Seite 1 von 1

6 Monate lang Bodenosid 9mg (Cortison)???

Verfasst: Sa 3. Okt 2020, 19:19
von Grüntee
Hallo liebe Leute,

vor drei Wochen hatte ich eine Darmspiegelung, in deren Folge bei mir Morbus Crohn diagnostiziert wurde (erst lag der Verdacht auf Colitis ulcerosa, weil mein gesamter End- und Dickdarm entzündet ist). Zur weiteren Abklärung habe ich die letzten drei Tage im Krankenhaus verbracht und eine Magenspiegelung und eine Kapselendoskopie durchführen zu lassen. Der Befund lautet wie folgt:

Dickdarmentzündung entsprechend dem Bild einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung in gering aktiver Phase.
Leichte Magenschleimhautentzündung bei insgesamt unauffälliger Schleimhaut.
Keine Entzündungen oder Blutungsquellen im Dünndarm.

Mir wurde für die Magenentzündung Pantoprazol verschrieben. Für die MC Behandlung wurde mir Bodenosid 9mg verschrieben, was ich einmal täglich 6 Monate lang in unveränderter Dosis nehmen soll (!). Was meint ihr dazu? Ich fühle mich ziemlich aufgeschmissen damit, weil ich das persönlich für ungerechtfertigt halte und der Arzt im Krankenhaus mir um ehrlich zu sein ahnungslos und arrogant vor kam. Allerdings weiß ich nicht, wen ich um eine Meinung bitten kann, weil meine Hausärztin mir bei der Diagnose schon gesagt hat, dass sie sich damit nicht so extrem gut auskennt und einen Termin beim Facharzt bekomme ich frühestens in ein paar Wochen bis Monaten. Das muss aber jetzt schon behandelt werden.

Mich macht stutzig, dass ich so lange am Stück Cortison nehmen soll und soweit ich verstanden habe (korrigiert mich, wenn ich falsch liege)ist das dazu noch eine hohe Dosis. Allerdings bin ich aktuell so gut wie beschwerdefrei! Vor der Darspiegelung hatte ich wochenlang Bauchkrämpfe, Durchfall bis zu fünf mal am Tag und die letzten fünf Wochen etwa ein Mal pro Woche Blut im Stuhl. Nach der Darmspiegelung habe ich Mesalazin verschrieben bekommen und innerhalb von fünf Tagen war ich vollkommen beschwerdefrei. Also wird das wohl zumindest etwas gegen die Entzündung geholfen haben. Der Arzt im Krankenhaus hat mich nicht einmal gefragt, wie es mir damit ergangen ist sondern mir Bodenosid auf eigene Faust verschrieben.

Meine Fragen sind also: Was haltet ihr von der Einnahmedauer und der Dosierung? Ist das so der Goldstandard, dass man unabhängig von der Ausprägung der Entzündung (also auch bei Beschwerdefreiheit) Cortison verschreibt? Hat jemand speziell Erfahrungen mit Bodenosid gemacht und mit der Ausprägung der Nebenwirkungen? Gibt es Alternativen? Und macht es Sinn, sich einen Facharzt zu suchen oder verschreiben sowieso alle das gleiche?

Falls das etwas zur Sache tut: Ich bin 25 Jahre alt, weiblich, 163cm groß und 63 kg schwer.

Entschuldigt bitte den langen Text, ich fühle mich verzweifelt und weiß nicht, an wen ich mich wenden kann.

Ich danke für Antworten und wünsche euch ein schönes Wochenende!

-Grüntee

Re: 6 Monate lang Bodenosid 9mg (Cortison)???

Verfasst: Sa 3. Okt 2020, 19:35
von Suchender75
Hallo,

Budesonid wird eigentlich verschrieben wenn der Ileum (Krummdarm), Ileozökalklappe und der angrenzender Dickdarmbereich betroffen sind. In der Regel soll erstmal 8 Wochen eingenommen werden.

MfG Suchender

Re: 6 Monate lang Bodenosid 9mg (Cortison)???

Verfasst: Sa 3. Okt 2020, 20:09
von neptun
Hallo Grüntee,

die Diagnose schien eine Pancolitis bei cu zu sein und wurde jetzt auf Pancolitis bei mc korrigiert?
Was führte zum Wechsel in der Diagnose und wie wurde im Bericht des koloskopierenden Arztes die Stärke der Entzündung eingeschätzt. Im gesamten Dickdarm geringgradig florid?

Erstaunlich, daß eine Kapselendoskopie gemacht wurde, die teuer ist, überhaupt nicht Standard, und als Indikation eigentlich eine durch andere Verfahren unauffindliche Blutungsquelle im Dünndarm vermuten läßt.
Ansonsten wäre ein MRT-Sellink Standard, wie auch in der Leitlinie mc beschrieben bei Diagnosestellung.

Das Budesonid, ein spezielles Cortison, welches vor Ort (topisch) wirkt, gibt es als Kapseln mit je 3 mg (Entocort oder Budenofalk) und in Tütchen mit Granulat 9 mg (Budenofalk Uno).

Allen gemeinsam ist, sie wirken im Bereich der Ileozökalklappe, also dem Übergang von Dünn- zu Dickdarm. Wo Du anscheinend nur teilweise Entzündung hast. Der Rest des Dickdarmes profitiert nicht davon.

Eine übliche Einnahme wäre darüber hinaus so lang, bis die Symptome und Beschwerden verschwunden sind, um dann langsam auszuschleichen, also mit Reduzierung der Dosis und dann auch bei 3 mg dann erst jeden 2. Tag, später jeden 3. Tag. Eine feste Einnahmedauer von 6 Monaten scheint eine sehr gegriffene Zahl ohne angemessenen Therapieansatz.

Durch die topische Anwendung ist Budesonid weniger nebenwirkungsträchtig als das systemisch wirkende Prednisolon und auch mit max. 9 mg/d durch die Wirkung vor Ort im Darm gering dosiert. Zudem wird Budesonid im ersten Durchgang durch die Leber zu 90 % verstoffwechselt. Wer aber dafür empfänglich ist, eine Prädisposition hat, der kann auch mit Budesonid die Nebenwirkungen des Beipackzettels bekommen.

Als Akuttherapie bei den CED wird bei entsprechender Entzündung (Ausdehnung, Stärke) eine Prednisoloninduktionstherapie gemacht mit entsprechend hoher Anfangsdosierung (1mg je kg Körpergewicht am Tag) und auch langer Ausschleichphase.
Hier mal ein Link zur Leitlinie mc, wo Du das lesen kannst.
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-004.html

Cortison ist das einzige Akutmedikament.
Dazu kannst Du mal in diesem Thread lesen:
http://forum.dccv.de/viewtopic.php?f=3&t=181

Es muß aber die aktuelle Entzündung richtig eingeschätzt worden sein durch einen versierten Arzt. Dies ist also nur als Hinweis zu verstehen.

Sicher ist eine Therapie mit Mesalazin gut. Im Dickdarm wirken Claversal, Salofalk und Mezavant. Die Dosis soll entsprechend der Leitlinie cu bei Entzpündung min. 3g/d betragen.
Welches Präpaarat hast Du?

Und da Deine Entzündung auch das Rektum betrifft, so ist eine rektale Behandlung auch unbedingt angesagt. Es gibt Zäpfchen, Schaum und Klysmen, wobei letztere am höchsten reichen. Wenn Du die nich halten kannst, dann melde Dich noch mal. Es gibt dazu Tips, denn Mesalazin muß zur Nacht genommen werden, damit es möglichst lange auf der entzündeten Darmschleimhaut liegen kann.

Ist auch lang geworden. ;)

LG Neptun

Re: 6 Monate lang Bodenosid 9mg (Cortison)???

Verfasst: Sa 3. Okt 2020, 20:44
von Grüntee
Hallo,

danke schon mal für die Antworten.

Genau, Pancolitis bei MC. Die Diagnose wurde geändert, weil die Untersuchung der Proben, die aus dem Darm entnommen wurden, eher das Bild des MC aufweisen (so wurde mir das erklärt). Also ausschlaggebend waren die Proben.
So wie ich verstanden habe, ist die Entzündung leicht bis mittelmäßig? Im Arztbrief steht genau: "Dickdarmschleimhaut mit bandartig erhöhtem Zellgehalt in der tunica propria, poylpoider Kryptenhyperplasie bei lediglich leichtgradiger Kryptenarchitekturstörung, kleine Epitheloidzell-Knötchen sowie gering dichtem disseminiertem floridem Infiltrat, entsprechend dem Bild einer chronsich entzündlichen Darmerkrankung in gering aktiver Phase." Tut mir leid, ich weiß nicht genau, was das bedeutet. Aber vielleicht hilft das Zitat. Der Arzt hat mir noch mitgeteilt, dass keine Verwachsungen, Fisteln etc. gefunden wurden.

Warum genau die Kapselendoskopie gemacht wurde, kann ich nicht erklären. Vielleicht wollten die Ärzte ganz sicher gehen?

Auf die rektale Therapie weise ich meine Hausärztin mal hin.

Ich nehme z.Z. Mesalazin BERAGENA 500 mg Tabletten, 3 mal 2 pro Tag. Das hat mir, wie gesagt, sehr geholfen.

Jetzt habe ich aus euren Antworten verstanden, dass Budesonid nur in einem geringen Teil meines Darms eine Besserung herbei führen würde. Wäre es dann nicht sinniger, weiterhin nur Mesalazin zu nehmen (also zusätzlich zu einer rektalen Behandlung)? Ich habe die Befürchtung, dass ich durch ein Cortison Präparat in meinem aktuellen Zustand mehr Nachteile als Vorteile erfahre und habe deshalb Hemmungen, das zu nehmen. Allerdings haben die Ärzte das so dargestellt, als sei die Therapie mit Mesalazin komplett sinnlos, was ich nicht glaube, da es mir ja damit besser gegangen ist. Stimmt das oder wird Mesalazin auch bei MC verwendet? Und wenn ja, dann auch zur Behandlung der Entzündung oder bloß zur Vorbeugung?

Schönen Abend!

Re: 6 Monate lang Bodenosid 9mg (Cortison)???

Verfasst: Sa 3. Okt 2020, 22:27
von neptun
Hallo Grüntee,

es gibt etliche Ärzte, die auch Mesalazin bei mc verschreiben. Sie und vor allem die Betroffenen haben damit gute Erfahrungen gemacht. Es gibt nach Leitlinie mc nur quasi kaum Studien dazu. Und der Schluß daraus ist nach der Praxis eben nicht richtig. Anders bei cu, wo es etliche Studien gab.

Das Mesalazin hat bei mc die gleichen Aufgaben wie bei cu, die Entzündung eindämmen, die Remissionszeit verlängern und auch zur Darmkrebsprophylaxe. Gegenüber früher nimmt man seit geraumer Zeit nun doch an, die Darmkrebsgefahr ist bei cu ohne spezielle Risikofaktoren nur gering erhöht, aber bei mc im Dickdarm eben auch erhöht.

Es gibt für den Dickdarm ein Extrapräparat mit Budesonid, das Cortiment. Es sind Tabletten mit 9 mg. Auch hier ist die Anwendungsdauer mit max. 8 Wochen empfohlen, wie Suchender schon schrieb.
Das Ausschleichen ist hier nur möglich durch die Einnahme jeden 2. Tag später jeden 3. Tag.

Solch ausgedehnte Entzündung sollte schon möglichst eingedämmt werden. Und gegenüber der Prednisolontherapie ist es ein ziemlicher Unterschied, wenn man Budesonid nimmt.

Zur Verlaufskontrolle sollte anfangs in kürzeren Abständen (vielleicht monatlich) der Calprotectinwert im Stuhl als spezifischer Marker für Entzündungen im Magen-Darm-Trakt erhoben werden. So kann ein Gefühl für den Behandlungserfolg reifen.

LG Neptun