Hallo Michael,
hier noch mal ein Versuch, Dir über Deine eindimensionale Sichtweise des Kranksein bei CED allein anhand der Anzahl Stuhlgänge zu helfen.
Meine Definition.
Was ist ein Schub bei cu?
Da die Betroffenen für sich einen Schub nur an den Symptomen und Beschwerden erkennen können, muß die Frage richtiger lauten, wie äußert sich ein Schub?
Der Schub ist entzündliches Geschehen im Darm.
Die CED sind chronisch rezidivierende Erkrankungen. Sie sind damit geprägt durch den Wechsel von Rezidiv zu Remission, also Zeiten mit Entzündungsaktivität zu entzündungsfreien Zeiten.
Mit einer CED ist man nicht chronisch krank, also dauerhaft. Man hat aber eine Erkrankung, die sich jederzeit mit einem Schub zeigen kann. Der kann in der Folge auch zum Kranksein, bei Berufstätigkeit zur Arbeitsunfähigkeit (AU) führen. Letztlich auch zur Erwerbsunfähigkeit.
Kann eine Entzündung mit Medikamenten nicht ausreichend im Sinne einer Symptom- und Beschwerdefreiheit behandelt werden, so mag man individuell trotzdem leistungsfähig im täglichen Leben und arbeitsfähig, berufstätig sein.
Ein Schub kann je nach Stärke und Behandlungsresistenz etliche Tage, Wochen, Monate andauern oder auch in einen chronisch aktiven Verlauf münden.
Charakteristisch ist eine aufkommende Entzündung. Es kann sich aber während eines chronisch aktiven Verlaufes auch um eine Verstärkung der Entzündung handeln.
Bei vielen Betroffenen ist der Schub ein einmaliges Ereignis.
Die Entzündung kann mit der Zeit stärker werden, sie kann sich plötzlich fulminant entwickeln, sie kann sich ausbreiten, sie kann auch gleich ausgedehnt über den gesamten Dickdarm entstehen. Sie kann sich aber auch einfach zurück bilden. Eine einmal vorhandene Ausdehnung und Intensität der Entzündung kann beim nächsten Schub lange nicht erreicht werden.
Es kann zu wiederholten Schüben kommen.
Niemand kennt seinen Verlauf. Der kann jede denkbare Form annehmen, wie man aus der Praxis weiß.
Es gibt die leichten Schübe, wo Betroffene allein mit Mesalazin oral, rektal wieder in die Remission kommen. Da braucht die Entzündung nicht ausgeprägt sein, kann nur eine leichte Rötung sein, also nicht dieses typische Erscheinungsbild der geschwürigen Darmschleimhaut haben und trotzdem spricht man da von einem Schub.
Leichte Schübe sind meist auf das Rektum von 16 cm Länge begrenzt, als Proktitis dann häufig auch auf nur 5 cm. Blut am Stuhl gehört regelhaft zur cu. Die Entzündung führt zu häufigeren Stuhlgängen, die in diesem Stadium meist geformt sind.
Einige Betroffene sprechen bereits von Schub, wenn sie Durchfall bekommen, oder auch mal für einige Tage öfter auf die Toilette müssen.
Werden Durchfälle, meist weicher Stuhl, beklagt, vielleicht auch eine leicht erhöhte Stuhlfrequenz, so sollten diese schon einige Tage anhalten, damit klar ist, es handelt sich nicht nur um eine Unverträglichkeit oder Befindlichkeitsstörung oder einen Darmkeim, wobei dann meist auch plötzlich wässrige Durchfälle auftreten.
Entzündungsgeschehen und Beschwerden korrelieren nicht unbedingt. So gibt es die Erkenntnis, daß man sich mit wenig Entzündungsgeschehen (Labor, Endoskopie) recht schlecht fühlen, Schmerzen haben kann und ein anderer mit nachweislich viel Entzündungsaktivität sich recht beschwerdefrei fühlt. Dazu kommt sicher noch das eigene Körperbewußtsein und wie man mit der CED und der Entzündung psychisch umgeht. Einige werden wuschig, andere sogar panisch, wenn sie etwas Blut beim Stuhlgang bemerken.
Die Behandlung wird häufig Erfolg haben mit Mesalazin oral, der Basismedikation, die bei cu auch dauerhaft, zumindest über einen langen Zeitraum, auch nach Abklingen der Beschwerden, genommen werden soll.
Bei cu ist immer auch eine rektale Behandlung sinnvoll, also die alleinige oder zusätzliche Gabe von Zäpfchen oder Schaum oder Klysma (je nach Ausdehnung der Entzündung im absteigenden Dickdarm), mit den Wirkstoffen Mesalazin oder mit verschiedenen Cortisonen. Und es gibt auch topisch wirkendes Cortison (Cortiment), das oral genommen aufgrund seiner Freisetzung im gesamten Dickdarm wirken soll.
Ohne Medikation kann sich die Entzündung weiter auswachsen. Sie kann aber auch von allein wieder verschwinden. Die Remission kann jahrelang anhalten.
Mesalazin wirkt alleine nicht immer ausreichend und man muß medikamentös weiter gehen.
Ist die Entzündung bereits ausgedehnt oder/und stärker, wird meist zur ersten Maßnahme als Akutmedikament ein systemisch wirkendes Cortison verordnet, weil es praktisch umgehend zu einer Unterdrückung der Entzündung führt.
Im stärkeren Schub steigt die Stuhlfrequenz, es kann Stuhldrang hinzu kommen.
Behandelt man ein Entzündungsgeschehen zu spät oder auch nicht konsequent, so kann die Entzündung schwerer verlaufen, sich auch ausbreiten. Dann wird aus einer anfänglichen Proktitis möglicherweise eine Linksseitenkolitis oder sogar Pankolitis. Das sind alles sehr individuelle Verläufe und es gibt auch Betroffene, bei denen erstmals gleich eine Pankolitis diagnostiziert wird, also der gesamte Dickdarm Entzündungszeichen aufweist. Wobei auch hier die Entzündungsaktivität gering sein kann, aber auch stark bis fulminant.
Etliche Betroffene haben immer ein gewisses Maß an Entzündungsgeschehen. Das sind dann chronisch aktive Verläufe.
Diese werden mit mehr oder weniger Erfolg behandelt, gehen aber nicht weg. Dabei kann es auch Schwankungen in den Symptomen und im Befinden geben, aber es ist trotzdem der "normale" Verlauf.
Chronisch aktive Verläufe sind häufiger bei einer Steroidabhängigkeit. Die Beschwerden nehmen bei Unterschreitung einer gewissen Dosierung an Cortison wieder zu. Man kommt nicht mehr weg vom Cortison. Möglicherweise wird diese Abhängigkeit dadurch induziert, daß Betroffene nicht systematisch und mit Plan ausschleichen sondern immer wieder mit Erhöhung auf Verschlechterungen reagieren.
Erst wenn das Krankheitsgeschehen plötzlich aus dem Ruder läuft, bekommen diese Betroffenen zusätzlich einen Schub, der dann schwer verläuft.
Siehe auch: Cortisoneinnahme und das Ausschleichen
http://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=3&t=181
Man behandelt chronisch aktive Verläufe wie auch schwerere Verläufe leitliniengerecht mit Immunsuppressiva, also Azathioprin, 6-Mercaptuporin oder Methotrexat. Ärzte verordnen heutzutage gerne bereits auch ein Biological. Nach Studien bringt die Top-down-Behandlung wohl keinen Benefit gegenüber der konventionellen Vorgehensweise, wo man stufenweise eskaliert in der Behandlung.
Auch nach Behandlung und Abklingen der Symptome und Beschwerden kann es nach kurzer Zeit wieder eine Verschlechterung geben und die Behandlung muß neu aufgenommen werden. Das ist dann sicher kein neuer Schub. Der Körper hat das Bestreben nach Entzündung noch nicht aufgegeben und reagiert entsprechend. Da man nicht weiß, warum die Entzündung kam, weiß man heute auch immer noch nicht, warum der Körper nach einiger Zeit, ob mit oder ohne medikamentöse Behandlung, diese Neigung erst mal aufgibt. Die Immunsuppression hilft hierbei nur, beseitigt aber nicht den unbekannten Grund. Die Entzündung muß der Körper letztlich selbst stoppen. Er wird durch Medikamente dabei unterstützt.
Beim schweren Schub können Schmerzen im Unterbauch hinzu kommen. Ein brennendes Gefühl im Darm wird häufiger geschildert. Es blutet stärker aus dem Darm und jede kleine Menge Stuhl kommt raus, teilweise auch nur Blut oder gallertartige Blutpropfen. Die Stuhlfrequenz steigt deutlich. Der Stuhldrang kann imperativ werden, wobei es dann nur noch Vorwarnzeiten im Sekundenbereich gibt.
Jeder Stuhlgang kündigt sich durch heftige Schmerzen an, die Tenesmen. Diese heben die willentliche Stuhlentleerung auf. Manchen Betroffenen wird schwarz vor Augen. Ich bekam immer Gänsehaut durch die Schmerzen. Man ißt wenig, um möglichst keinen Stuhlgang zu haben. Trotzdem muß man aufs Klo, auch wenn nur Blut kommt. Man nimmt natürlich dadurch ab. Es kann Fieber kommen. Einige bekommen Anämie.
Man ist kraftlos, total abgeschlagen, also wirklich krank und liegt im Bett in den ersten Tagen, bevor die Cortisoninduktionstherapie greift, meist mit einer Anfangsdosis heutzutage von 1mg/kg Körpergewicht am Tag.
Da mag der Übergang zum fulminanten Schub fließend sein. Dieser wird dann mit hoher Dosierung von Cortison i.v. behandelt und es kommen wahrscheinlich die potenten Immunsuppressiva Cyclosporin oder Tacrolimus zum Einsatz, weil die Alternative sonst nur noch die Kolektomie ist, also die operative Entfernung des Dickdarmes. Die Behandlung erfolgt fast immer im Krankenhaus.
Etliche Krankheitsverläufe erfordern eine Behandlung mit Immunsuppressiva, Biologicals, also der 2. oder 3. Stufe der Behandlung nach der Leitlinie cu. Sie sind zwar ein Indiz für die Schwere der Entzündung, aber der Umkehrschluß ist nicht zwangsläufig richtig, wie viele Berichte aus den Foren zeigen.
Damit sind wir bei der Krux, wann kann/soll man die Medikation beenden. So fürchten sich viele Betroffene vor der Entscheidung, möchten den guten Zustand nicht riskieren, haben sogar Angst davor und schieben die Entscheidung hinaus.
Schübe können also sehr unterschiedlich verlaufen. Eine einfache Definition gibt es nicht.
Wie es auch keine allgemeine Definition für krank sein oder eine Krankschreibung durch den Arzt für Arbeitsunfähigkeit gibt.
LG Neptun