Ablehnung Rente

Schwerbehinderung, Rente, Kur etc. Austausch unter Betroffenen. Hier erfolgt keine Beratung durch den AK Sozialrecht!
Benutzeravatar
neptun
Inventar - wird täglich mit abgestaubt
Beiträge: 5521
Registriert: Do 20. Dez 2012, 19:58

Re: Ablehnung Rente

Beitrag von neptun »

Hallo minimonster,

ich wollte darauf hinweisen, daß es zwar angemessen und hilfreich sein kann, eine gute Vorbereitung für solche Verfahren zu empfehlen, dies dann auch auszuführen, Gründe zu nennen, eigene Erlebnisse und Wissen einzubringen, aber ob jemand blauäugig ist, man Zweifel hat, Ungereimtheiten sieht, sich etwas nicht vorstellen kann, das sind Wertungen, die dem Betroffenen nicht weiter helfen.

Meine Geschichte steht nun lange und oft genug im Forum. Ich habe den GdB50 und die EM-Rente wegen des imperativen Stuhldrangs. Noch mal der Link dorthin:

http://www.dccv.de/crohn-colitis/leben- ... ungsrente/

Ob jemand anderes damit vor Gericht siegt, wer weiß es schon. Tatsache ist, der imperative Stuhldrang stellt ein absolutes Erwerbshindernis dar und da empfehle ich die Katalogfälle des Großen Senates des BSG von 1996 mal nachzulesen. Und er schränkt die Betroffenen täglich in allen Lebensbereichen ein, weshalb er auch zu einer Schwerbehinderung führen kann.

Nicht jede Annahme von Betroffenen zu einem imperativen Stuhldrang muß richtig sein in dem zeitlichen Umfang, der einem Betroffenen noch bleibt, wenn er Stuhldrang hat. Im Forum gab es da schon diverse Auslegungen. Und natürlich kann es auch eine zeitliche Begrenzung dieses Symptoms geben, wenn die Behandlung einer Entzündung dann erfolgreich war. Nur muß dies bei einem chronisch aktiven Verlauf nicht zutreffen und es gibt auch nicht nur den einen Grund für den imperativen Stuhldrang.

Auch bei der Erwerbsminderungsrente ist so ausschließlich nichts bewiesen, welche Leistungsfähigkeit ein Mensch noch hat. Wenn man sich mal die von Dieter67? verlinkten "Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung" zur "Leistungsfähigkeit bei chronisch entzündlicher Darmkrankheit (CED)" ansieht, es ist nach meiner Erinnerung schon die dritte Veröffentlichung seit 2005, dann sieht man, es gibt nicht die konkreten Direktiven, wie zu handeln und zu bewerten ist. Ich habe schon damals für die DCCV die erste Auflage zerpflückt, weil danach eine Begutachtung quasi nicht durchgeführt werden kann. Es ist nämlich äußerst schwierig, in vielen Fällen die Leistungsfähigkeit unter 3 Stunden anhand objektiver Kriterien einzustufen und noch schwerer wird es im Bereich von 3-6 Stunden für die halbe EM-Rente.

Bei den Verfahren geht es nicht darum, daß ein Betroffener etwas beweisen muß. Die Verfahren sind so angelegt, daß die Krankengeschichte, die Schilderungen zur Betroffenheit aufgenommen werden, dann aber durch einen (meist externen) Gutachter und die beratenden Ärzte der DRV (sind dort angestellte Ärzte) mit sozialmedizinischer Zusatzausbildung eine Bewertung aller Befunde und ihrer Einschätzungen vorgenommen wird.
Die können sich sehr deutlich dann von der Bewertung durch ein Gericht unterscheiden, denn auch hier gilt, es steht eher der Krankheitsverlauf im Fokus der Ärzte und das Gericht bewertet eher die Auswirkungen auf das Erwerbsleben. So stellen sich auch die wenigen Urteile dar.
Und ein Gericht muß sich aus allen vorgetragenen Details ein eigenes Bild machen, denn im Urteil sind sie nur dem verpflichtet, was sie dann zu ihrer Überzeugung gemacht haben.

Du würdest Dich wohl wundern, wie solche Gerichtsverfahren an einem Betroffenen glatt vorbei gehen, weil sich Anwälte, Ärzte und das Gericht über die vorliegenden Befunde und Einschätzungen unterhalten. Eigentlich sollte man denken, man hat das Verfahren initiiert und ist die Hauptperson. Wenn man sich aber nicht massiv hineindrängt und auf eigener Schilderung besteht, es ist die Frage, ob man überhaupt ein Wort sagen muß oder wird.

Noch etwas zum Arbeitsverhältnis. Es ist ein Vertrag. Der beruht auf Gleichseitigkeit. In der Realität gibt es die nun nicht, weil der Arbeitnehmer immer schwächer gestellt ist als der Arbeitgeber.
Aber der Vertrag verpflichtet nicht zur Auslieferung, nicht zur Leibeigenschaft. Wie fast immer im Leben, es ist ein Geben und Nehmen. Fordert der AG, beharrt, drangsaliert, so wird er vielleicht Dienst nach Vorschrift ernten. Möchte er Zusammenarbeit, zeigt Entgegenkommen, der AN wird öfter mal mehr leisten, länger arbeiten, etc.
Ausschließlichkeit, wie bestmögliche Leistung, die ohnehin nicht meßbar wäre, sich einer Bewertung entziehen würde, die führt nicht weiter.

LG Neptun

minimonster
Dauergast
Beiträge: 254
Registriert: Sa 29. Dez 2012, 20:11

Re: Ablehnung Rente

Beitrag von minimonster »

Hallo Neptun,

vielen Dank für Deine Antwort. Ich glaube, dass Du ohne Dein Engagement nicht berentet worden wärest - also falls Du Dich nur auf den Anwalt verlassen hättest. Du hast dem ja erst alle Argumente geliefert und er hat sie in den juristisch formalen Rahmen gepackt. Das ist keine Kritik! Ich denke mir nur, dass Du vor Gericht verloren hättest, wenn Du Deinem Anwalt alles selbst überlassen hättest.

Ich bin absoluter juristischer Laie und hätte nicht geglaubt, dass ein imperativer Stuhldrang für die Berentung reicht. Offensichtlich ist das aber so.

Ja, Du hast im Grunde schon recht...man geht von sich selbst aus. So könnte ich z. B. keinesfalls das bewältigen, wovon Karin berichtet...bzw. nicht mehr. Ich wollte nie in EMR! Alle Ärzte haben es mir immer wieder empfohlen. Irgendwann ging es nicht mehr...aber es geht auch Zuhause und in der Freizeit kaum was.

Nach langem Überlegen verstehe ich immer noch nicht, wie man Zuhause zwar doch einiges schafft, aber im Job dann nicht. Aber es kommt nicht darauf an, ob *ich* es verstehe.

LG von Minimonster

gelöschter Benutzer

Re: Ablehnung Rente

Beitrag von gelöschter Benutzer »

Nach langem Überlegen verstehe ich immer noch nicht, wie man Zuhause zwar doch einiges schafft, aber im Job dann nicht. Aber es kommt nicht darauf an, ob *ich* es verstehe.
Ich würde dazu sagen, dass EM Rentner nun nicht "auf dem Zahnfleisch kriechend" gar nichts mehr auf die Reihe bekommen können.
Sicher schaffen auch kranke Menschen noch einiges, weil eine "Restgesundheit" vorhanden ist.
Wenn aber Menschen auf Kosten der Restgesundheit arbeiten müssen, stimmt da was nicht.

Man "züchtet" sich im Eiltempo die Pflegefälle der Zukunft heran und schießt sich damit selbst ins Knie.
Dann besser halbe oder volle EM Rente... kommt die DRV sicher billiger.
Oder sehe ich da was falsch ?

Benutzeravatar
Karin
Dauergast
Beiträge: 143
Registriert: Sa 16. Feb 2013, 14:32

Re: Ablehnung Rente

Beitrag von Karin »

Hallo,

Es ist doch nicht so als ob ich hier den ganzen Tag ackere. Jerder von uns putzt sein Haus , kocht und macht die Wäsche. Das sind normale Arbeiten . Wenn ihr die nicht mehr macht dann braucht man ja fast eine Pflegestufe.

Viel mehr ist das morgendliche Füttern meiner Tiere auch nicht. Zumal ich mir die Arbeit in der Familie teile.
Im Frühjahr sind die Pferde z.B. 24 h draußen auf 8 ha Koppeln . Da hab ich nur etwas Garten und die Kaninchen. Das ist Entspannung und wenn ich ein Klo in der Nähe habe auch zu machen. Natürlich musste ich schon rennen und habs trotzdem nicht geschafft weils von Garten bis Haus zu weit war . Ich hab auch eine Sekundenvorwarnzeit.

Es geht auch darum, das ich mit Kindern arbeite, die mehrfach behindert sind. Nicht alleingelassen werden können. Mit denen ich spazieren gehen muss . Zu den Therapien begleite , heilpädagogische Einzelförderung mache und und und. Dazu muss ich auch 30 min mit dem Auto zur Arbeit fahren und kenn mittlerweile alle Waldstücke von innen.

Genau das ist mit dem imperativen Stuhldrang den Michael beschrieben hat, nicht denkbar. Und das kleine bisschen Restgesundheit schulde ich meinen Kindern.

LG Karin

Dqs ist der Auslöser für mein Rentenersuchen
Wir sind Frauen - die Stärke findet UNS

Benutzeravatar
neptun
Inventar - wird täglich mit abgestaubt
Beiträge: 5521
Registriert: Do 20. Dez 2012, 19:58

Re: Ablehnung Rente

Beitrag von neptun »

Hallo minimonster,

ich weiß aus Deinen Berichten heraus, daß Du sehr schwer betroffen bist. Und aus Deiner Warte heraus ist auch ganz klar, daß dann eventuell gar nichts mehr geht auf dem Arbeitsmarkt und zu Hause eben auch wenig.

So gibt es ja auch die Fälle, wo schon nach Aktenlage entschieden wird, weil die Befunde und damit die Einschränkungen offensichtlich und klar sind. Da gibt es dann nicht mehr die Frage, gehen noch mehr als 3 Stunden am Tag.

Ich wollte hauptsächlich aufzeigen, daß es aber auch andere Fälle gibt. Da ist es schwer mit der Bewertung, weil es keine rechten Maßstäbe gibt. Und diese Leitlinie ist eben nicht dazu geeignet, die Probleme zu lösen, weil sie dort gar nicht richtig beschrieben sind. Man bewegt sich im Bereich von Äußerlichkeiten und findet dann für fast jede Gelegenheit auch die passende Intervention, warum nun kein Anspruch auf eine volle oder halbe EM-Rente besteht.

Gerade davor stehen dann auch die Gutachter und die Richter. Ob es Verhandlungsgeschick ist, Tagesform des Gutachters, der Richter, man weiß es nicht. Die wenigsten Betroffenen werden intervenieren. Und ich gebe auch unumwunden zu, eine Einordnung von Erwerbsfähigkeit zwischen 3 und 6 Stunden, das möchte ich auch nicht fundiert begründet machen.
So habe ich auch eher die Idee aus einigen Forenbeiträgen, solche halbe EM-Rente wird meist dann bewilligt, wenn sie quasi auch vom Betroffenen so beantragt wurde. Wenn es dann noch einige medizinische Gründe gibt, dann wird dies abgesegnet.

Mein Weg ist sicher sehr selten. Einmal ziemlich unbekannt, auch für die Fachanwälte, dann voraussichtlich ziemlich lang durch die Abwehrversuche der DRV und die Gerichtsverfahren.
Meist haben die Betroffenen auch nicht die Nerven. Ich habe im Jahr der Entscheidung 2006 auch eines meiner schlechtesten vom Befinden her gehabt. Vor allem auch so dauerhaft, weil es eigentlich das ganze Jahr sehr schlecht war. Für mich ein weiteres Indiz, wie die negative psychische Belastung die cu bei mir moduliert.

Wenn dann andere Betroffene aufgeben, so kann ich das einerseits verstehen, andererseits frage ich mich aber auch, was kommt dann für die Leute, was ist die Alternative?
Wäre für mich undenkbar gewesen, dann wieder zur Arbeit zu fahren.
Aber mein Grund war auch der imperative Stuhldrang. Der wird sicher selten verfolgt, weil es eben doch noch meist etwas längere Vorwarnzeiten gibt, weil man mit Loperamid oder Essenskarenz etwas bewirken kann, oder weil der Zustand nur in der Zeit eines Schubes so stark vorhanden ist und dann ist diese absolute Notwendigkeit nicht so gegeben und im Vordergrund. Zum Beispiel auch dann, wenn die vorhandene Arbeitsstelle nah ist und schnell zu erreichen. Brauchst Du einen neuen Job dafür, muß mit längerer Anfahrt gerechnet werden und das wäre dann ein Grund zur positiven Entscheidung bei Gericht, wie ich später dann erfahren durfte. Es kommt eben immer auf den Einzelfall an. Leider fehlt der Abschluß meines Verfahrens im Netz, weil ich ihn bisher immer nur besonders interessierten Betroffenen zugeschickt hatte und nicht aufgearbeitet hatte zur Veröffentlichung.

Bei vielen anderen ist es die Summierung ihrer Krankheiten, Beschwerden, Auswirkungen.
Aber es scheint auch Leute zu geben, die dann gerade das tun, das Verfahren abbrechen, und auf "Kosten der Gesundheit" weiter arbeiten. Nicht umsonst ist dies ein Begriff, den man in der einschlägigen Literatur lesen kann.

Du hast es richtig erkannt, ich habe tief in die Materie einsteigen müssen und habe es auch getan. So gab es diesen einen Weg für mich. Das ist nun nicht jedermanns Sache. Ebenso nicht die Auftritte vor Gericht. Und da mußte ich auch lernen, wie der Hase läuft, was geht, was ich machen mußte.
Deshalb habe ich auch zu dem Prozedere geschrieben, damit andere Betroffene sich mal ein Bild machen können von dem tatsächlichen Ablauf des ganzen Verfahrens und speziell auch vor Gericht. Das kann man nämlich nirgendwo sonst nachlesen, wie es dazu auch keine Infos von der anwaltlichen Vertretung gibt. Für die ist es Tagesgeschäft. Die scheren sich nicht darum, daß man dort plötzlich überfahren wird.
Und dann kommt nach möglicherweise Jahren dann ein entscheidender Moment vor Gericht, bei mir als Lückenfüller auf eine halbe Stunde angesetzt. Da entscheidet sich dann die Zukunft, die materielle Existenz, die allein mit eine DRV-Rente ja auch nicht rosig aussieht. Bei mir dauerte die Verhandlung dann doch fast 1 1/2 Stunden. Also weit überzogen, aber es war meine längere Erklärung, wo mir der Vorsitzende Richter über fast 20 Minuten sehr aufmerksam zuhörte, ohne mich zu unterbrechen und eine deutlich längere Beratung des Gerichtes. Ich bin heute noch erfreut und habe Hochachtung vor diesem Richter, daß er das akzeptierte. Auch beim LSG zum GdB habe ich mit dem vorsitzenden Richter sehr gute Erfahrungen machen dürfen.

Da Du nun wohl meine Berichte kennst, ich bin schon lange betroffen und es entwickelte sich bei mir zur Erwerbsminderung nach Jahren. So leicht ist dann der Verlauf doch nicht und er war es auch später nicht. Gerade seit November sehe ich Licht zur Besserung. Seit Jahren. Ich habe lange darauf gehofft und gewartet.
Trotzdem kann ich körperlich viel leisten und geistig auch.

Und dann gibt es im Forum immer wieder auch das Problem, die Geschichten von Betroffenen entwickeln sich erst im Laufe von mehreren Beiträgen, von gezielten Nachfragen.
Ob nun etwas vergessen wurde, als zur Zeit nicht wesentlich angesehen wurde, gar nicht bedacht wurde, in den Auswirkungen für denjenigen zu ermessen war.
Man muß da immer wieder abwarten. Ich habe schon so oft meine Antworten dahingehend abgefaßt, daß ich dann etwas voraussetzte und daraus Schlüsse zog, Beispiele nannte, etc. Aus der Erfahrung vieler Beiträge im Forum kann ich so vorgehen. Und dann kommen erst nach und nach die wesentlichen Infos. Immer wieder lustig, wenn man dann ins Schwarze getroffen hat mit Annahmen, die man durch einige Umstände als Rückschluß ziehen konnte.
Es ist erstaunlich, daß zum Beispiel Schmerzen so beschrieben werden mit der Floskel, aber die kennt ihr ja alle. Das ist ein Irrtum und wenn man dann genau fragt nach Lage, Anlaß, Art des Schmerzes, stechend, dumpf, wohin ausstrahlend, einhergehend mit Übelkeit, harter Bauchdecke, tastbarer oder sichtbarer Walze, Geräuschen, gurgelnd, beim Stuhldrang, etc., dann merkt man, wie wenig sich viele Betroffene beobachten und wie sie erst nachdenken müssen, um etwas genau zu schildern. Dabei können das vielfältige Hinweise sein.

Nun ist es lang geworden, erklärt vielleicht aber doch noch einiges und ich hoffe, es interessiert Dich auch.

LG Neptun

minimonster
Dauergast
Beiträge: 254
Registriert: Sa 29. Dez 2012, 20:11

Re: Ablehnung Rente

Beitrag von minimonster »

Hallo Neptun,

vielen Dank für Deine Informationen. Es interessiert mich sogar sehr.

Ich habe sehr viel über diesem Thread gegrübelt. Teilweise kann ich einiges besser verstehen. Wenn ich allerdings lese, was die TE lt. ihren Beiträgen in anderen Threads noch alles zu leisten vermag, kann ich immer noch keine Berechtigung zum Bezug einer EMR erkennen.

Das ist aber, wie schon mal gesagt, nur meine nicht maßgebliche Meinung.

LG von Minimonster

Antworten