Stoma - unübliche Ängste

Über die sonstigen medizinischen Probleme.
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sullen
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Stoma - unübliche Ängste

Beitrag von sullen »

Hey alle zusammen!

Ich bin Recht neu hier und komme direkt mit ein paar Fragen bezüglich des Stomas an :roll:

Ich habe selber CU und hoffe dass ich nie eins brauche, aber ich will mich mit dem Thema trotzdem auseinander setzen, da es doch eine Art Notlösung ist, wenn irgendwann wirklich kein Medikament mehr hilft.

Tatsächlich habe ich an sich keine Angst ein Stoma zu bekommen. Der Gedanke mit einem Beutel am Bauch herumzulaufen stört mich nicht sonderlich. Ich finde es nicht hässlich oder peinlich.

Wovor ich allerdings Angst habe ist eine Hernie. Ich habe gelesen, dass sowas bei fast 80% aller Stomaträger vorkommt. Wisst ihr ob das stimmt?
Und hattet ihr sowas schonmal? Wenn ja - wie schlimm war das so für euch?

Ansonsten würde ich gern wissen wie ihr so damit lebt. Schränkt es euch ein? Müsst ihr besonders vorsichtig damit sein? Wie oft muss man den Beutel so leeren und dauert das jedes Mal ewig? Ist man den ganzen Tag damit beschäftigt das Stoma zu versorgen?

Oder geht es euch einfach super damit? :)

Schreibt mir gerne Mal eure Erfahrungen und euer Wissen!

Liebe Grüsse
Sullen

Trüffel
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Re: Stoma - unübliche Ängste

Beitrag von Trüffel »

Hallo sullen,
sullen hat geschrieben:
Di 2. Mär 2021, 23:58
Wovor ich allerdings Angst habe ist eine Hernie. Ich habe gelesen, dass sowas bei fast 80% aller Stomaträger vorkommt.
Warum über etwas Gedanken machen, dass (noch) nicht ist? :?:
Man hat im Leben keine Garantien - es gibt Stomaträger, die bereits nach kurzer Zeit eine Hernie haben, andere sind ihr Leben lang verschont.
Eine Hernie kann begünstigt werden, indem man schwere Lasten hebt/trägt, Sport macht, bei dem die Bauchdecke stark belastet wird etc.
D.h. ja stomafreundlicher man lebt, desto eher hat man die Chance, Hernien-frei zu bleiben. Klar ist es auch dann nicht garantiert. Es gibt ja auch so Menschen, die von Natur aus eher zu Hernien neigen (eine Hernie kann man übrigens auch ohne Stoma haben)
sullen hat geschrieben:
Di 2. Mär 2021, 23:58
Ansonsten würde ich gern wissen wie ihr so damit lebt. Schränkt es euch ein? Müsst ihr besonders vorsichtig damit sein? Wie oft muss man den Beutel so leeren und dauert das jedes Mal ewig? Ist man den ganzen Tag damit beschäftigt das Stoma zu versorgen?
Ich kann hier nur von meiner eigenen Erfahrung schildern; andere Stomaträger erleben das durchaus anders - jeder Körper ist individuell und nach einer OP muss jede(r) für sich schauen, wie er/sie damit klar kommt.
Beim Essen wird dazu geraten, sich nach der OP von der Schonkost langsam vorzutasten. Manche Stomaträger können alles essen, andere erfahren da Einschränkungen. Es wird grundsätzlich oft vor faserhaltigen Lebensmitteln gewarnt, weil die zu einer Blockade des Stomas führen können.
Am Anfang hat meine Versorgung länger gedauert - es war alles noch neu und frisch, ich habe mich ein wenig unsicher gefühlt. Nach kurzer Zeit waren die einzelnen Schritte aber schnell verinnerlicht für den Stomawechsel.
Wie oft man den Beutel wechselt, hängt davon ab, welche Versorgung und welches Stoma man hat.
Colostomie-Patienten haben oft ein geschlossenes Beutelsystem, d.h. ist der Beutel voll, muss man ihn komplett frisch machen (= neuer Beutel drauf).
Ileostomie-Patienten verwenden i.d.R. ein offenes Beutelsytem, d.h. unten am Beutel gibt es einen Auslass (in den unterschiedlichsten Varianten) und wenn hier der Beutel voll ist, geht man auf die Toilette, lässt alles ab und macht den Beutel wieder zu. Das dauert 1-2 min. (ich bin damit sogar schneller als jemand, der ohne Stoma, also "normal" aufs Klo geht :lol: )
Man unterscheidet zudem zwischen einteiligen und zweiteiligen Systemen. Beim einteiligen System ist der Beutel direkt mit der Platte, die auf der Haut klebt, verbunden. Wechselt man hier den Beutel, zieht man alles komplett ab.
Beim zweiteiligen System hat man eine sog. Basisplatte (die kann für ein paar Tage drauf bleiben) und auf der Basisplatte bringt man dann einen Beutel an (auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten zum Einrasten, Festklicken etc.). Macht man hier die Stomaversorgung frisch, kann man dann z.B. nur den Beutel abziehen (die Platte bleibt drauf) und man klebt/drückt einen neuen Beutel drauf. Alle paar Tage macht man dann alles frisch, also die Basisplatte ebf.

Manchmal kann es zu Pannen kommen, dass die Platte unterwandert, sich löst etc. Dann muss man natürlich häufiger die Versorgung frisch machen. Gerade bei gut funktionierenden Ausstreifbeuteln reicht es bei mir i.d.R. jeden 1.-3. Tag (ich verwende ein einteiliges System).
Es können auch Komplikationen am Stoma auftreten, nicht nur Hernien, sondern auch Pilzinfektionen, Ausschlag, Allergien auf das Material, Abszesse, Prolaps etc. Auch hier gilt: Alles kann, nichts muss!
Und selbst wenn ein Problem auftritt: viele Stomaträger haben eine ambulante Stomafachkraft (es gibt sog. Heimversorger - die kümmern sich auch darum, dass man alle Materialien nach Hause bekommt und sind Ansprechpartner bei Problemen) und ansonsten kann man immer noch zum entsprechenden Arzt gehen. Normalerweise findet sich auch eine Lösung für das Problem.

Also bei einem normal funktionierenden Stoma bin ich definitiv nicht den ganzen Tag damit beschäftigt. Ich mach in der Früh alles frisch (wenn der Darm relativ ruhig ist), leere den Beutel ein paar Mal über den Tag verteilt (nach Bedarf), ansonsten habe ich Ruhe.
Grundsätzlich kann man mit Stoma schwimmen und Sport machen, man sollte halt die Bauchdecke nicht zu arg belasten.

Wenn du mehr Infos haben möchtest, hier einfach mal zwei Internetseiten von Herstellern, die auch Infos für ihre Patienten haben bzgl. Artikel, Leben mit Stoma, Komplikationen etc.:
https://www.coloplast.de/stomaversorgung/stomatraeger/

https://www.bbraun.de/de/produkte-und-t ... stoma.html

Wenn du mal nach Stoma googelst, wirst du sicher noch mehr finden.

Und wenn du "Stomaforum" eingibst, solltest du auch fündig werden.

LG und wenn du Fragen hast, melde dich!
Trüffel


Ach ja... mit einem Stoma verändert sich i.d.R. auch das Körperbild bzw. die eigene Körperwahrnehmung. Es ist halt einfach eine Veränderung.

Und noch ein Nachtrag: vor einer geplanten Stoma-OP sollte unbedingt eine Stoma-Markierung stattfinden!!! und zwar im Stehen, Liegen, und v.a. im Sitzen!!! Immer wieder passiert es, dass der Chirurg/Stomaschwester dabei nachlässig sind bzw. es unterbleibt und das Stoma dann an einer echt ungünstigen Position liegt (mitten in Hautfalte, direkt unter dem Hosenbund...), sodass man (fast) keine Klamotten mehr tragen kann oder die Platte ständig unterwandert und man buchstäblich in der eigenen Sch*** sitz... Und das ist viel schlimmer als eine Hernie...
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind;
wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

(Marie von Ebner-Eschenbach)

sullen
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Re: Stoma - unübliche Ängste

Beitrag von sullen »

Hello :)

Naja ich denke Mal das ist so ein Grundproblem der Menschheit mit der Angst. Viele Menschen haben ja auch Angst vorm Tod (deswegen gibt es ja im Prinzip die Religionen z.b.), da könnte man nun auch sagen "warum über etwas Gedanken machen was noch gar nicht eintritt" aber so funktioniert das meistens nicht :D

Ich persönlich setze mich gerne mit Konsequenzen, die vielleicht Mal auf mich zutreffen vorher auseinander, damit ich gefasster damit umgehen kann. Natürlich nicht in jedem Bereich. Ich denke jetzt nicht daran wie es wäre wenn ich einen Unfall habe und beide Beine verliere oder so. Aber ein künstlicher Darmausgang ist ja schon etwas was auf einen zukommen könnte mit dieser Erkrankung. Also möchte ich mich vorher so gut es geht damit in Einklang bringen, gerade wenn eine Hernie in 80% der Fälle vorkommt.
Die subjektive Empfindung ist da ja auch immer anders. Manche finden Ausschlag schlimmer, manche eine Hernie. Da mussan dann individuell dran arbeiten denke ich. Persönlich finde ich die Vorstellung höchst horribel, dass meine inneren Organe durch einen Riss in der Bauchwand rauskommen. Schlimmer als alles andere :D

Danke für deine ausführliche Geschichte :) das macht mir schon ein bisschen Mut. Die Dinge die du da beschreibst klingen für mich persönlich nicht schlimm. Klar gibt es Dinge zu beachten aber das ist sicher zu managen. Würdest du denn deine Lebensqualität als gut oder eingeschränkt bezeichnen?
Danke für die Verweise auch, da werde ich mich Mal schlau lesen!

Grüsse,
Sullen

Trüffel
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Re: Stoma - unübliche Ängste

Beitrag von Trüffel »

sullen hat geschrieben:
Mi 3. Mär 2021, 17:46
Viele Menschen haben ja auch Angst vorm Tod (deswegen gibt es ja im Prinzip die Religionen z.b.), da könnte man nun auch sagen "warum über etwas Gedanken machen was noch gar nicht eintritt
Ein Unterschied zwischen Tod und Stoma: Der Tod tritt zu 100% Gewissheit ein - kein Mensch kann dem entkommen. Ein Stoma ist hingegen nur potentiell möglich, wie eben auch ein Unfall etc.

Wie ausgeprägt ist denn deine CU, dass du dich so sehr mit einem Stoma auseinandersetzt? Denn prinzipiell führt eine CED (egal ob MC oder CU) nicht automatisch gleich zur Kolektomie mit Stomaanlage. Und selbst wenn der Dickdarm rauskommt, gibt es die Möglichkeit, einen J-Pouch oder alternativ einen Kock-Pouch legen zu lassen, sodass man entweder normal auf die Toilette geht (J-Pouch) oder mittels Katheter entleert (Kock-Pouch).

Klar, natürlich empfindet das jeder individuell für sich ganz verschieden. Eine Hernie kann, wie gesagt, auch nicht-Stoma-Patienten betreffen. Ich selber leide seit über einem Jahr unter parastomalen Abszessen - und ich kann dir sagen, dass das mit Höllenschmerzen verbunden ist, die teilweise so stark sind, dass ich wochenlang sediert worden bin, weil ich es nicht mehr ausgehalten hab. Ich war wie in einer Art Koma, komplett weg.

Als ich mein Stoma vor Jahren bekommen habe, war das mein Lebensretter. Ich habe Tag und Nacht nur noch auf der Toilette gehangen, mein Körper von Schmerzen und Stuhldrang völlig geschwächt. Es ging absolut nichts mehr und es hat nicht viel bis zum Darmverschluss gefehlt.
Meine Lebensqualität würde ich als mehr als nur eingeschränkt bezeichnen - aber das liegt nicht am Stoma. Durch meine Crohn-Erkrankung waren so viele Operationen nötig (ab der 15. OP habe ich aufgehört zu zählen), der Bauch ist mehrere Male komplett geöffnet worden, der Körper so geschwächt, dass die Wunden nicht mehr heilen, durch die vielen OPs habe ich irre Verwachsungen, der Magen arbeitet nicht mehr, sodass ich nichts mehr essen kann, ich sehe aus wie ein Gespenst und fühle mich auch so, ein normales Leben ist nicht mehr möglich.

Ein Stoma zu haben bedeutet nicht automatisch eine eingeschränkte Lebensqualität. Ebenso wie eine Crohn- oder Colitis-Erkrankung nicht automatisch eine schlechte Lebensqualität bedeutet. Es gibt Leute mit CU/MC und/oder Stoma, die sehr gut leben können. Und genauso gibt es Menschen, die durch ihre Erkrankung und/oder Stoma irre beeinträchtigt sind.
Wenn du mehr Erfahrungsberichte haben möchtest, da liest du am besten mal hier im Forum (z.B. unter dem Beitrag "Happy mit Stoma": https://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=1 ... +mit+Stoma, aber auch unter anderen Beiträgen) oder du schaust in den anderen Foren (s. Links oben) - da bekommst du sicherlich einen guten Überblick, wie es anderen Leuten mit Stoma so geht.

Ach ja, wenn du dich mit Konsequenzen auseinandersetzt: selbst wenn es zum Stoma kommt, vielleicht bist du ja einer der 20%, bei denen es zu keiner Hernie kommt. ;)

Mach dich schlau, aber nicht verrückt. Man kann sich das Leben auch unnötig schwer machen.
LG Trüffel
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind;
wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

(Marie von Ebner-Eschenbach)

sullen
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Re: Stoma - unübliche Ängste

Beitrag von sullen »

Hey Trüffel,

Ja da hast du wohl Recht. Wollte nur das Prinzip erläutern.

Meine CU ist genau wie bei dem netten Benutzer von dem der Beitrag "Happy mit stoma" ist. Eigentlich leicht aber unendlich hartnäckig. Deswegen hat mir der Beitrag jetzt eher noch mehr "Angst" vor einem Stoma gemacht.

Wie es dir geht tut mir sehr leid, wirklich. Das hört sich gar nicht schön an, ich hoffe du kommst einigermaßen klar und hast Leute um dich!

Konnte man denn gegen deine Abszesse und die anderen Probleme nichts machen damals? :(

Aber deine Geschichte zeigt auf jeden Fall dass es von Person zu Person anders ist. Wenn man noch viele andere Probleme dazu hat dann ist es natürlich umso härter. Während der liebe Mister Happy mit stoma ja nichts anderes hatte als dieses und damit anscheinend wunderbar klar kam.

Danke für deine vielen Tips. Du hast schon Recht, verrückt machen sollte man sich nicht. Aber ich würde mich jetzt auch noch nicht als verrückt vor Angst bezeichnen. Ich wollte nur ein paar Gedanken dazu hören und vielleicht auch von Leuten mit Hernie. Oder einfach ob das allgemein ein Thema unter Stomaträgern ist.
Du hast mir auf jeden Fall schon weitergeholfen, danke dir dafür :)

Grüße, Sullen

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