Imodium/Loperamid im akuten Schub

Austausch zu medizinischen Aspekten von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und mikroskopischen Kolitiden.
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Trüffel
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Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Trüffel »

Hallo ihr Lieben,

ich erinnere mich noch gut, wie ich zu Beginn meiner CED-Behandlung beim Gastro gesessen bin und ihn gefragt habe, ob ich denn gegen das ständige Klo-Gerenne nicht einfach Loperamid nehmen kann. Daraufhin hat er mich mit riesigen Augen angeschaut und gemeint, dass ich mir damit keinen Gefallen tun werde. Er hat mir dringend davon abgeraten und gesagt, dass das im akuten Schub ein absolutes no-go sei.
Auf diese Aussage hin habe ich mir mal den Beipackzettel näher angesehen und da steht:
Imodium akut darf nicht angewendet werden bei (u.a.)
- Durchfällen, die mit Fieber und/oder blutigem Stuhl einhergehen
- chronischen Durchfallerkrankungen (Diese Erkrankungen dürfen nur nach ärztlicher Verordnung mit Loperamid behandelt werden.)
- einem akuten Schub einer Colitis ulcerosa (geschwürigen Dickdarmentzündung).

(siehe auch: https://beipackzetteln.de/imodiumr-akut#collection-2)

Hier im Forum lese ich immer wieder von der Einnahme von Loperamid/Imodium im (akuten) Schub. Ich bin ein bisschen verwirrt und frage mich: Habe ich zu übervorsichtige Gastroenterologen, erzählt der Beipackzettel nur die halbe Wahrheit oder kann man tatsächlich "bedenkenlos" bei imperativem Stuhldrang o.ä. Imodium einnehmen?

LG Trüffel
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Kaja
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Kaja »

Hallo Trüffel,

ich sehe die nicht als "Empfehlung" im Schub sich mit diesem Medikament dauerhaft zu behandeln.

Vielmehr als Hilfestellung um "Wegstrecken" zum Arbeitsplatz, zum Arzt und zum Einkaufen zu überbrücken!

Nicht jeder ist im Schub gleich AU. Und nicht jeder ist familiär eingebettet - sondern es gibt auch Singles welche einkaufen müssen.

Ebenfalls der Gastro ist primär nicht gegenüber und man muss die Fahrt dort hin auch irgendwie meistern....

Beim Arzt und auf der Arbeit (zumindest viele AN) haben dort wieder die Möglichkeit sehr schnell eine Toilette aufsuchen zu können (glücklicherweise).

Hast Du noch einen Tipp? Wie handelst Du die Wege mit einer hohen DF-Frequenz?

Viele Grüße

Kaja

Trüffel
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Trüffel »

Hallo Kaja,
Kaja hat geschrieben:
Mo 1. Jun 2020, 18:19
ich sehe die nicht als "Empfehlung" im Schub sich mit diesem Medikament dauerhaft zu behandeln.
Genau so hatte ich das auch gedacht, als ich damals/vor Jahren beim Gastro gefragt habe: ich wollte von ihm einfach wissen, was ich (noch) tun kann, um plötzlichen Toiletten-Attacken entgegenzuwirken. Ziel der Behandlung einer CED ist ja, die Entzündungsaktivität einzudämmen und dadurch auch Beschwerdebesserung/-freiheit zu erreichen. Aber bis es soweit ist, dauert es mehr oder weniger lange. Und ich habe mir die Frage gestellt: Was tun, um dennoch über die Runden zu kommen? Denn, wie du ja auch schreibst, hat man ja trotz CED seine Verpflichtungen - in der Familie, im Beruf etc.
Über die Aussage meines Gastros war ich dann dementsprechend überrascht. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt ernsthaft daran gedacht, Imodium zu nehmen, weil ich nicht mehr weiter wusste.
Weil mein Gastro mir von Imodium dringend abgeraten hatte, hab ich es dann tatsächlich nie eingenommen - stattdessen habe ich mich über die Jahre mit Inkontinenz-Windeln ausgestattet und mit ausreichend Wechselkleidung für unterwegs. Ohne meinen Toiletten-Schlüssel bin ich nicht aus dem Haus. Das Haus zu verlassen war für mich immer eine Art "Risiko", unzählige Male musste ich wildfremde Leute fragen, ob ich bei Ihnen auf die Toilette darf; die Natur ist da zum Glück etwas großzügiger.
Inzwischen habe ich dieses Problem nicht mehr, da ich ja Stomaträger bin.
Für die Zeit bis dahin wäre ich allerdings wirklich dankbar gewesen, wenn es sozusagen eine "Durchfall-/Toiletten-Stopp-Tablette" gegeben hätte - nur habe ich mich nie an Imodium getraut, weil mich mein Doc so eindrücklich davor gewarnt hatte.

LG Trüffel
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Kaja
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Kaja »

Hallo Trüffel,

mit welcher medizinischen Begründung hat Dich Dein Gastro gewarnt?

Eine Windel ist für mich keine Alternative, da ich gar nicht weiß, wo ich mich unterwegs entsprechend dieser entledigen könnte und auch säubern. Zumindest wenn man auf dem Land wohnt.... (da ginge nur die Natur wenn ein Gebüsch in der Nähe ist).

Weiterhin ist der Analbereich eh schon sehr gereizt - wie soll man diese dann noch mit dem Kot länger in Verbindung bringen?

Der Euro-Schlüssel welchen ich auch habe ist zwar prima, aber man muss erstmal eine Toilette vor Ort oder schnell erreichbar haben.

Viele Supermärkte haben bei uns noch kein Kunden-WC.

Mein Gastro z. B. liegt in der Innenstadt mit Fußgängerzone. Somit sind alle Parkplätze sehr weit entfernt..... ohne WC..... auf dem Weg.

Es wird korrekterweise von Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer mit dem Merkzeichen AG gesprochen, aber wir bekommen noch nicht mal den orangenen Parkausweis um näher zum Arzt, Apotheke etc. zu kommen, was wir dringend benötigen. Zumindest in Hessen sind die Versorgungsämter da sehr unkooperativ!

Hinzu kommt noch, dass es auch nicht immer nur der imperative Stuhlgang ist - sondern auch noch die Nebenerkrankungen wie extraintestinale Manifestationen - CED Rheuma - und dann in den Beinen und Füßen, wenn man noch langsamer und beschwerlicher von der Stelle kommt. Wie mit massiven Gehproblemen "flott" ein WC erreichen.

Charmant finde ich auch die CED-App wo man sich öffentliche WC´s anzeigen lassen kann. Ist nicht wirklich valide!!!

Wenn ich meinen Ort abfrage bekomme ich eine "Dönerbude" und ein Museum angezeigt mit "öffentlichen" Toiletten.

Fakt: die Dönerbude - steckt schon im Namen "Bude" hat kein WC für Gäste
das Museum ist nur nach Absprache / Buchung geöffnet!!!

Absolut irreführend und nicht valide. Sorry, um es auf den Punkt zu bringen, wer sich darauf verlässt "macht auf den Hof"!

Wir CED´ler haben noch sehr viele Probleme um in der Gesellschaft teilhaben zu können (wahrscheinlich andere Behindertengruppen ebenfalls). Wir stehen in der Anerkennung der Behinderungen und auch in der sozialgesellschaftlichen Hilfe noch sehr am Anfang.

Viele Grüße

Kaja

Trüffel
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Trüffel »

Hallo Kaja,
Kaja hat geschrieben:
Mo 1. Jun 2020, 20:37
mit welcher medizinischen Begründung hat Dich Dein Gastro gewarnt?
...mit Gefahr des Darmverschlusses - der Darm sei durch die Entzündung ohnehin schon recht eng.
Ich habe dann damals nicht weiter nachgefragt, weil ich mit der ganzen Situation ziemlich überfordert war.

Dem, was du geschrieben hast, stimme ich dir zu. Für CED-Geplagte ist eine Teilhabe am "normalen" Leben nicht so ohne Weiteres möglich und mit ziemlich vielen Hürden und Hindernissen verbunden.
Dass ich die "Durchfall-/Toiletten-Jahre" überstanden habe, habe ich v.a. meiner Familie zu verdanken, die mich da echt gut unterstützt hat. Aber alleine auf mich gestellt hätte ich nicht mal den Gang zum Bäcker geschafft.

OK, ich fasse mal zusammen: Loperamid kann tatsächlich eingenommen werden - als vorübergehende "Notlösung". Rücksprache mit dem Arzt und/oder Apotheker finde ich schon sinnvoll, weil die selbstständige Behandlung mit Medikamenten ja auch mal nach hinten losgehen kann. Allerdings hat mich die Warnung von meinem Gastro damals so abgeschreckt, dass ich um Loperamid seither einen riesen Bogen gemacht habe. Vllt hätte es mir ja tatsächlich etwas Erleichterung in meinem CED-Alltag gebracht...

LG Trüffel
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Kaja
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Kaja »

Hallo Trüffel,

ja, es stimmt, wir Patienten mit Stenose haben tatsächlich auch die erhöhte Gefahr eines Darmverschlusses. Auch wenn wir primär unter DF und häufigen Stuhlgang jeglicher Art leiden.

Meine Gastro hat mich auch auf die Gefahr eines Darmverschlusses hingewiesen (aber nicht im Rahmen von Imodium / Loperamid).

Ihr ist es wichtig, dass wenn ich feststelle, dass sich der Stuhlgang einstellt, ich sofort zu ihr in die Praxis komme.
Allerdings auch mit dem Hinweis: Am Wochenende o. während Praxis-Urlaub mich in eine bestimmte Klinik zu begeben, weil die dort ein Kompetenzzentrum für CED + Enddarm haben.

Natürlich gilt diese Empfehlung auch für alle anderen Notfälle im Rahmen unserer Erkrankung.

Viele Grüße

Kaja

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neptun
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von neptun »

Hallo Trüffel,

Imodium ist freiverkäuflich zu bekommen. Die Packungsgröße ist recht klein. Der Beipackzettel enthält also auch allgemeine Hinweise, die nicht nur für CED-Betroffene gedacht sind.

Bei uns wird Loperamid auf Rezept verschrieben aufgrund der CED. Es war (ist?) zuzahlungsbefreit. Vor Jahren wurde es vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aus der Liste eliminiert und erst nach Intervention, u.a. der DCCV, wurde der alte Zustand wieder hergestellt.

Verschreibt es der Arzt, dann kann man es auch über Jahre nehmen. Eine maximale tägliche Höchstdosis ist angegeben. Es macht nicht süchtig, obwohl ein Opiatabkömmling, denn es überwindet die Blut-Hirn-Schranke nicht.

Ich habe es vom Arzt bekommen wegen meines imperativen Stuhldranges. Wie viele andere auch.

Die meisten haben das Stuhlproblem, ob nun Frequenz oder Notwendigkeit, ja bei Entzündung im Rektum.
Was wieder regelhaft zur cu gehört.

Denkt man mal an die COX2-Hemmer, auch die werden für uns verschrieben trotz Warnhinweisen. Es ist eine Methode der Pharmaindustrie, sich vor Regressansprüchen zu schützen.

Und bei den Lavagemitteln für eine Kolo, da steht auch ein Warnhinweis drin.
Bei Moviprep zum Beispiel für:
schwere akute entzündliche Darmerkrankung

Gerade bei Entzündung will ein Arzt ja sehen, welche Diagnose er stellen kann, oder eben auch einen Status feststellen, wenn trotz Medikation weiterhin Probleme bestehen.

Meine Meinung:
Die Reaktion Deines Arztes war sicher nicht angebracht.

Mir hat es mit dem imperativen Stuhldrang nicht geholfen. Die Lähmung der Peristaltik hat anscheinend nicht den plötzlichen Stuhldrang, begleitet oder ausgelöst durch die Tenesmen, verhindert.

LG Neptun

Trüffel
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Re: Imodium/Loperamid im akuten Schub

Beitrag von Trüffel »

Hallo Neptun,
neptun hat geschrieben:
Fr 5. Jun 2020, 20:41
Bei uns wird Loperamid auf Rezept verschrieben aufgrund der CED.
Wieder was dazugelernt.
neptun hat geschrieben:
Fr 5. Jun 2020, 20:41
Die Reaktion Deines Arztes war sicher nicht angebracht.
Wenn es anscheinend viele (?) CEDler einnehmen und - ich sag mal salopp - nichts "Schlimmes" dadurch passiert, frage ich mich tatsächlich, warum mein Gastro so ganz allgemein gesagt hat, dass man als CEDler die Finger vom Loperamid lassen sollte.
neptun hat geschrieben:
Fr 5. Jun 2020, 20:41
Es ist eine Methode der Pharmaindustrie, sich vor Regressansprüchen zu schützen.
Ja, das macht tatsächlich Sinn und leuchtet mir ein.

Danke für deine Rückmeldung zu deiner persönlichen Erfahrung mit imperativem Stuhldrang und Loperamid!

LG Trüffel

@Kaja: Danke auch nochmal für deine Rückmeldung!
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