Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
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-Benjamin-
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Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von -Benjamin- »

Hallo zusammen,

Ich lese hier schon länger mit aber das ist mein erster eigener Eintrag da ich zum ersten Mal nicht wirklich weiter weiß und mir vielleicht den einen oder anderen Denkanstoß von euch erhoffe :)

Zu meiner Person.. 34 Jahre alt und 2012 Diagnose CU Pankolitis, Behandlung mit Mesalazin bis ca. 2014, danach Budenofalk wegen Nebenwirkungen bei Mesalazin (Durchfall.. haha..) bis heute (zwischen 9mg/d und 6mg/d, wobei aktuell 6mg/d). Mir geht es saugut, ich habe ein Stuhtagebuch und daraus kann ich entnehmen, dass ich seit Jahren zwischen 1 und 3 Stuhlgänge habe die i.d.R. Auch noch wohlgeformt sind, naja okay.. Ausnahmen gibt es immer mal ;) In den letzten 4 Wochen Frequenz im Schnitt 1,5x pro Tag und an 26 von 28 Tagen perfekt in Form und Konsistenz.. ich habe keinerlei Schmerzen oder anderweitige Probleme, kann Sport machen und auf meiner eigenen Baustelle den ganzen Tag schuften..

Jetzt ist es so, dass bei den letzten beiden Stuhlproben die ich zusammen mit den Blutproben (alle Werte top) abgegeben habe (alle 3 Monate ca.) der Calprotectin - Wert zwischen 800 und 900 lag. Endoskopisch waren leichte Entzündungserscheinungen sichtbar, der Histologische Befund spricht jedoch von „moderatem Entzündungsgeschehen“. Nun ist mein Arzt der Meinung, dass die Therapie mit Budenofalk fehlgeschlagen ist und empfiehl mit dringen die Therapie auf Adalimumab umzustellen. Dank der ganzen Nebenwirkungen und der für mich eigentlich nicht akzeptablen Infektanfälligkeit halte ich das aber für einen wirklich zu extremen Eingriff in mein Leben dem ich „nicht einfach so“ zustimmen möchte. Tatsächlich habe ich große Angst davor, dass es mir mit Adalimumab schlechter gehen könnte als jetzt..

Was denkt ihr? Was kann passieren, wenn ich die Therapie mit Budenofalk einfach weiterführe? Kann ein leichtes bis moderates Entzündungsgeschehen schlimme Auswirkungen haben, selbst wenn es mir perfekt geht? Und.. geht es nicht eigentlich nur darum so lange wie möglich ein beschwerdefreies Leben zu führen?

Eine zweite Meinung möchte ich mir definitiv einholen, allerdings bekomme ich erst Anfang nächsten Jahres einen Termin hier an der Uniklinik (ich erhoffe mir hier einen möglichst offenen und modernen Umgang mit meiner Krankheit - es gibt eine eigene Abteilung für CEDs)…

Tjo.. danke euch schon mal für eure Gedanken…

Gruß

Benny

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neptun
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von neptun »

Hallo Benny,

Du wirst wahrscheinlich nur in der Anfangszeit eine Pancolitis gehabt haben.
Nach Deinem langjährigen guten Empfinden, dann wohl nicht mehr.

Wie Du sicher auch dem Beipackzettel entnehmen kannst, das Budenofalk wirkt im Bereich der Ileozökalklappe.
Warum nimmst Du es also jahrelang, wo die cu doch im Dickdarm beginnt und dort ihre stärkste Ausprägung hat?

So gut ist der topische Cortisonkonsum nun auch nicht.

Wenn also etwas rektal sein sollte, z.B. Blut am Stuhl, auch erhöhte Stuhlfrequenz, Stuhldrang, dann wäre doch eine rektale Behandlung angesagt gewesen, mit Zäpfchen, Schaum oder Klysma. Und auch orales Mesalazin, welches Dir anscheinend nicht bekam, es muß ja beim topischen direkten Gebrauch im Enddarm nicht gleichermaßen diese Nebenwirkung haben. Und ansonsten gab und gibt es doch auch cortisonhaltigen Schaum.

Wo wurde denn endoskopisch moderate Entzündung gesehen jetzt und wie ausgedehnt war sie?

Sicher steht das Befinden der Betroffenen im Vordergrund aller Entscheidungen.
Es mag wirklich sein, daß ein Biological für den jetzigen Zustand eine Übertherapie darstellt.

Schreib mal etwas zum Befund der Kolo.

LG Neptun

-Benjamin-
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von -Benjamin- »

Hallo Neptun,

Vielen Dank, dass du dich so schnell zu einer Antwort hast hinreißen lassen :)

Zunächst deine Frage

- Warum nehme ich es, wo doch die Entzündung von „unten“ beginnt? Ganz einfach, es war die Empfehlung/Anweisung des Arztes (erfahrener CED Mediziner). Ich habe es nicht in Frage gestellt, da es mir ja immer top ging (geht). Zu den Empfehlungen muss ich sagen, dass sie logisch klingen.. vielleicht ist die angepeilte 2. Meinung ja ohnehin ein gute Idee und die Behandlung kann „smarter“ fortgeführt werden.. Ich bin mit dem Arzt jedenfalls nicht „verheiratet“.

Auch würde ich Mesalazin oder andere Präperate dieser Gruppe gerne wieder versuchen - Nebenwirkungen bilden sich ggf. ja auch zurück, oder?

Ich tippe die relevanten Stellen des Befundes gerne mal ab:

Spiegelung bis terminales Ileum, die Schleimhaut ist regelrecht. Im eingesehenen Bereich fleckig-gerötete, ödematöse Sschleimhautareale mit unscharfer Gefäßzeichnung, allerdings keine Hämorrhagien, keine Ulcerationen, keine Pseudopolypen. Eine schwerwiegende entzündliche Aktivität liegt endoskopisch nicht vor. Zökapol mit Klappe, colon ascendens, rechte Flexur, colon transversum, linke Flexur, colon descendens und Sigma mit unauffäligem Befund. Bei inversion etwas prominent wirkende Hämorrhoiden. Ausschluß therapiewürdiger Hämorrhoiden, glatte, nicht entzündliche veränderte Schleimhaut.

Histologischer Befund, also Proben, sagen aber dass wohl entzündliche Prozesse im Gange sind - den Befund bekomme ich aber erst morgen und berichte gerne nochmal..

So.. gute Nacht! ;)

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neptun
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von neptun »

Hallo Benny,

klingt nach dem Befund, als ob nur im Rektum fleckig-gerötete Schleimhaut gesehen wurde, denn der weitere Darm war anscheinend ohne Befund. Dazu gab es keine Striktur und auch sonst scheint die Entzündung gering.
Außerdem hast Du kaum Symptome und Beschwerden.
Da verweise ich noch mal auf diesen Satz aus der Leitlinie:
"Die Therapie der refraktären Proktitis kann eine erhebliche klinische Herausforderung darstellen, weil systemische Therapieformen oder eine Operation unter Umständen, auch unter Abwägung von Risiken und therapeutischem Nutzen, eine Übertherapie darstellen können."

Bei Dir wäre immerhin noch die Möglichkeit der rektalen Behandlung.
Deinen Befund kann man wohl als gering einschätzen, womit er durch diesen Satz kaum erfaßt wird dem Grunde nach.
Ein Biological wird wohl eine Übertherapie darstellen, wie ich schrieb.

LG Neptun

-Benjamin-
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von -Benjamin- »

Danke für deine Einschätzung - noch ein Update zu den genommenen Proben:

Diagnose ist 1. bis 7. Probe Ileum bzw. Dickdarmschleimhaut mit einer rechtsbetonten gering bis mäßig aktiven CU. Colitis mit insgesamt geringgradiger Backwash-Ileitis.

1. Probe = Schnittstufen zeigen Schleimhaut mit weitgehend regelhaftem Zottenrelief sowie vereinzelt intramuskulöser Lymphfollikel mit teils aktivierten Keimzentren.

2. - 7. Probe = Überwiegend rechtsbetont gering hyperplastische bzw. Pseudopolypöse Schleimhaut mit Zeichen einer gesteigerten Epithelregeneration sowie einem fokal akzenturierten gemischtzelligen entzündlichen Zellinfiltrat. Keine Kryptenabszesse, keine Granulome.

Wenn du mir hier noch einen Erfahrungswert hättest wäre ich dir sehr dankbar (bin ich aber ohnehin schon :) )

Grüße und schönes WE!

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neptun
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von neptun »

Hallo Benny,

ist schon etwas merkwürdig.
Der koloskopierende Arzt erwähnt fast alle Bereiche, außer dem terminalen Ileum und dem Rektum. Und nirgends sah er irgendwelche Veränderungen in der Schleimhaut. So nahm ich an, die beschriebenen Schleimhautläsionen hätte er im Rektum gesehen. Was man bei cu auch erwarten würde.

Dem scheint aber gar nicht so zu sein. Im Gegenteil. Läsionen und die "geringe hyperplastische bzw. pseudopolypöse Schleimhaut" gab es nach den Befunden der Biopsien anscheinend besonders rechtsseitig.

Die Erwähnung von Kryptenabszessen, typischerweise bei cu, aber auch bei mc möglich, und der Granulome, wären ein eindeutiger Hinweis auf mc, die sollen wohl Hinweise sein.
Wie auch Malignität immer ausgeschlossen wird.

Meine Meinung, meine Erfahrung, es klingt eher nach mc und nicht nach Back-wash-Ileitis, die definitionsgemäß eine cu wäre.
Mal wieder ein Fall, wo sich der Gastro eher am damaligen Befund der Pancolitis als cu orientiert, statt die neuen Hinweise jetzt wirklich zu bewerten.
Bei Pancolitis ist es sicher schwerer und erfordert mehr Erfahrung, dann eine gesicherte Zuordnung nach cu oder mc zu treffen. Somit gibt es eben auch häufiger den Wechsel in der Diagnose von cu nach mc. Als Einbahnstraße und mit ca. 10 % auch seit Jahren in der Leitlinie cu erwähnt.

Zumindest das Budenofalk war unter diesen Voraussetzungen nicht falsch medikamentiert.

LG Neptun

-Benjamin-
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von -Benjamin- »

Hallo zusammen und vor allem auch hallo lieber Neptun,

Es ist nun schon einige Zeit her und ich möchte euch gerne an meinen Erfahrungen teilhaben lassen, vielleicht kann ich damit ja dem einen oder der anderen damit helfen.

Der letzte Stand war, dass mit vom Gastro Adalimumab ans Herz gelegt wurde da ich mittlerweile schon ca. 7-8 Jahre mit Budenofalk (6 - 9 mg/d) behandelt wurde. In diesen 7-8 Jahren fühlte ich mich vollständig gesund, was natürlich eine Illusion ist - aber gut für meine Psyche war.

Wie geschildert hatten sich dann aber zuletzt bei Budesonid erhöhter Blutdruck und chronische Kopfschmerzen eingestellt. Beide Themen sind mittlerweile erledigt, jedoch haben mich vor allem die Kopfschmerzen (1 Jahr - bis ca. 3 Monate nach weitgehendem absetzen von Budenofalk) an den Rand des Wahnsinns getrieben (Hirntumor? -> MRT / MS? -> EEG // beiden negativ.. aber was ist es dann?). Heute war ich bei einer Knochendichtemessung, welche mir trotz der langfristigen Behandlung im Bereich der Wirbelsäule deutlich überdurchschnittliche Festigkeit und im Bereich des Beckens unterdurchschnittliche aber sich noch im Normalbereich befindliche Festigkeit bescheinigt. Glück gehabt (und all die Jahre extrem viel Sport gemacht, war vermutlich die Rettung).

Wichtig an der Stelle ist, dass weder mein Gastro noch mein Hausarzt auf die Notwendigkeit einer Osterporoseprophylaxe hingewiesen hatten - vor allem meinem (ex) Gastro nehme ich das massiv übel. Natürlich kann man jetzt argumentieren „selbst schuld“, aber ich habe vertraut - oder war dumm. Nun, der Kluge lernt aus den Fehlern der anderen, weshalb ich diese Zeilen schreibe!

Ich befinde mich mittlerweile in Behandlung im Klinikum rechts der Isar (München), dort gibt es eine CED - Spezialambulanz und die Behandlung (v.a. Die Betreuung) findet dort auf einem ganz anderen Niveau statt. Ich kann euch wirklich nur empfehlen derartig spezialisierte Angebote zu nutzen, falls ihr es nicht schon macht.

Wie geht es nun weiter? Ich werde am Freitag meine erste Infusion Entyvio erhalten und habe bedeutend mehr Vertrauen in meine neuen Partner (Ärzte) als den den alten „Partner“…

Ich wünsche euch einen schönen Abend!

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neptun
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Re: Cu / Adalimumab angeraten aber keine Krankheitssymptome

Beitrag von neptun »

Hallo Benny,

herzlichen Dank für Deinen Bericht.

Mit der weiteren Behandlung wünsche ich guten Erfolg. :)

LG Neptun

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