis. Ich kenne auch die Seite der "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin". Diese Informationen haben die Ärzte nicht interessiert bzw. wussten sie nichts davon, da dies "nicht ihr Bereich" sei. Nein, ich kann nicht nach Holland fahren und kann auch nicht mir "irgendwas besorgen". Damit habe ich gar keine Erfahrung, das will ich auch nicht. Oder bin ich zu naiv, und dieses "darüber muss man schweigen" hat irgendeine, mir nicht ergründliche, rechtliche Bedeutung? Muss man vielleicht eine "Schweigevereinbarung" unterschreiben, wenn man ein Cannabis Präparat verordnet bekommt :lol: ?
Lynkas grüßt.

ralfdelloco
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von ralfdelloco »

Hallo Lynkas
Ich möchte Dir kurz meine Erfahrung mit Cannabis berichten.
Es geht mir ähnlich wie Dir allerdings habe ich eine gesicherte Diagnose seit 1980 MC. 2 mal operiert und ich schlage mich so durch mit Gott sei Dank wenig Schmerzen.
Ich habe letztes Jahr dank eines Schmerztherapeuten Dronabinol Tropfen auf Privatrezept verschrieben bekommen und da ich privat versichert bin hat die Kasse es sogar bezahlt.
Ich habe das jetzt fast 6Monate genommen, bin noch nicht verblödet oder abhängig aber leider wirkt es bei mir kaum. Bestimmt ist die Krankheit schon zu lange vorhanden.
Aber bei Deinen Schmerzen :teste es einfach, zu verlieren gibt es kaum etwas.
Natürlich muss man so einen Therapeuten erst finden, aber es sind welche vorhanden auch in Deutschland.

Lynkas
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von Lynkas »

Danke für Deine Antwort.
ralfdelloco hat geschrieben: allerdings habe ich eine gesicherte Diagnose
Auch ich habe eine gesicherte Diagnose, noch dazu eine, bei der Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind. Ist also irgendwo unverständlich, warum ich bei den Ärzten auf Granit beiße. Ich bin leider nicht privat versichert, da sähe es - wenn ich Deine Erfahrung richtig deute - dann eventuell anders aus.
ralfdelloco hat geschrieben:teste es einfach, zu verlieren gibt es kaum etwas.

Es geht, wie gesagt, nicht darum, dass ich es nicht versuchen will. Aber alle Ärzte denken wohl, es wäre keine Option oder ich weiß nicht, was sie denken. Sie stellen einfach auf stur bei dem Thema.
ralfdelloco hat geschrieben:Natürlich muss man so einen Therapeuten erst finden, aber es sind welche vorhanden auch in Deutschland.
Dass es die geben soll, ist mir klar, aber wo sind sie, das ist ja meine Frage?
Lynkas grüßt.

FrischerWind
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von FrischerWind »

Liebe*r Lynkas,

ich befürchte, dass deine ersten Erfahrungen bei der Suche nach Ärztinnen oder Ärzten, die bereit sind mit Cannabis zu behandeln, nicht außerordentlich ungewöhnlich sind. So wie ich es bei anderen Patientinnen und Patienten mitbekommen habe, ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass man mehrere Ärzt*innen abklappern muss, bis man fündig wird. Manche werden auch vorrübergehend nicht fündig. Das ist eine sehr unbefriedigende Situation, da stimme ich dir zu. Es ist anzunehmen, dass sich das in Zukunft sukzessive verbessern wird, gerade auch wenn entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen von Ärztekammern angeboten werden.

Ich denke auch, dass du gute Chancen bezüglich eines Kostenerstattungsantrags bei der Krankenkasse haben könntest, da die Therapiemöglichkeiten ja ausgeschöpft erscheinen. Es könnte in einem solchen Antragsverfahren sein, dass ob des seltenen Krankheitsbilds und ob der mutmaßlich mangelhaften Studienlage die potenzielle Wirksamkeit von Cannabis in Zweifel gezogen wird. Da würde ich dann aber einfach dran bleiben. Manche erhalten die ihnen zustehende Zustimmung zur Kostenerstattung erst vor Gericht.

Zurück zur Suche nach einer*m Ärzt*in: Es gibt eine Mailingliste des Selbsthilfenetzwerks Cannabis als Medizin mit vielen Cannabis-Patientinnen und -Patienten. Du könntest noch dort deine Situation schildern und nach einer*m Ärzt*in in deiner Region fragen. http://www.cannabis-med.org/german/scm/subscribe.htm

Von wo kommst du denn ungefähr?

Lynkas
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von Lynkas »

Hallo! Danke für Deine Antwort.
Ja, du hast recht, es ist noch lange nicht die Regel, einen aufgeschlossenen Arzt inpunkto medizinisches Cannabis zu finden. Und Zeitung und TV suggerieren ja eher das Gegenteil, da wird es meinem Empfinden nach oft so dargestellt, als würden jetzt viele Schmerzpatienten Cannabis erhalten.
Meine Krankenkasse ist bezüglich Kostenübernahme etwas eigen, so will ich es mal nennen. Sie wollte zum Beispiel keines der drei Medikamente übernehmen, die ich zur Verbesserung meiner schweren Darmmotilitätsstörung nehmen sollte. Obwohl die Krankenhausärzte eine ausführliche Bitte um Kostenübernahme verfasst hatten. Ich habe die Medikamente selbst bezahlt. Aber da diese Medikamente sowieso nicht gut genug wirkten, war das Thema dann auch erledigt. Selbst das Kortison, das ich als Stoßtherapie nehmen soll, übernimmt die Kasse nicht (sagt zumindest der Arzt).
Vor Gericht gehen bezüglich einer Kostenerstattung, falls mal ein Arzt überhaupt eine Verordnung macht: ja, immer eine Option, ich weiß, aber das durchzustehen, dazu wäre ich gesundheitlich nicht in der Lage.
Nun ja, gerade gestern hat der Arzt in der Uniklinik, auf den ich Hoffnung gesetzt hatte, alle mündlich angesprochenen Behandlungs- und Untersuchungsangebote wieder revidiert, weil ihm das doch alles zu schwierig ist. Schmerzen kennt der irgendwie gar nicht :? und Kortison, wie gesagt, fällt ihm auch schwer, es zu verordnen (ich soll es bekommen wegen einer möglichen autoimmunen Komponente meiner Erkrankung), außer, er könnte jetzt im MRT doch eine Entzündung in meinem Darm finden. Danach wird alle paar Jahre bei mir gesucht, die Ärzte wollen immer so gerne eine Entzündung finden, und es wird keine Entzündung gefunden, dann wird wieder gar nichts behandelt :lol: Also war auch beim Uniklinikarzt das Thema Cannabis "nicht angebracht".
Ach so, ich bin aus Norddeutschland.
Lynkas grüßt.

Boms
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Re: Erfahrungen mit medizinischem Cannabis

Beitrag von Boms »

Moin,moin.
Scheinbar ist das Thema hier etwas eingeschlafen, daher versuche ich es mal wiederzubeleben.
Ich habe Morbus Crohn seit ca 40 Jahren. Abgesehen von den üblichen Folgen habe ich auch, so wie viele Andere mit MC auch, heftige Bauchkrämpfe/Schmerzen. Die übliche Medikamentenpalette wie Buscopan, Mesazalin( pentasa),Sulfonamide,Kortison und weiß der Teufel was noch alles, habe ich natürlich alle durch. Aktuell auch noch Entyvio als 2 wöchentliche Spritzen und vielen Nebenwirkungen. Aber gegen die Krämpfe und damit den gestörten Schlaf auch hilft das natürlich nicht. Schmerzmittel vertrage ich eigentlich so gut wie keine. Alle schlagen mir auf den Magen/Darm und sind Schubbeschleunigend.
Damit sind wir beim Thema. Vor ca 10 Jahren habe ich Cannabis für mich entdeckt.
Als Nichtraucher benutze ich die Pollen in einem professionellen Verdampfer. Ich fülle mir Kapseln für den Verdampfer mit 0,16gr fein zerkleinerten Pollen. Dies reicht ca für 2-3 Tage. Also ca 1,6gr pro Monat.
Ich benutze es einmal abends regelmäßig und/oder im akuten Schub und wenn ich schlafen möchte.
Ich finde es wirkt hervorragend. Der verkrampfte Bauch entspannt sich innerhalb sehr wenigen Minuten, der Schmerz läßt nach und als Nebenwirkung werde ich auch noch Müde. Dies empfinde ich positiv, da ich es sowieso nur in Kombination mit Schlafwunsch einnehme.

Ich gehe offen damit um, das ich Cannabis nehme und auch mein Gastroenterologe und viele andere Ärzte sehen das positiv. Ein Rezept verschreiben will der Gastroenterologe aber aus Angst vor Problemen mit der Ärztekammer nicht. Seiner Aussage nach ist es auch für Morbus Crohn nicht freigegeben, sondern im Wesentlichen für Krebserkrankungen. Auch wenn er weiß das es mir gut hilft. Privatrezept will er auch nicht machen. Dies muss ich so hinnehmen und ich will mich auch nicht darüber beschweren, sondern nur meine Erfahrungen mit dem Thema teilen.
Zahlreiche andere Ärzte wissen auch Bescheid, finden es gut, aber verschreiben es nicht aus den genannten Gründen oder weil es nur der eigene Gastroentereologe verschreiben sollte, oder (in der Kur), weil Sie mich nicht weiterbehandeln oder weil der schriftliche Aufwand zu groß ist, usw.
Letztendlich ist es mir aber egal. ich habe meine Lösung für mich gefunden und das lasse ich mir nicht nehmen.

Soweit meine Erfahrungen. Ich wünsche allen Erkrankten eine Schubfreie Zeit und vielleicht hilft dies ein bisschen bei der Überlegung zu THC.

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