Meine Positive JPouch Story

Über die sonstigen medizinischen Probleme.
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Julia89
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Registriert: Di 5. Mär 2019, 16:57
Diagnose: CU seit 2015

Meine Positive JPouch Story

Beitrag von Julia89 »

Ich möchte mit diesem Beitrag Mut machen für den schweren Weg hin zum JPouch.

Ich bin Julia, 31 und seit 2015 an Colitis Ulcerosa erkrankt. Im selben Jahr wurde ich direkt mit Biologica behandelt, da Cortison bei mir nicht half. Bis 2019 war ich damit beschwerdefrei. Dann hat mich mein zweiter Schub fast umgebracht und ich bekam im April 2019 nach einer lebensrettenden Not-Kolektomie ein endständiges Stoma. Leider nur wollte mein Rektum auch nach Stilllegung keine Ruhe geben und blieb weiter unentwegt entzündet. Auch Erythema nodosum und eine parastomale Hernie begleiteten mich. Ohne diese Komplikationen hätte ich erstmal 5-10 Jahre meine Zustand genossen und weitere OP's vermieden. Aber leider kam ich um die Entfernung von meinem Hartmannstumpf nicht herum. Nur konnte ich mich einfach nicht entscheiden, ob ich meinem geliebten Stoma treu bleiben und einen Barbie Butt machen oder es wagen sollte, den JPouch bauen zu lassen. Im Internet liest man so schwierige Erfahrungsberichte über den JPouch und ich hatte Angst meine gerade neu gewonnene Lebensqualität zu verlieren. Nach vielen Monaten hin und her (siehe Beitrag Pouch Ja oder Nein?!) und fast zerbrechen an dieser schwierigen Entscheidung (unentschiedene Pro/Kontra Listen, unzählige Beratungstermine bei Ärzten, Youtube Videos, Foren, Instagram, Blogs, Selbsthilfegruppe waren meine Quellen für die Entscheidung), habe ich mich im November 2020 für den JPouch entschieden und ich haben mir gleichzeitig geschworen, dass ich meine positiven Erfahrungen teilen werden, damit es mehr positive Berichte über den JPouch gibt. Am Ende war es übrigens eine rein emotionale Entscheidung. Ich habe mich bei der Vorstellung einen Pouch zu haben gefreut und bei der Vorstellung einen Barbie Butt zu haben, hatte ich einen Kloß im Hals.

Die OP’s habe ich gut überstanden und sie waren komplikationslos. Besonders die Pouchanlage habe ich innerhalb von 2 Wochen gut weggesteckt. Ich habe aber auch extra vorher trainiert, um so fit wie möglich in die OP zu gehen. Das doppelläufige Stoma hat mich dann so geschwächt und fertig gemacht, dass ich recht schwach in die Rückverlegung gegangen bin und mich diese OP, obwohl sie viel weniger invasiv ist, viel mehr zurückgeworfen hat. Alles in allem waren es fünf sehr harte Monate und seit fünf Wochen darf ich endlich genießen, wofür ich so hart gekämpft habe.

Heute berichte ich 3,5 Monate nach meiner Rückverlegung.

Die ersten Wochen waren geprägt durch ein unangenehmes Fremdkörpergefühle im Unterleib. Der Dünndarm ist ja sehr aktiv und anstatt er wie früher nur im Bauch ist, tanzt er eben jetzt auch im Unterleib und im Po herum. Das merkt man und ich habe mich zum Teil nach den Mahlzeiten richtig erschrocken. Man gewöhnt sich aber mit der Zeit dran. Heute spüre ich es nur noch, wenn ich darauf achte.
Außerdem hatte ich in den ersten Wochen unglaublich starkes Buttburn. Ich hab es kaum ausgehalten und alle 15 Cremes die ich zur Auswahl hatte + Bidet und Sitzbäder haben die Schmerzen nicht lindern können. Lediglich der Wirkstoff Lidocain in Gelform hat mir für ein paar Minuten Ruhe verschaffen können. Ich war schon richtig verzweifelt, besonders weil es eben nicht an der Rosette, sondern im Analkanal und an der Naht brennt, die viel weiter innen sitzt und da auch Cremes nicht allzu viel machen konnten. Seit 5 Wochen habe ich sehr selten bis gar kein Brennen mehr und ich bräuchte wohl auch keine Creme. Es ist aber mittlerweile zum Ritual geworden und ich benutze nach jedem Toilettengang ein bisschen Creme. Bemerkenswerterweise hatte ich von Anfang an etwa 5-8 Stuhlgänge. Jedoch hat man besonders am Anfang 20-30 unangenehme bis schmerzhafte Stuhldränge. Ich habe recht früh versucht, nicht bei jedem Stuhldrang auf Toilette zu gehen, damit sich der Pouch weitet. Dieses Weiten ist auch unangenehm bis schmerzhaft. Abgesehen von den ersten zwei Wochen musste ich recht früh nur noch einmal pro Nacht auf Toilette. Mittlerweile kann ich durchschlafen und habe tagsüber 3-6 Stuhlgänge, je nachdem was ich esse. Das klingt vielleicht viel, wenn man gerade ein Stoma oder noch einen Dickdarm hat. Meistens muss ich aber eh Pullern und erledige das gleich mit. Es fühlt sich also nicht wie ein Mehraufwand an. Ich kann sowieso nicht urinieren ohne den Pouch nicht mit zu entleeren.
Ich bin absolut 100% kontinent. In den ersten zwei Wochen ist ab und zu etwas Flüssigkeit ausgetreten. Das lag aber vor allem daran, dass ich das Pupsen im Liegen auf meiner Inkontinenzmatte geübt habe, um meine Möglichkeiten kennenzulernen. Heute bin ich absolut kontinent, pupse aber auch nur noch auf der Toilette. Dort ist es übrigens gewöhnungsbedürftig laut geworden.
Essen kann ich wieder absolut Alles. Mit Stoma musste ich mit faserigen Dingen aufpassen, da ich leicht Blockaden bekommen habe. Mit Pouch habe ich absolut kein Limit. Nur Popcorn habe ich noch nicht getestet. Bauchschmerzen vom Essen hatte ich bisher noch kein einziges Mal.
Sex hat sich zu Beginn unsicherer und anders anfühlt. Tatsächlich hatte ich in den ersten Wochen absolut keine Libido, da ich einfach zu beschäftigt mit meinem Po war. Mein Freund hatte dafür vollstes Verständnis und wir haben uns einfach anderweitig und bevorzugt am Morgen vergnügt, wo ich weniger Beschwerden hatte. Mittlerweile spüre ich den Pouch nur sehr selten beim Sex. Bzt. was ich damit meine ist eigentlich die Naht und der Analkanal, den man spürt, wenn gerade sowieso alles leicht gereizt ist. Das kommt aber jetzt nach 14 Wochen eher selten vor.
Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich unbeschwert und ohne Angst das Haus verlassen konnte. Ich habe mich in die Colitis Zeit zurückversetzt gefühlt. WC-Finder Apps waren wieder auf meinem Handy installiert und mich begleitete unentwegt die Frage: “gibt es dort eine Toilette”. Mittlerweile denke ich überhaupt nicht mehr drüber nach. Es ist eben keine Colitis und wenn es mal Stuhldrang gibt, dann weiss ich, dass ich es bis zu 2h halten kann. Genügend Zeit, um bequem nach einer Toilette zu suchen (Mein EU-WC-Schlüssel ist nachwievor mein bester Freund).
Meine Hernie ist weg. Sie wurde ohne Netz erstmal normal zugenäht. Ich mache bereits Sport und beginne bald leichte Bauch-Übungen, um meine Bauchdecke zu stärken und eine Wiederkehr der Hernie zu verhindern. Dies mache ich mit einer Fitnesstrainerin, die selbst ein Stoma hat und sich damit gut auskennt.


Ich weiss natürlich, dass dieser positive Zustand auch bei mir nur eine Momentaufnahme ist. Ich habe immer noch eine chronisch entzündliche Darmkrankheit und die nächste Komplikation kann bereits auf mich warten. Auch ist es für jeden unglaublich unterschiedlich und meine Erfahrungen sind kein Maßstab. Dennoch finde ich es wichtig, auch positive Momente festzuhalten.
Mein Arzt hat bei der letzten Kontrolle gemeint, dass es noch das ganze restliche Jahr dauert, damit sich die Dinge einpendeln. Ich weiss gar nicht, was noch besser werden soll. Schließlich habe ich aktuelle super selten Beschwerden, fühle mich frei, mache wieder Sport und erobere mein Leben mit einer noch besseren Lebensqualität zurück. Ich bin dennoch froh, dass ich mir die 1,5 Jahre für diese Entscheidung Zeit gelassen habe. Ich weiss, dass ich mit einem Stoma gut leben kann, sollte ich irgendwann wieder eines brauchen.

Ich hoffe, ich konnte mit dieser Darstellung dem ein oder anderen Mut machen. Ich habe solchen Beiträge während meiner Entscheidungsphase aufgesaugt.
Ich bin dann mal auf einem 2 wöchigen Wild-Autocamping Trip durch Deutschland.
Alles Gute euch und viel Kraft und Mut.
Eure Bauchfreundin Julia

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neptun
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Registriert: Do 20. Dez 2012, 19:58

Re: Meine Positive JPouch Story

Beitrag von neptun »

Hallo Julia,

ein sehr guter Beitrag, ein schöner Ausblick.
Danke. :)

LG Neptun

Trüffel
könnte auch hier einziehen
Beiträge: 484
Registriert: Sa 3. Jun 2017, 18:52

Re: Meine Positive JPouch Story

Beitrag von Trüffel »

Hallo Julia,

deinen Beitrag zu lesen freut mich sehr!
Ich kann mir gut vorstellen, der/die ein oder andere wird sich freuen, bei seiner persönlichen Entscheidungsfindung an deinem eigenen Erleben Anteil nehmen zu können!

Liebe Grüße und alles Gute für dich, auf dass es so wunderbar bleibt!
Trüffel
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind;
wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

(Marie von Ebner-Eschenbach)

Jackfire
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Re: Meine Positive JPouch Story

Beitrag von Jackfire »

Hi Julia,

vielen Dank für den sehr positiven Beitrag, es ist schön zu lesen das es funktionieren kann. :D Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und viel Spass auf deinem Autotrip. 8-)

Pass auf dich auf.
Gruß Jack
2001 CU Diagnose
2017 Aza wirkt nicht mehr
2018 ein paar Biologika ausprobiert :cry:
2019 18. Januar Dickdarm kommt raus :cry:
2019 16. September Pouch angelegt
2020 27. Februar Pouch ist in Betrieb
2021 17. November doppelläufiges Stoma

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