Zum Erfahrungsbericht von Carola Engler im Bauchredner 3/2020

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neptun
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Zum Erfahrungsbericht von Carola Engler im Bauchredner 3/2020

Beitrag von neptun »

Zum Erfahrungsbericht von Carola Engler, Rechtsanwältin, Vorstandsmitglied der DCCV, im Bauchredner Sozialrecht „Wissen für CED-Betroffene“, 3/2020.

Da schreibt eine Betroffene, sie wäre im Gerichtsverfahren zur Anerkennung eines GdB vom Gutachter unverblümt gefragt worden, warum sie einen GdB beantrage.

Sie „fühlte sich in die Enge getrieben und in eine Rechtfertigungsrolle gedrängt“.

Ist es denn nicht eigentlich eine Eingangsvoraussetzung, sich darüber Gedanken zu machen, warum man einen GdB beantragt, vielleicht sogar einen Schwerbehindertenstatus anstrebt?

Sollte man sich nicht vorab intensiv mit den Gründen auseinander setzen, was einem der GdB bringen kann, warum er vielleicht sogar dringend notwendig ist?

Oder ob es auch Nachteile geben kann?

Wer nur mal einen Versuchsballon startet und das Verfahren nicht zu Ende führen möchte bei Ablehnung, den wird sicher auch weder die Tragweite noch das eigene Engagement mit der nervlichen Belastung interessieren.

Wie oft haben Thilo und ich im Forum schon dazu geschrieben, man solle sich vorab Gedanken machen, welche Vor- aber auch Nachteile solch GdB 50 bringen kann, ob nicht falsche Erwartungen mit der Antragstellung verknüpft sind.

Diese Betroffene entschied sich eines Tages, den Antrag auf Feststellung des GdB zu stellen.

Warum? Um Recht zu bekommen.

Welch trauriger Grund.

Und dann diese Aussage: „Erst bei Überschreiten der magischen Grenze von 50 % verläßt man das Tal der Benachteiligten und steigt auf in den Olymp der Glückseligkeit“.

Kennt diese Betroffene nicht andere Betroffene mit schwerem Verlauf, denen mit der Bewilligung eines Schwerbehindertenstatus plötzlich bewußt wurde, daß sie nun amtlich und dokumentiert einer besonderen Gruppe von Menschen angehören, mit körperlichen Makeln eingeschränkt, abseits von normalgesunden Menschen, eben schwerbehindert?

Da gab es dann einen psychischen Knacks, wohl Ausdruck einer schwerwiegenden Betroffenheit.

Der Erfahrungsbericht hat dies nicht für mich dokumentiert.

Was sich dann auch im Resumee zeigt, Studium, zweites Studium, Ehe, Kind, Arbeit in Vollzeit, ein ganz normales Leben. Mit der Quintessenz, „was brauchen Betroffene wirklich“.

Diese Frage hätte zumindest eine Beantwortung finden sollen.

Ich möchte hier einen Auszug aus meinem „Erfahrungsbericht zum Antrag auf Schwerbehinderung (GdB)“ aus dem Jahr 2005 hinten anstellen. Mein Verfahren dauerte 4 Jahre und wurde vor dem LSG entschieden.

Der gesamte Text ist im Forum zu finden unter:

https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=1 ... 039#p50039

Gründe zur Antragstellung

Ich habe im April 2001 beim Landesamt für soziale Dienste LAsD einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt. Zu dieser Zeit war ich 21 Jahre lang Sachverständiger im Umweltschutz. Folgende Gründe waren für mich ausschlaggebend. Durch die geschilderten Beschwerden wurde es für mich immer schwerer, selbst mit dem Auto zur Arbeit zu kommen. Bis 1998 hatte ich den öffentlichen Personennahverkehr ÖPNV benutzt. Ich hatte Probleme, meinen Außendienst mit Ortsbesichtigungen Besprechungen, Messungen, Behördenterminen wahrzunehmen. Meine Arbeitsleistung sank, da ich versuchte, mich diesen Terminen zu entziehen und die Arbeiten auf meine Kollegen zu verschieben. Ich hatte nichts in der Hand, das meine Einschränkungen dokumentierte, das ich meinem Arbeitgeber bei Nachfragen als Begründung hätte liefern können, das mich in meiner Situation vor Forderungen des Arbeitgebers schützen konnte, denen ich nach meinem Empfinden nicht mehr hätte nachkommen können und die wahrscheinlich arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen hätten. Da hätte ich als anerkannter Schwerbehinderter einen anderen Status. Für mich war nicht der weitergehende Kündigungsschutz wichtig, da ich arbeitsvertraglich gut abgesichert war. Ich wollte eine Möglichkeit erhalten, bei Verständnis des Arbeitgebers, in den Bereichen eingeschränkter zu arbeiten, die mir zunehmend schwerer fielen. Außerdem wollte ich mir die Möglichkeit erhalten, bei dem ungewissen Krankheitsverlauf mit 60 Jahren in Rente gehen zu können.

Das behördliche Verfahren

Ich reichte den Antrag mit Formblättern und einem von mir verfaßten Beiblatt mit Angaben zu den Auswirkungen meiner cu im täglichen Leben und in allen Lebensbereichen ein.

Die Erfahrungen bestimmen, was und wann ich esse, was ich wann mache, was ich nicht mehr mache, wie ich mich speziell vorbereite, um etwas tun zu können, wie ich mich fortbewege, welches gemeinschaftliche und kulturelle Leben ich führen kann, wo ich mich aufhalte, welche Art Urlaub ich mache.

Warum nutzt die DCCV nicht die Beiträge des Forums mit den vielfältigen Beispielen, mit dem gesammelten Wissen?

LG Neptun

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Mondkalb
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Re: Zum Erfahrungsbericht von Carola Engler im Bauchredner 3/2020

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Neptun,

die Frage, warum ein GdB beantragt wird, sollte jeder für sich im Vorfeld geklärt haben - da gebe ich Dir Recht, wobei bei mir anfangs durch ärztliches Anraten der Antrag gestellt wurde, ohne das ich mir direkt darüber einen Kopf gemacht hätte.

Durch den Verlauf meiner Erkrankung und den durch die Nebenwirkungen der Medikamente verursachten Probleme habe ich wegen Zukunftsängsten 2015 mithilfe der DCCV vor dem Sozialgericht den GdB 50 mir zurück erstritten.
Der damalige Gutachter hat mir die Frage gestellt, was ich mit dem GdB bezwecke, welches Ziel ich damit verfolge, meine Beweggründe konnte ich sofort darlegen.

Am 17.02.2020 hatte ich erneut zur Ermittlung des GdB ein Gutachtertermin und es wurde dieselbe Frage, von einem anderen Gutachter an mich gerichtet. Von daher ist wohl zu vermerken, dass die Frage, warum sie einen GdB beantrage, nicht außergewöhnlich, sondern eher eine Standardfrage, hier von einer „Entgleisung“ des Gutachters zu sprechen erschließt sich mir nicht.

LG Mondkalb
“Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kommt man meistens woanders raus!”

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