Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Erwerbsleben mit einer CED? Hier der Austausch von Betroffenen darüber. Hier erfolgt keine Beratung durch den AK Sozialrecht!
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Strohhut
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Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Beitrag von Strohhut »

Guten Abend.
Das hier wird etwas länger. Ich bitte um Entschuldigung dafür und danke jedem herzlich, der sich die Zeit nimmt!
Zu aller erst: Colitis Ulcerosa wurde bei mir im Alter von 14 festgestellt. Heute bin ich 23. Die Diagnose ist also 9 Jahre her. Um eine Feststellung eines Behindertengrades habe ich mich nie gekümmert. Therapie lief eigentlich auch immer gut.

Bevor ich mit 18 in die Ausbildung ging, hatte ich selten Schübe (etwa alle 1-2 Jahre). Was auch gut so ist, denn wie mein Arzt sagt, sind meine Symptome als "ziemlich schwer" einzustufen. Vor der Ausbildung machte ich viel Kraftsport und hatte viel Energie.

Ich startete damals in die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Und um es Vorweg zu nehmen: Ich bin generell ein Mensch, der nicht gut mit Stress umgehen kann. Mein Arzt hat mir solche Stressbewältigungskurse geraten. An 2 davon nahm ich teil, doch wirklich was gebracht haben sie mir nicht, so sehr ich mich auch darauf eingelassen habe. Aber jetzt weiter zur Ausbildung. Den Verkauf finde ich sowieso ätzend, was natürlich auch irgendwo Stress auslöst, sich dann dazu zu zwingen. Allein schon mich jeden Morgen aufrappeln zu müssen dort hin zu gehen, stresst mich (wenn auch nur leicht). Jeder der im Verkauf arbeitet / gearbeitet hat weiß auch, wie stressig es sein kann. Wenn Ware bis zu einer gewissen Uhrzeit verräumt sein MUSS und man sich hetzt, die Kasse mal wieder voller Kunden ist und man die Waren fast schon über das Kassenband werfen muss durch den hohen Kundenandrang. Das löst natürlich Stress aus. Und vorallem ich als sehr stressanfälliger Mensch bekomme das sofort bei der Colitis zu spüren.
Zum Vergleich: vor der Ausbildung etwa einen Schub pro 1-2 Jahre. Jetzt etwa vierteljährlich einen Schub.

5 Jahre bin ich nun im Verkauf. Von einem muskulösen, 86kg schweren Mann bin ich auf etwa 58kg runter (bei einer Körpergröße von 1,84m). Auch sonst habe ich absolut keine Kraft mehr. Diese Schübe alle 3 Monate die jedesmal so höllische Schmerzen verursachen, dass ich mich mit Schmerzmitteln nur so vollpumpen muss, rauben mir jede Kraft.

Naja nun wurde ich vor einem halben Jahr Corona bedingt entlassen. Ich bewerbe mich natürlich regelmäßig, bekomme aber richtig Angstzustände mit Schweißausbrüchen usw, wenn ich daran denke, wieder einen so stressigen Beruf ausüben zu müssen. Spätestens bei den Vorstellungsgesprächen wenn ich dort sitze und fast schon Panikattacken bekomme, merkt es mein Gegenüber. Und naja, die Jobchance ist dann futsch.

Ich habe versucht, mit der Arbeitsagentur darüber zu sprechen. Es ist meinem Sachbearbeiter vollkommen egal. Er deutet an, dass ich arbeitslos bleiben wollen würde. Ich möchte doch aber arbeiten. Aber ich schaffe es so nicht mehr. Nicht in einem so stressigen Beruf. Meine gesamte Gesundheit befindet sich durch diese Schübe, die durch diesen Stress herbeigerufen wurden im Keller. Mein Facharzt hat mir auch empfohlen, den Beruf zu wechseln. Er kennt mich seit 7 Jahren und sagt, dass er das als einen entscheidenden Punkt im Verlauf meiner Colitis sieht. Ich versuchte, mit der Arbeitsagentur zu sprechen. Bezüglich Beratungen zur Jobwahl. Wie gesagt, dort will sich keiner darum kümmern, denen fehlt wohl die Ahnung als auch die Zeit. Im Gegenteil, ich MUSS mich weiterhin im Verkauf bewerben (was ich auch mache, nur ohne Erfolg wie oben genannt). Ich habe wirklich große Angst davor.

Ich sehe keinen Ausweg derzeit. Ich fühle mich so missverstanden und verloren. Ich habe keine Ahnung, wer mir helfen kann oder will. Jeder an den ich mich wende, denkt ich würde nur nicht arbeiten wollen oder mich auf der Arbeit nicht bemühen wollen. Man nimmt mich nicht ernst. Ich habe das alles jetzt 5 Jahre durchgehalten und sehr sehr viele Schübe gehabt. 1x musste ich sogar ins KH, weil es so schlimm war. Ich schaffe es Mental nichtmehr. Ich habe lange gekämpft und es versucht, ich bin aber nurnoch ausgelaugt und schwach.

Gibt es irgendwelche Stellen, wohin ich mich wenden kann? Wo Menschen wirklich helfen was die Berufswahl angeht, bei Colitis Patienten die sich so leicht durch Stress beeinflussen lassen? Wo die Krankheit nicht runter gespielt wird?

Ich danke jedem von ganzem Herzen, der sich das alles durch gelesen hat!

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neptun
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Re: Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Beitrag von neptun »

Hallo Strohhut,

ich vermisse in Deinen Ausführungen, welche Interessen, Vorlieben, Neigungen Du hast, welche Ausbildung zu einem anderen Beruf Dir vorschweben würde?
Wenn der gewählte Beruf so vollkommen unerquicklich für Dich ist, wäre es nun ein anderer Lehrberuf, etwas handwerkliches oder eine Schreibtischarbeit? Ein Studium?

Du mußt Dich doch um eine andere Ausbildung kümmern, wer sonst?
Nach Deinen Worten klingt es so, als ob Dich jemand an die Hand nehmen soll, etwas für Dich an Arbeit aussucht und sie Dir verschafft.
Landest Du da nicht bei irgend einer Hilfstätigkeit?

Ich denke, Deine psychische Verfassung steht im Vordergrund und nicht die cu.

Deine cu erwähnst Du ohne nähere Angaben, so daß man sich über Deine tatsächlichen Auswirkungen kein Bild machen kann. Wenn der Einfluß so entscheidend ist, es müßte ein CED-versierter Gastro nach Anamnese und den medizinischen Befunden Deine Behandlung optimieren.
Und Deine Grundlage dazu sollte sein, Du bist sehr gut über die cu und ihre Behandlungsmöglichkeiten informiert, hast auch Vorstellungen dazu, denn Du entscheidest schließlich.

Wenn Deine Arbeitsfähigkeit gefährdet ist oder bereits aufgehoben ist, dann müßtest Du zusammen mit Deinem Arzt einen Rehaantrag stellen bei der Rentenversicherung DRV. Der Aufenthalt dort soll die Erwerbsfähigkeit wiederherstellen. Es kann als Schwerpunkt die CED genannt werden, aber auch die psychische Seite( Streßresistenz, Überforderung, Angstzustände).

LG Neptun

Strohhut
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Re: Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Beitrag von Strohhut »

Danke für deine Antwort, Neptun.
neptun hat geschrieben:
Mi 8. Sep 2021, 09:27
ich vermisse in Deinen Ausführungen, welche Interessen, Vorlieben, Neigungen Du hast, welche Ausbildung zu einem anderen Beruf Dir vorschweben würde?
Wenn der gewählte Beruf so vollkommen unerquicklich für Dich ist, wäre es nun ein anderer Lehrberuf, etwas handwerkliches oder eine Schreibtischarbeit? Ein Studium?

Du mußt Dich doch um eine andere Ausbildung kümmern, wer sonst?
Nach Deinen Worten klingt es so, als ob Dich jemand an die Hand nehmen soll, etwas für Dich an Arbeit aussucht und sie Dir verschafft.
Landest Du da nicht bei irgend einer Hilfstätigkeit?
Das Problem ist, dass ich selber keine großen Vorstellungen habe. Viele Jahre war ich mir sicher: Ich will zur Polizei! Hatte mich dann damals informiert bei der Polizei hier vor Ort. Leider werden CED-Patienten hier garnicht erst für den Polizeidienst in Betracht gezogen. Aber ist vielleicht besser so, wenn ich so stressanfällig bin.

Leider habe ich absolut keine Vorstellung, was nun so aus mir werden soll. Ich möchte aber absolut nicht die Verantwortung auf andere abwälzen. Es ging mir mehr um eine Beratung, wo man vielleicht mit mir zusammen daran arbeitet, etwas zu finden, was mit meinen Interessen aber auch mit meiner CU zu vereinbaren ist. Bei der Arbeitsagentur wie gesagt will sich aber niemand damit auseinandersetzen. Im Gegenteil, man möchte mich fast schon zwingen, wieder zurück in den Verkauf zu gehen. Verständlich, dass man jemanden der arbeitslos geworden ist schnellstmöglich wieder arbeiten sehen will. Würde mir halt nur wünschen, mich eventuell bei der Findung einer neuen beruflichen Richtung zu unterstützen, statt zu sagen, ich müsse mich jetzt im Verkauf bewerben sonst kein ALG 1. Das ist ja mein Problem, von dem ich rede. Ich weiß nicht, wohin mit mir. Ich hätte einfach gerne etwas Unterstützung was das angeht, statt Druck wieder in diesen stressigen Job zu müssen.

Weil das ist mein Problem. Wie gesagt bin ich generell eine Person, die sich schnell stressen lässt. Und ich habe oft das Gefühl, dass dieser Stress der Funke ist, der das Feuer entzündet. Nochmal der Vergleich: vor diesem Beruf 1 Schub pro 1-2 Jahre. Jetzt 4 Schübe pro Jahr ca.

Meine Schübe verlaufen auch sehr schwer. Ich hörte schon, dass sich bei vielen nur vereinzelte Stellen entzünden. Bei mir ist es meistens der komplette Enddarm. Also wirklich jeder einzelne Zentimeter ist entzündet. Das sind nicht nur höllische Schmerzen, bei denen ich oft schon nichtmehr stehen kann und mir durch den Schmerz schwindelig wird, sondern auch ein enormer Blutverlust. Ich musste bisher zum Glück nur 1x ins Krankenhaus und brauchte eine Bluttransfusion. Normalerweise habe ich "nur" einen Eisenmangel, weshalb ich zu Beginn des Schubes parallel zum Budenofalk Schaum auch Eisenkapseln nehme. Auch ist die Anzahl der Stuhlgänge ist wirklich störend. So 15-20 Mal am Tag sind es ca.

Trotzdem fühle ich mich absolut arbeitsfähig. Nur nicht in einem Beruf, wo mich schon allein der Gedanke an Diesen stresst. Stress gibts bestimmt in jedem Beruf ein wenig, sollte aber vorallem bei stressanfälligen Menschen geringer gehalten werden, wenn diese an CU leiden.

Ich habe in den 9 Jahren mit der CU für mich festgestellt, dass Stress eine der entscheidenden Rollen spielt, wenn es um einen Auslöser für Schübe geht. Ich weiß nicht, ob es bei anderen Patienten auch so schlimm ist, für mich ist es das aber. Ich rede natürlich nicht davon, dass ich ausnahmsweise Mal 1 Tag Stress habe und mich schonmal mit genug Toilettenpapier eindecken muss, weil ich morgen 20 Stuhlgänge haben werde. Jedoch merke ich, dass das Risiko für einen Schub ENORM ansteigt, wenn der Stress über mehrere Tage oder sogar Wochen andauert. Deshalb versuchte ich es ja mit Stressbewältigungskursen und Techniken dazu. Es hat aber wenn dann nur wenig geholfen.

Ich hätte einfach nur gerne eine Stelle, wo man sich hinwenden könnte und ernst genommen wird. Ich will nicht, dass sich jemand für mich um einen Job kümmert. Aber Beratungen von Personen, die sich eventuell auch auskennen, würden mir definitiv helfen, da ich absolut nicht weiß, was zu meinen Interessen passt aber gleichzeitig "schonend" meiner CU gegenüber wäre.

LG

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neptun
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Re: Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Beitrag von neptun »

Da kann ich Dir dann leider nicht weiter helfen.

Hoffentlich melden sich andere, die gerade vor oder auch am Anfang des Erwerbslebens stehen, und die Möglichkeiten kennen.
Ich bin schon lange darüber hinaus. ;)

LG Neptun

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Mondkalb
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Re: Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Strohhut,

ein ehemaliger Kollege, der an seinem gelernten Job keine Freude hatte, identisches Alter wie du, habe ich noch mal kontaktiert damit ich dir nichts falsches mitteile.

Seine Antwort ist diese gewesen:

Leider hat mich keiner unterstützt. Erst recht nicht das Arbeitsamt. Aber nur weil ich im alten Job noch vermittelbar war.
Ich hab einfach jemanden kennen gelernt der das gemacht hat.(Hier meint er das Angebot für eine zweite Chance /Ausbildung).

Er hat die Eigeninitiative ergriffen, erfolgreich abgeschlossen und heute zufrieden im Beruf.

Gedanken dazu machen , deine Interessen abwägen und in Verantwortung zu gehen um deine Zukunft zu gestalten obliegt somit allein dir wie es aussieht.

Vielleicht Hilft dir dies etwas um deinen Weg zu finden.
LG Mondkalb
“Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kommt man meistens woanders raus!”

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Savannah
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Re: Stress im Beruf mit Colitis Ulcerosa

Beitrag von Savannah »

Hallo Strohhut,

vielleicht würde es dir helfen, wenn du erstmal ein bisschen Bedenkzeit hast und diese auch sinnvoll nutzt. Beispielsweise dadurch, dass du dich weiterbildest und einen höheren Schulabschluss erwirbst (das mache ich im Moment, da auch ich nicht glücklich bin in meinem Beruf). Dies würde dir dann eine größere Vielfalt an Möglichkeiten bieten und du könntest dich komplett neu orientieren.
Klar ist sowas nicht gerade stressfrei, aber so wie ich das heraushöre verursacht auch die Arbeitslosigkeit und der daraus resultierende Druck extrem viel Stress bei dir.
Ich kenne auch das Gefühl, nur zu wissen, was man nicht will und nicht das, was man will. Bei mir persönlich liegt das Problem darin, dass ich zu hohe Ansprüche habe und deshalb bei jeder Art von Arbeit immer wieder denke, ich bin aus diesem oder jenen Grund nicht geeignet.

Sicherlich würden dir Praktika in verschiedenen Berufsfeldern auch helfen, deinem Berufswunsch näher zu kommen. Minijobs zur Überbrückung wären auch eine Möglichkeit, bei der man zudem eine Menge darüber lernt, was man auf keinen Fall auf Dauer tun möchte.
Vielleicht wäre ja auch ein Job bei der Polizei in der Verwaltung eine Option für dich. Wenn du davon überzeugt bist, dass dir eine Stelle gefallen könnte und du eine positive Einstellung dazu hast, weil du die Stelle tatsächlich willst, ist es auch sicher leichter, im Vorstellungsgespräch zu bestehen.

Ich denke es ist nicht sinnvoll, sich wieder von Neuem in eine Arbeit zu stürzen, bei der du schon von Vornherein ein schlechtes Gefühl hast. Deine neue Arbeitsstelle hätte überhaupt keine Chance, dir zu gefallen. Vor allem kommst du dann nicht mehr so schnell wieder raus und bist dann letztendlich physisch und psychsisch komplett am Ende, was niemandem helfen würde.

LG Sav

P.S. Bei mir läuft es interessanterweise genau anders herum. Seit ich nicht mehr in der Ausbildung bin, Massen an Überstunden aufbaue und immer öfter mit einer panischen Angst in die Arbeit gehe, ist merkwürdigerweise endlich mal Ruhe im Darm 8-)
Lass dir von der Vergangenheit nicht das Leben diktieren, aber lass sie dir für die Zukunft ein guter Ratgeber sein :)

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