Der Bauchredner zum Sozialrecht „ Wissen für CED-Betroffene“, 3/2020.

Schwerbehinderung, Rente, Kur etc. Austausch unter Betroffenen. Hier erfolgt keine Beratung durch den AK Sozialrecht!
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neptun
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Der Bauchredner zum Sozialrecht „ Wissen für CED-Betroffene“, 3/2020.

Beitrag von neptun »

Der Bauchredner zum Sozialrecht „ Wissen für CED-Betroffene“, 3/2020.

Da gibt es den Artikel des Andreas Engler, Rechtsanwalt, nicht betroffen, Sprecher des Arbeitskreises Sozialrecht (AKSR).

Geschildert werden das Antragsverfahren mit Widerspruch und Klage, einige Nachteilsausgleiche, die Voraussetzungen zur Anerkennung der Behinderung nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen in einer Tabelle und einige Beispiele von Urteilen aus den letzten Jahren. Wobei schon 2005 die wichtigste Entscheidung stand, die aufgeführten Begutachtungskriterien sind nicht abschließend zu verstehen und sie gelten nicht kumuliert!

Dazu, eigentlich gar nicht erklärlich, die möglichen Merkzeichen wegen Bewegungsfähigkeit, Blindheit, Gehörlosigkeit, etc.

Dabei soll dies ein Beitrag für CED-Betroffene sein.

Alles leicht im Internet zu finden, wie auch auf der Seite des AKSR der DCCV.

Dann gibt es den Erfahrungsbericht von Carola Engler, Rechtsanwältin, Vorstandsmitglied der DCCV, zur Antragstellung eines GdB, der peinlich berührt. Mehr aber auch nicht aufzeigt.

Es gibt keinen Bericht zur Erwerbsminderungsrente, die doch das wichtigste Gebiet für schwer CED-Betroffene darstellt, weil es da um die finanzielle und wirtschaftliche Existenz geht.

Nichts Substantielles ist enthalten, was Betroffene in ihren Verfahren verwerten und vorbringen können, was ihnen die Antragstellung erleichtert und das Verfahren im Sinne der Betroffenen zu einem positiven Abschluß bringen kann.

Es fehlen Informationen über die Verfahren selbst sowie die Praxis.

Antragsteller sollten vorab wissen, was es an Vor- oder auch Nachteilen geben kann.

Es sollte der Grund klar sein, warum man eine Anerkennung mit einem GdB30 oder GdB50 und aufwärts anstrebt.

Was motiviert Antragsteller also? Handelt es sich um die Erlangung von Nachteilsausgleichen? Gibt es sogar existentielle Gründe?

Da gibt es unter den Antragstellern viel Unkenntnis und auch falsche Hoffnung.

Nimmt man das tägliche Leben außerhalb der Arbeitsstelle, dann sind es wenige Nachteilsausgleiche, die kaum der Mühe wert sind. Einzig ein Steuerfreibetrag ab GdB50 ist ein kleiner finanzieller Anreiz. Ab GdB60 dann eventuell auch noch der Orangene Parkausweis, den man dann beantragen kann.

Im Arbeitsleben gibt es mehrere Gründe zur Antragstellung.

Ein besonderer Kündigungsschutz, der auch bei Gleichstellung ab GdB30 wirksam ist, aber in der Praxis selten einen wirklichen Schutz darstellt, wie die Erfahrung lehrt.

Ab GdB30 muß ein behindertengerechter Arbeitsplatz eingerichtet werden bei Bedarf.

Dann gibt es ab GdB50 einen erhöhten Urlaubsanspruch, auch Mehrarbeit, Nachtarbeit, Wechselschicht, etc. können abgelehnt werden.

Liegen solche Voraussetzungen/Wünsche trotz starker Betroffenheit nicht vor, was motiviert zur Antragstellung, was ist ein Grund, der dieses Verfahren überhaupt rechtfertigt? Denn aus Erfahrung kann ich schreiben, es kann ein nervenaufreibendes Verfahren werden über Jahre, mit Verzögerungen durch die Behörde, mit Gutachterbesuchen, mit Gerichtsverfahren.

Eine existentielle Notwendigkeit wäre ein guter und wichtiger Grund.

Die würde zum Beispiel vorliegen, wenn Teile der normalen übertragenen Arbeit aufgrund der krankheitsbedingten Einschränkungen nicht mehr durchgeführt werden können. Oder wenn unter den gegebenen Arbeitsumständen langwährend auf Kosten der Gesundheit gearbeitet wurde. Denn dann muß ein triftiger Grund nachgewiesen werden, damit der Arbeitgeber nachvollziehbar diese Einschränkungen auch akzeptiert und eine Lösung mit Integrationsamt und Schwerbehindertenvertretung, sofern vorhanden, gefunden werden kann. Die einfache Behauptung, man kann nicht, die würde sonst wohl als Arbeitsverweigerung bewertet im schlechten Fall.

Was erwartet einen mit den Behörden, wie läuft eine Verhandlung vor Gericht ab, mit welchen Zeiträumen kann oder muß man rechnen je nach Verfahrensschritt, wie nervenaufreibend solch Verfahren durch das Verhalten, die Argumentation mit Fußfallen von Behörden und Gerichten werden kann, Schilderungen aus abgelaufenen Verfahren.

Dem Antrag sollte man auf einem Beiblatt die Auswirkungen/Einschränkungen der Erkrankung im täglichen Leben und in allen Lebensbereichen hinzufügen. Sie sind neben den ärztlichen Belegen Grundvoraussetzung der Antragstellung.

Beim Versorgungsamt geht es immer nur um die Schwere des Krankheitsverlaufes, wie man auch aus der Tabelle der Beurteilungskriterien ersehen kann. Nichts darin weist auf die Auswirkungen hin, die dadurch wahrscheinlich auch nicht hinreichend bewertet werden. Erst vor Gericht werden die Argumentationen zu den Auswirkungen relevant, entsprechend der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach dem Wortlaut des Sozialgesetzbuches.

Hier der Link zur Schilderung meiner „Auswirkungen meiner Linksseitencolitis“.

https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=15&t=8033

Verfahren zu den CED sind weder bei den Versorgungsämtern noch vor Gericht Routine, weil recht selten und speziell, weshalb der DCCV ein Netz von Rechtsanwälten mit eben diesen Kenntnissen aufbauen wollte.

Jeder, der einen Antrag auf Schwerbehinderung stellt, wird umgehend mit den Versorgungsmedizinischen Begutachtungskriterien konfrontiert. Wie gleich ersichtlich, es handelt sich um nur eine Tabelle für zwei Erkrankungen, die in ihrer Ausprägung, ihrem Verlauf, den Therapiemöglichkeiten und auch in ihren Auswirkungen ganz unterschiedlich sind. Zur Bewertung werden unbestimmte Beschwerden aufgeführt mit nicht definierter Häufigkeit, ebenso Durchfälle. Dann eine unbestimmte Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes sowie in schwerster Auswirkung auch Anämie.

Daraus ergibt sich, wie ich es auch in meinem Verfahren leider selbst erleben mußte, es ist äußerst wichtig, vorbeugend diesen Aspekt des reduzierten Kräfte- und Ernährungszustandes in der Begründung abzuhandeln, auch wenn man erst einmal meint, gar nicht davon betroffen zu sein.

Schließlich ist sehr vielen CED-Betroffenen die Erkrankung weder anzusehen, noch anzumerken bei kurzzeitigem Kontakt.

Aus der Leitlinie cu geht hervor, dass nur während eines fulminanten Schubes, der immer stationär behandelt wird, ein reduzierter Allgemeinzustand sowie Gewichtsabnahme zu den Symptomen gehören.

Dagegen ist ein reduzierter Kräfte- und Ernährungszustand bei mc leicht erklärbar durch das häufige Befallsmuster mit Dünndarmbeteiligung, mit noch wesentlich stärkerer Ausprägung beim reinen Dünndarmcrohn. Der Dünndarm bewirkt die eigentliche Verdauung sowie Energie- und Stoffaufnahme (Vitamine, Spurenstoffe). Bei cu ist dagegen die Ernährung im wesentlichen ohne Einfluß, weil der üblicherweise befallene Dickdarm nur Wasser und Salze resorbiert und nicht weiter zur Verdauung beiträgt. So kann man zwar ohne Dickdarm, aber nicht ohne Dünndarm leben. Jeder Internist wird das bestätigen.

Auffallend ist auch, es gibt weder in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen noch sonst wo einen Hinweis, was ein imperativer Stuhldrang für Betroffene in seinen Auswirkungen bedeutet. Die Durchfallhäufigkeit ist längst nicht alles.

Hier ein Link zu meinem Aufsatz zum „Imperativen Stuhldrang“.

https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=3 ... 661#p12661

In der Krankenakte beim Arzt sind in der Regel selten Einschränkungen notiert, manchmal die Stuhlhäufigkeit und auch Beschaffenheit. Wenig, was im Verfahren verwendet werden kann als Argument. Es liegt in der Natur der Sache, dort sind Befunde drin von medizinischen Untersuchungen und die Medikation.

Vor Gericht ist Glaubwürdigkeit wichtig. Im Gegensatz zu anderen Erkrankungen, die sich objektiv durch Apparatemedizin bewerten lassen, gelten diese Einschränkungen eher als subjektiv und vor allem als nicht oder nur wenig überprüfbar. Dafür braucht es Unterlagen. Will das Gericht Recht sprechen, so muß es eine nachvollziehbare Geschichte sein. Sie muß glaubhaft sein.

Je länger aber ein Verfahren dauert, je mehr Informationen in der Zeit zu Papier gebracht werden, teils auch wiederholt werden, je besser die Voraussetzungen. Denn für das Gericht ist wichtig, es muß die Schilderungen zu seiner Überzeugung machen, oder eben auch nicht.

Hier der Link zu meinem „Erfahrungsbericht zum Antrag auf Schwerbehinderung (GdB)“.

Das Verfahren dauerte 4 Jahre und ich gewann vor dem LSG.

https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=1 ... 039#p50039

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