Attestpflicht ab dem ersten Tag

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Twinklestar85
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Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Twinklestar85 »

Hallo, ich bin sonst nur stille Leserin, aber jetzt benötige ich mal Hilfe bzw. Eure Einschätzung.
Ich bin im öffentlichen Dienst tätig. Von 10/2016 bis 06/2017 war ich wegen einem schweren Schub krankgeschrieben. Nach der Wiedereingliederung habe ich dann meinen Dienst wieder angetreten. Nun ist es so, und das kennt sicherlich jeder von Euch, das ich öfter mal schlechte Tage mit Schmerzen etc. habe. Bisher habe ich mich dann krank gemeldet und oftmals ging es mir am nächsten Tag auch besser. Einen Arzt habe ich nicht immer aufgesucht, manchmal konnte ich das Haus auch nicht verlassen :?
Heute habe ich ein Schreiben von meinem Arbeitgeber erhalten: gem. § soundso der Dienstvereinbarung kann in begründeten Fällen ab dem ersten Tag einer Erkrankung eine ärztliche Bescheinigung verlangt werden. Sie weisen in den vergangenen drei Monaten häufige Kurzzeiterkrankungen ohne Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf. Im Einzelnen handelt es sich insgesamt um sechsmal einen einzelnen Tag und einmal zwei Tage.
Ich habe jetzt bis zum 22.12. Gelegenheit zur Stellungnahme.

Habt Ihr Tipps für mich? Ich denke mir wird unterstellt, dass ich „blau“ mache... Reicht es, wenn ich auf die chronische Erkrankung verweise?

Vielen Dank und lieben Gruß
Jenny

ack22
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von ack22 »

Tach,

dein Arbeitsgeber verlangt nun eine Stellungnahme zu deinen Fehltagen.
Schreibe, wie es ist. Oft macht es Sinn, wenn der AG von einer Krankheit fürs Verständnis weiß und noch öfter ist dies sogar Pflicht.
Im Bereich der Unfallverhütung ist das wichtig. Dein AG kann dir bestimmte Tätigkeiten schlicht verbieten.

Du musst ganz genau wissen, was § so und so tatsichlich bedeutet! Das ist sehr wichtig!!!

Ein verweis auf eine chronische Erkrankung reicht gewiss demnächst nicht mehr aus. Belege müssen her, früher oder später.
Wenn es nun schon soweit ist, empfiehlt sich ein persönliches Gespräch mitn Arbeitsgeber
1. Um deine gegenwärtige Situation zu schildern und
2. Um für die Zukunft zu wissen, wie du handeln sollst, z.B. im Falle spontaner Arbeitsunfähigkeit.

Ggf. lässt sich dann etwas mit Heimarbeit vereinbaren. Nur wer redet und selbst Engagement zeigt, kommt weiter.
Du kanst mim Arzt abklären, ob er sich darauf einlässt, dass du auch nur anrufen kannst und er dir eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, wenn du nicht vor die Tür kannst.
Deinen AG musst du sofort bei Arbeitsunfähigkeit davon unterrichten. Morgens!
Hast du einen Schwerbehindertenschein, mach dich über deine Rechte schlau.


Viel Erfolg

Twinklestar85
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Twinklestar85 »

Vielen Dank für Deine schnelle Antwort.
Mein Arbeitgeber ist bereits darüber informiert, dass ich chronisch erkrankt bin. Habe da nie ein Geheimnis draus gemacht. Habe meinen Arbeitsvertrag auf Teilzeit reduziert und das sehr problemlos. Hierzu musste ich nur eine ärztliche Bescheinigung beibringen, dass die Reduzierung aus gesundheitlichen Gründen ermöglicht werden sollte. Deshalb wundert mich das Schreiben ja auch so. Könnte diese Bescheinigung ja mit meiner Stellungnahme nochmal einreichen.
Aber da hast Du recht, reden hilft. Vielleicht kann ich die Attestpflicht so evtl. abwenden. Meinen AG informiere ich bei Krankheit immer sofort morgens. Ich habe einen GdB von 30, wirklich hilfreich ist es in dieser Situation aber nicht.
Danke!

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Uwe7
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Uwe7 »

Moin Jenny,
Twinklestar85 hat geschrieben:Heute habe ich ein Schreiben von meinem Arbeitgeber erhalten: gem. § soundso der Dienstvereinbarung kann in begründeten Fällen ab dem ersten Tag einer Erkrankung eine ärztliche Bescheinigung verlangt werden.
Gem. § 5 - Entgeltfortzahlungsgesetz kann der Arbeitgeber die Vorlage einer AU-Bescheinigung früher verlangen, als man es normal kennt, denn im verlinkten Paragrafen heißt es:
§ 5 - Entgeltfortzahlungsgesetz hat geschrieben:Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.
Twinklestar85 hat geschrieben:Sie weisen in den vergangenen drei Monaten häufige Kurzzeiterkrankungen ohne Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf. Im Einzelnen handelt es sich insgesamt um sechsmal einen einzelnen Tag und einmal zwei Tage.
Ich habe jetzt bis zum 22.12. Gelegenheit zur Stellungnahme.
Sollst Du jetzt im Nachhinein Deine krankheitsbedingten Fehlzeiten begründen?
Twinklestar85 hat geschrieben:Habt Ihr Tipps für mich?
Cool bleiben. Ich würde mal mit dem Personalrat reden. Den muss es ja geben, wenn Du im öffentlichen Dienst arbeitest. Trage dort vor, was passiert ist, was man von Dir fordert und dann stimme Dich mit den Kollegen ab, was zu tun ist. Auf jeden Fall bist Du nicht verpflichtet, bei Deinem Arbeitgeber medizinische Details zu offenbaren.
Twinklestar85 hat geschrieben:Ich denke mir wird unterstellt, dass ich „blau“ mache...
Das ist nun wieder eine Unterstellung Deinerseits.
Twinklestar85 hat geschrieben:Reicht es, wenn ich auf die chronische Erkrankung verweise?
Das kann ich von hier aus schwer einschätzen. Ich vermute, dass es nicht reicht, aber dazu müsste man wissen, wie Deine Chefs ticken. Das weiß Dein Personalrat sicher besser als ich. Deswegen: Frage dort nach.

Auf jeden Fall gräme Dich nicht wegen dieser Forderung Deines Arbeitgebers - er darf das verlangen.

LG Uwe
Du kannst dem Leben nicht mehr Tage geben - aber den Tagen mehr Leben

Twinklestar85
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Twinklestar85 »

Hallo Uwe, vielen Dank für Deine Antwort.
Den Tipp mit dem Personalrat werde ich auf jeden Fall beherzigen, den haben wir, habe ich garnicht dran gedacht. :roll:
Ich habe die Stelle mit der Stellungnahme etwas gekürzt, aber im Prinzip stimmt es, dass ich die Fehlzeiten begründen soll. Ich werde mich nicht ärgern und meine Argumente vorbringen ;) Vielleicht kann ich es so auch noch abwenden. Und wenn nicht, dann ist es halt etwas unbequemer für mich, aber ich fehle ja nicht unbegründet.

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Thilo
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Thilo »

Hallo Twinkestar85,

ich lese gerade, dass Uwe dir schon geantwortet hat. Ich hatte auch eine Antwort vorbereitet, die ich hier noch einstelle, wenn auch vieles deckungsgleich mit dem Beitrag von Uwe ist.


"Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist für Arbeitnehmer, Arbeiter und Auszubildende im Privatsektor aber auch im öffentlichen Dienst gültig. Generell kann in einem Tarifvertrag oder in einem Einzelarbeitsvertrag eine andere Regelung getroffen werden, allerdings nur, wenn diese für den Arbeitnehmer günstiger ausfällt.

Arbeitnehmer haben die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit. Dazu gehört auch die Dauer der Erkrankung. Diese Pflicht muss der Arbeitnehmer auch dann nachkommen, wenn kein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht. Grundsätzlich muss dieser eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber vorlegen, wenn die Erkrankung länger als drei Tage andauert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dann spätestens zum vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen.
Arbeitgeber sind jedoch berechtigt, schon früher eine ärztliche Bescheinigung zu verlangen.

Sollte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlängert werden, so muss dies ebenso unverzüglich dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Auch hier muss ein Nachweis vom Arbeitnehmer erbracht werden."


Soweit in Grundzügen die aktuelle Gesetzeslage.

Nach neun Monaten Dauerkrankheit in 2016/2017 hast du jetzt innerhalb drei Monaten sieben Kurzerkrankungen von ein, zwei Tagen aufzuweisen. Dies wirft für deinen Arbeitgeber zumindest Fragen auf, die es zu klären gilt.

Bisher hast du zwei Beiträge hier im Forum geschrieben, die nicht erkennen lassen, wie ausgeprägt deine Erkrankung ist, wie du medikamentös therapiert wirst, ob du im Besitz eines Schwerbehindertenausweises bist und vieles mehr. So fällt es für Außenstehende schwer die Sachlage objektiv zu beurteilen und bspw. zu erkennen, ob alle therapeutischen Schritte bereits ausgereizt sind. Vielleicht gibt es durchaus noch Möglichkeiten deine gesundheitliche Situation so zu verbessern, dass einzelne krankheitsbedingte Ausfalltage auf ein Minimum reduziert werden können.

Zunächst würde ich umgehend das Gespräch mit dem Personalrat der Behörde suchen und dort auch ausloten, ob du die einzige Person bist, bei der Überlegungen anstehen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom ersten Tag an zu verlangen. Da die jetzige Situation nicht unbedeutend für den Fortbestand deines Arbeitsverhältnisses ist, würde ich umgehend einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft stellen, sofern ärztliche Atteste dies auch untermauern können.

Von einer allzu freimütigen Offenbarung deiner Krankheit gegenüber dem Arbeitgeber würde ich absehen. Details zu deiner Krankheit gehen deinen Arbeitgeber nichts an. Oft werden falsche Schlüsse gezogen.

Mit deinen behandelnden Hausarzt und Gastroenterologen solltest du auch über die Problematik reden.

Ich wünsche dir alles Gute

Thilo

Twinklestar85
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Twinklestar85 »

Hallo Thilo,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und den Gesetzestext.
Jetzt wo ich meine Fehlzeiten mal schwarz auf weiß lese, kann ich meinen AG verstehen, war mir garnicht so bewusst..
Verbesserungsbedarf gibt es sicherlich noch, ich habe gerade Humira auf eine wöchentliche Dosis erhöht und hoffe so, meine Beschwerden zu lindern.
Den Personalrat werde ich auf jeden Fall einbeziehen und ich bin froh, dass ich nicht alle Details offenbaren muss. Denn ich mache mir schon große Sorgen um meine berufliche Zukunft, denn ich arbeite sehr gerne dort.
Ich werde Euch von dem Ergebnis berichten.
LG Jenny

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Uwe7
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Uwe7 »

Hi Jenny,

der Tipp von Thilo einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zu stellen, ist sehr gut, das ist mir vorhin gar nicht eingefallen. Aber ich lese gerade nochmal den Thread - und da sehe ich:
Twinklestar85 hat geschrieben: Ich habe einen GdB von 30, wirklich hilfreich ist es in dieser Situation aber nicht.
Doch, der GdB von 30 kann hilfreich sein: Damit kannst Du bei der Arbeitsagentur, die zu Deinem Wohnort gehört, einen Gleichstellungsantrag stellen.

Wenn der durchgeht, hast Du auch einen verbesserten Kündigungsschutz, Du bist dann den Schwerbehinderten gleichgestellt.

Konkret: Ich würde an Deiner Stelle zweigleisig fahren: Stelle den Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - und stelle bei der Agentur für Arbeit den Antrag auf Gleichstellung. Wenn Du den GdB >=50 bekommst, ist die Gleichstellung natürlich überflüssig, aber wenn nicht, hast Du damit noch eine zweite Chance, einen besseren Schutz zu erhalten.

Die Agentur für Arbeit wird nach Antragstellung Arbeitgeber, Personalrat und Schwerbehindertenvertretung schriftlich zu einer Stellungnahme auffordern. Du kannst dort aber verlangen, dass der Arbeitgeber nicht angeschrieben wird, damit er nicht vorzeitig von diesem Antrag Kenntnis erhält.

Noch eins: Sage bei der Agentur für Arbeit nichts von dem Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - die Agentur setzt die Entscheidung über eine Gleichstellung nämlich auch gerne mal aus, bis über den Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft entschieden ist. Aber: Was sie nicht wissen, können sie auch nicht berücksichtigen. Und sie wissen von dem Antrag nur, wenn Du es Ihnen sagst.

LG Uwe
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von Uwe7 »

aus einem mir nicht ersichtlichen Grund funktioniert der Link in meinem vorigen Post nicht mehr. Gestern Abend ging es reibungslos.

Hier eine alternative Zugriffsmöglichkeit:

http://www.einfach-teilhaben.de/DE/StdS ... _node.html

LG Uwe
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neptun
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Re: Attestpflicht ab dem ersten Tag

Beitrag von neptun »

Hallo Uwe,

meines Wissens muß für den Antrag auf Gleichstellung ein berechtigtes Interesse bestehen, also z.B. die Gefahr einer Kündigung. Ich glaube nicht, daß man dabei den AG raus halten kann, denn die Behörde gibt so keinen Freifahrtschein. Oder gibt es da andere Erkenntnisse?

Anders beim Antrag auf Schwerbehinderung. Der erfolgt ohne konkreten Bezug zur Arbeit. Geht schließlich um die tägliche Teilhabe in allen Lebensbereichen.

LG Neptun

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