Eltern verstehen Krankheit nicht

Hier geht es um gegenseitige Achtung und die Probleme, die es in einer Partnerschaft und bei Angehörigen gibt, aber auch um Schwangerschaft.
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Unity
hat sich häuslich eingerichtet
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Registriert: Mo 29. Jan 2018, 22:18

Eltern verstehen Krankheit nicht

Beitrag von Unity »

Hallo iebes Forum,

ich, 36 Jahre, habe mal eine Sache, bei der ich gar nicht genau weiß, wie ich damit umgehen soll. Und zwar: Meine Eltern verstehen Morbus Crohn und die Immunsuppression einfach nicht. Das zieht sich eigentlich seit der Erstdiagnose 2014 bis heute durch. Einerseits enttäuscht es mich und andererseits setzt es mich auch Risiken aus. (siehe Beispiele unten). Hat vielleicht jemand eine Idee oder selbst Erfahrungen dazu?

Einige Beispiele:
- Vor der Erstdiagnose hatte ich schweren Durchfall und Aphten. Als ich von meiner Sorge erzählt habe, dass es was schlimmeres sein könne, wurde vor allem mein Vater fast schon wütend, dass ich mich lächerlich machen würde mit solchen Übertreibungen.

- Meine Eltern waren bei der Erstdiagnose im Krankenhaus und haben gesehen, wie ich da in kurzer Zeit an Gewicht verloren hatte. Aber: Als ich wieder raus war, dachten sie, es sei wieder alles ok. Sie haben das alles nicht registriert, was der Arzt gesagt hat. Als ich dann ein paar Wochen später erzählte, dass man jetzt schauen müsse, wie sich das entwickelt, wurde vor allem mein Vater wieder fast wütend, ob denn ein Arzt überhaupt schonmal gesagt hätte, dass das chronisch sei. Ich wusste in dem Moment gar nicht, was ich sagen sollte. In der Zeit wollte meine Mutter mir auch immer einreden, dass es sicher Reizdarm sei.

- Essen: Wenn wir dort zu Besuch sind und gemeinsam essen, kündige ich vorher an, dass ich mir was mitbringe. Ich bin da sehr vorsichtig geworden. Dennoch bietet vor allem meine Mutter mir einfach alles an - "Probier doch mal diesen scharfen Ketchup" - ich bin da auch einmal richtig wütend geworden, dass sie null Rücksicht nehme. Erschwerend kommt hinzu, dass mein Bruder in den vergangenen Jahren durch viele falsche Entscheidungen sein Studium nach langer Zeit abgebrochen und unsere Eltern diesbezüglich mehrfach belogen hat. Meine Mutter hat ihn aber immer in Schutz genommen. Durch diese für mich nicht nachvollziehbaren Standards habe ich mich mittlerweile auch sehr weit von meiner Mutter entfernt. Sie hat einmal wörtlich gesagt, sie könne mir bei der Krankheit nicht helfen. Stimmt, kann sie auch nicht. Aber viel schlimmer: Mit ihrer Ignoranz werde ich sogar bewusst oder unbewusst Risiken ausgesetzt. Siehe die beiden folgenden Beispiele.

- Weihnachten 2020: Meine Eltern hatten eine Erkältung, aber lassen mich mit Remicade und in Zeiten von Corona vorbeikommen, ohne mir zumindest die Wahl zu lassen. Die Eltern meiner Freundin sagen hingegen allein schon aufgrund von Corona direkt von selbst ab, weil sie niemanden gefährden wollen. Ergebnis: Weil ich meine Eltern besucht habe, hatte ich danach eine Woche Halsschmerzen.

- Und dann heute: Ich fahre meine Mutter zum Arzt. Ohne sich der Problematik überhaupt bewusst zu sein, erzählt sie, dass sie ja so Halsschmerzen habe. (Der Arztbesucht war wegen was anderem, nicht ansteckenden). Ich weiß nicht, was sie hat. Aber sie sieht und versteht gar nicht, dass es hilfreich wäre, vorher eben zu fragen, ob das vor allen in Zeiten von Corona ein Problem sein könne. Ich bezahl ja auch wohl ein Taxi. Aber dieses komplette Ignorieren der Begleitumstände - ich bin seit vorhin einfach total resigniert.

Wir hatten vor ein paar Jahren schon mal ein Grundsatzgespräch dazu. Seitdem versteht vor allem mein Papa das besser und er hatte sich auch entschuldigt, dass alles zu Beginn nicht so wahrgenommen zu haben. Aber auch ihm fehlt die Sensibilität, dass es gut wäre, mir eben Bescheid zu sage, wenn jemand krank ist, wie das Beispiel zu Weihnachten zeigt.

Und: Natürlich ist es nicht die Aufgabe meiner Eltern, mich dabei zu unterstützen. Ich wohne und lebe mit meiner Freundin eigenständig und sie haben selbst genug Probleme, die ihr Alter einfach mitbringt. Aber dieses komplette Ignorieren der Begleitumstände, macht mich ratlos.

Sorry für diesen langen Beitrag. Ich bin einfach sehr resigniert seit vorhin.

Viele Grüße

Unity

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Mondkalb
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Re: Eltern verstehen Krankheit nicht

Beitrag von Mondkalb »

Hallo Unity,

bei mir war es ähnlich mit dem Verständnis innerhalb der eigenen Familie. Hingegen bei meinem Schwiegervater, der selbst lebenslang eine Erkrankung hatte, fühlte ich mich verstanden.

Vielleicht fehlt es hier auch innerhalb der Familie einfach an Empathie was die Erkrankung angeht.
Das Umfeld kann man nicht immer ändern, da hilft es, sich damit abzufinden und nicht seine Energie in etwas zu investieren, was man, wenn überhaupt, nur schwer ändern kann. Vielleicht ist es bei deiner Mutter auch die Hilflosigkeit, in der sie sich dir gegenüber sieht, somit der Auslöser, so hat es meine Mutter mir mal erklärt, einfach verdrängen und so tun, als wäre nichts.

Ich habe in der Zeit, wo es mir richtig schlecht ging, sogar den Kontakt zu meinem Bruder abgebrochen, weil ich seine Einstellung mir gegenüber nicht mehr Ertrug ...
Unity hat geschrieben:
Di 30. Mär 2021, 17:40
Seitdem versteht vor allem mein Papa das besser und er hatte sich auch entschuldigt, dass alles zu Beginn nicht so wahrgenommen zu haben. Aber auch ihm fehlt die Sensibilität, dass es gut wäre, mir eben Bescheid zu sage, wenn jemand krank ist, wie das Beispiel zu Weihnachten zeigt.
Die Aussprache ist wichtig, aber auch hier schreibst du ja selbst, dass du etwas erwartest, hier in diesem Fall die Sensibilität. Hier schließt sich der Kreis und ich lande wieder bei der Empathie.

LG
Mondkalb
“Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kommt man meistens woanders raus!”

sweetkarin
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Re: Eltern verstehen Krankheit nicht

Beitrag von sweetkarin »

Hallo,

das tut mir sehr leid, dass deine Eltern nicht einfühlsamer sind. Vor allem bei den Eltern erwartet man sich ja, dass sie für einen da sind, zuhören, und Rücksicht nehmen.
Vielleicht hat deine Mutter aber einfach Angst sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Du bist immerhin ihr Kind, wer möchte schon, dass das eigene Kind krank ist? Vielleicht hofft sie einfach, dass es doch nicht so schlimm ist, oder vielleicht versteht sie es wirklich nicht.

Mein Vater z.B. versteht es auch nicht so richtig. Zwar versorgt er mich ständig mit Tees, aber dass ich nicht alles Essen kann vergisst er auch immer wieder. Und wenn ich eine halbe Stunde brauche bis ich endlich weiß was ich in einem Restaurant essen kann, flippt er auch aus (hatten wir im Urlaub, hat mich dann auch traurig und wütend gestimmt, weil ich ja nichts für meinen blöden Darm kann). Bei ihm ist es nicht bösartig, sondern er vergisst es einfach. (Und wenn er Hunger hat, kommt die Diva raus ;-) Bei mir aber eh auch.)

Vielleicht verstehen deine Eltern auch nicht, dass man unter Immunsuppressiva ein schnelleres Risiko hat zu erkranken. Ich sage meinen Eltern seit Corona ständig, dass sie zu Hause bleiben sollen, und nicht so oft einkaufen gehen sollen. Das Resultat? Ich bleibe zu Hause, nicht sie. Ich gehe höchstens 2x in der Woche raus. Ich kann es ihnen x-mal wieder sagen, die alten Leute verstehen einfach nicht, dass man aufpassen muss. Vielleicht ist das so ein Generationsding, dass sie nicht verstehen, dass es Leute gibt, die sich schneller anstecken können. Es ist ja doch eine nicht so häufige Krankheit (also in Relation zu anderen mein ich), man liest ja auch erst jetzt in letzter Zeit vermehrt was darüber. Vielleicht ist es für manche Menschen einfach schwierig das dann zu verstehen.

Liebe Grüße

neuHier
neu hier
Beiträge: 2
Registriert: Mi 23. Jun 2021, 12:14

Re: Eltern verstehen Krankheit nicht

Beitrag von neuHier »

Hallo, es ist für Eltern schwer, sich daran zu gewöhnen und zu verstehen, dass ihr Kind in diesen Punkten eingeschränkter als sie selbst ist. Es ist nicht deine Aufgabe, "Erklärbär" für alles zu sein, aber sie grundsätzlich immer wieder darauf hinzuweisen, kann nicht schaden. Mein Bruder hat Morbus Crohn. Meine Eltern haben sofort sehr schnell alles umgestellt (er ist aber auch ein Kind), Verwandte, die ihn seltener sehen, haben das aber auch überhaupt nicht auf dem Schirm. Das ist bei Kindern, die nicht mehr zu Hause wohnen, wahrscheinlich ähnlich.
Es ist leichter gesagt als getan, aber versuche es nicht als persönlichen Angriff zu verstehen. Es ist für sie weiter weg, weil sie nicht jeden Tag damit zu tun haben. Und nein, das ist keine Rechtfertigung für Ignoranz.

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